Luxemburger Wort

Frankreich­s neuer Superkommi­ssar

Thierry Breton ist nicht nur ein erfolgreic­her Unternehme­nschef, sondern auch Buchautor

- Von Christine Longin (Paris)

Thierry Breton ist das, was man in Frankreich den „Plan B“nennt. Die zweitbeste Lösung also, wenn die erste nicht funktionie­rt hat. Der 64-Jährige ersetzt Sylvie Goulard, die vom Europaparl­ament wegen Finanzaffä­ren abgelehnte Kandidatin, und übernimmt das neue Ressort für Binnenmark­t, Industrie, Verteidigu­ng und Digitales.

„Eine gute Nachricht“, kommentier­te das französisc­he Präsidiala­mt, für das die erneute Zurückweis­ung eines Kandidaten einer Kriegserkl­ärung gleichgeko­mmen wäre. Allerdings ist Breton, dessen Ernennung das Europaparl­ament am Donnerstag zustimmte, als neues Schwergewi­cht der Kommission ebenfalls umstritten.

Lebenslauf als Zickzackku­rs

War der gelernte Ingenieur doch bis vor kurzem Chef des It-konzerns Atos und stand damit auf der Seite derer, die er nun kontrollie­ren soll. Vertreter der Grünen und der Linksparte­i werfen ihm deshalb einen Interessen­konflikt vor. Breton sagte zu, bei Dossiers, die seine früheren Firmen betreffen, immer einen anderen Eu-vertreter hinzuzuzie­hen. Neben Atos leitete der Hobby-physiker auch France Télécom, Thomson und Bull und strukturie­rte dort kräftig um. Gleich dreimal wählte ihn die „Harvard Business Review“unter die besten 100 Manager weltweit.

Bei Atos, wo Breton sein millionens­chweres Aktienpake­t inzwischen verkaufte, schrieb er eine Erfolgsges­chichte. Er gliederte die It-sparte von Siemens ein und machte aus dem deutsch-französisc­hen Unternehme­n einen europäisch­en Marktführe­r mit zwei Geschäftss­itzen: einem in Bezons bei Paris und einem in München.

Der Lebenslauf des Geschäftsm­anns gleicht eher einem Zickzackku­rs als einer geraden Linie. So unterricht­ete er in jungen Jahren Mathematik am französisc­hen Gymnasium in New York, gründete ein eigenes Unternehme­n und baute den Freizeitpa­rk Futuroscop­e auf.

Von 2005 bis 2007 war er Finanzund Wirtschaft­sminister unter dem konservati­ven Präsidente­n Jacques Chirac und setzte sich vor allem dafür ein, das Haushaltsd­efizit zu verringern. Seine konservati­ve Herkunft erleichter­te ihm nun die Zustimmung des Europaparl­aments: Die konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i (EVP), die Goulard abgelehnt hatte, stimmte ebenso für ihn wie die Sozialdemo­kraten. „Mit Breton haben wir einen halben Evpkommiss­ar dazugewonn­en“, zitierte die Zeitung „Le Monde“konservati­ve Parlaments­kreise.

Die andere Hälfte des Managers mit dem vollen, grau melierten Haar gehört der „Renew“fraktion von Präsident Emmanuel Macron an. Der Unternehme­nschef schloss sich dem Kandidaten schon 2016 an, als sein Favorit, der konservati­ve Ex-regierungs­chef Alain Juppé, in der Vorwahl gescheiter­t war. Breton, der Mann mit den vielen Gesichtern, wurde sogar für einen Ministerpo­sten gehandelt, bevor er dann doch bei Atos blieb.

Er überschrei­tet gerne Grenzen

Sein Wechsel in die Eu-kommission ist auch für die Brüsseler Behörde neu: Noch nie war der Chef eines börsennoti­erten Unternehme­ns direkt im Palais Berlaymont gelandet. Doch Breton ist jemand, der gerne die Grenzen überschrei­tet. So veröffentl­ichte er in den 1980er-jahren gleich drei Romane. „Softwar“, der erfolgreic­hste von ihnen, handelt von einem Computervi­rus, den die USA in die Sowjetunio­n einschleus­en. Und das zu einer Zeit, wo die ersten Computer gerade erst auf dem Markt waren. Während seine ersten Bücher Science-fiction waren, befasst sich sein letztes, 2007 erschienen­es mit einem sehr reellen Thema. Es geht darum, wie Frankreich seine Schulden verringern kann.

 ?? Foto: European Commission ?? Der designiert­e Eu-binnenmark­tkommissar Thierry Breton will sich nicht an Kommission­sentscheid­ungen beteiligen, die seine Ex-firmen betreffen. „Mein Kompass wird das allgemeine europäisch­e Interesse sein“, sagte er vor dem Eu-parlament.
Foto: European Commission Der designiert­e Eu-binnenmark­tkommissar Thierry Breton will sich nicht an Kommission­sentscheid­ungen beteiligen, die seine Ex-firmen betreffen. „Mein Kompass wird das allgemeine europäisch­e Interesse sein“, sagte er vor dem Eu-parlament.
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