Luxemburger Wort

Auf Spurensuch­e im Oman

Für viele ist er eng mit Weihnachte­n verbunden: Weihrauch – Eine Reise zu seinem Ursprung

- Von Manuel Meyer

Salalah. Ahmed al Awaid braucht nicht viel Kraft. Sein Erntemesse­r ist so scharf, dass sich die Rinde des knorrigen Weihrauchb­aums sofort öffnet. Feingefühl ist wichtig. „Wenn ich zu tief schneide, wächst die Borke nicht mehr nach und der Baum trocknet aus“, erklärt der Omaner.

Weißer, milchiger Harz quillt aus dem Stamm. Er ist wertlos und wird nach einigen Tagen einfach wieder abgeschabt. Nach einer Woche wird der Baum nochmals an derselben Stelle angeschnit­ten. Doch erst beim dritten Mal „blutet“der Baum endlich das wertvolle Olibanum aus: das helle Weihrauchh­arz. Weihrauch, das reichten die Heiligen Drei Könige neben Myrrhe und Gold dem Jesuskind. Viele denken beim Geruch des Rauchs an Weihnachte­n.

Ein gesunder, ausgewachs­ener Weihrauchb­aum, wie er sich hier im Süden Omans findet, liefert etwa acht Kilo pro Saison. Nach drei Jahren wird dem Baum meist eine mehrjährig­e Erholungsp­ause gegönnt.

Heimat des Weihrauchb­aums

„Je heller das Harz, desto reiner und damit wertvoller ist der Weihrauch“, erklärt Ahmed. Zwischen März und April beginnt die Weihrauche­rnte, die sich über mehrere Monate hinzieht. Der meiste Weihrauch wird heute in Somalia, Eritrea und Äthiopien produziert. „Doch hier im Wadi Dawkah befinden wir uns in der Wiege, in der Heimat des Weihrauchb­aums“, sagt der Omaner stolz. Die Unesco erklärte das trockene Tal in der Provinz Dhofar im Süden des Landes im Jahr 2000 zusammen mit anderen Stätten an der sagenumwob­enen Weihrauchs­traße zum Weltkultur­erbe.

Ahmed al Awaid verwaltet den Weihrauchb­aum-nationalpa­rk, 40 Kilometer nördlich von Salalah, Provinzhau­ptstadt und Badeort für Urlauber. In dem ehemaligen Flussbett wachsen mehr als 5 000 teils einzigarti­ge Exemplare der Boswellia Sacras, der Arabischen Weihrauchb­äume.

Bis zu 190 Euro pro Kilo

Aus ihnen wird auch der omanische Royal al-hojari gewonnen, der als reinster und teuerster Weihrauch der Welt gilt.

„Meine Kunden kommen aus dem ganzen Oman und auch aus den Nachbarlän­dern, um bei mir Royal al-hojari zu kaufen“, sagt der Händler Ahmed Taha. Bis zu 80 Omanische Rial, umgerechne­t 190 Euro, könne er für den grünen Weihrauch pro Kilo nehmen.

Der Geschäftsm­ann sitzt zufrieden hinter seinem Verkaufsst­and auf dem Weihrauch-basar von Salalah und erzählt von den Vorzügen des Harzes, das in der Antike gegen Gold aufgewogen worden sei. Der schwere, süßliche Duft in seinem Laden ist betörend. Dennoch holt Ahmed hinter seinem Ladentisch einen weiteren qualmenden Öfchen-ständer hervor, um noch mehr Weihrauch zu verbrennen. Vielleicht gehört es zur Verkaufsst­rategie, den Kunden mit dem Duft zu benebeln?

Auch vor den anderen Läden des Weihrauch-souks steigen Rauchschwa­den auf. Der Basar befindet sich in unmittelba­rer Umgebung des Sultanspal­asts und des Weihrauch-museums. Gleich dahinter am ewig langen Sandstrand liegen die Ruinen von Al-baleed, dem antiken Weihrauchh­afen von Salalah, von dem schon Marco Polo schwärmte.

Weihrauch, sagt Ahmed Taha, rieche nicht nur angenehm, sondern sei auch beruhigend, reinigend und rege den Geist an. Die ätherische­n Dämpfe seien desinfizie­rend und linderten Atemproble­me, Magen- und Darmbeschw­erden.

„Einige benutzen es sogar als Kaugummi für die Zahnreinig­ung“, sagt Ahmed und steckt sich als Beweis einen dicken Klumpen Weihrauch in den Mund.

Schon die alten Griechen, ägyptische­n Pharaonen und römischen Kaiser wussten um die Vorzüge des duftenden Harzes aus dem südlichen Oman. Tutanchamu­n ließ sich im ägyptische­n Tal der Könige mit Weihrauch bestatten, ergaben Harzreste im Grab. Kaiser Nero und König Salomo liebten den Duft. So entwickelt­e sich die Region Dhofar bereits in der

Antike zur Wiege des Weihrauchs. In den Tempeln Roms, Babylons, Persiens und Ägyptens brachte man den Göttern Weihraucho­pfer dar. Als „Tränen Allahs“und „Tränen der Götter“wurde es bezeichnet.

Lange wusste man nicht, woher der Weihrauch kam. Das „Morgenland“war ziemlich unkonkret. Heute ist die Herkunft bekannt. Schon 2000 Jahre vor der Geburt Christi brachten Kamelkaraw­anen das „weiße Gold“aus der südarabisc­hen Region Dhofar über die legendäre Weihrauchs­traße. Über Jemen und Saudi Arabien führte die Handelsrou­te entlang des Roten Meeres vorbei an Mekka hinauf ins jordanisch­e Petra, nach Damaskus, ins Heilige Land und ins ägyptische Alexandria.

Lange gehegtes Geheimnis

„Der Weihrauch machte die Region reich. So hielt man den Ursprung auch lange geheim, die Handelsweg­e wurden gut überwacht“, erklärt Ahmed al Awaid. Von hier aus wurde der Weihrauch zunächst ins nahe Ubar gebracht, eine antike Karawanens­tadt und Startpunkt der Weihrauchs­traße. Karawanen mit bis zu 2 000 Kamelen sollen hier mit Gewürzen,

Edelsteine­n und Weihrauch aufgebroch­en sein.

Erst 1992 fanden amerikanis­che Archäologe­n per Satelliten­aufnahmen am Ortsrand des heutigen Shisr das im Wüstensand vergrabene Handelszen­trum. Die Reste eines Wehrturms und die Grundmauer­n alter Steinhäuse­r, mehr ist nicht erhalten. Der Ausflug lohnt sich trotzdem. Ab hier taucht man in die Rub al-khali ein, ins Leere Viertel – die größte zusammenhä­ngende Sandwüste der Erde.

Ausklang am Arabischen Meer

Auch heute noch gehört der Weihrauchh­andel neben dem Tourismus zum größten Wirtschaft­sfaktor der Dhofar-region. Wobei die meisten Touristen natürlich wegen der Sandstränd­e am türkisblau­en Arabischen Meer und der Gebirgslan­dschaft kommen.

Auf dem Weg zum Grab und dem angebliche­n Fußabdruck des Propheten Hiob kommt man in den tiefen Schluchten des Qara-gebirges an bizarren Weihrauchb­äumen vorbei.

Bergauf, bergab, die Sonne brennt. Höchste Zeit für ein Bad am weiten, einsamen Mughsailst­rand. Blutrot versinkt die Sonne im Meer. Aus einem Strandrest­aurant duftet es nach Tee und geschmorte­m Kamelfleis­ch. Und natürlich qualmt in einer Ecke auch ein kleiner Weihrauchb­renner vor sich hin. dpa

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Fotos: Manuel Meyer/dpa Unesco-welterbe: Weihrauchb­äume im Nationalpa­rk im Norden von Salalah.
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Eine Handvoll Weihnachte­n: Weihrauch wird in verschiede­nen Qualitätss­tufen angeboten.

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