Frankreichs neuer Superkommissar
Thierry Breton ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmenschef, sondern auch Buchautor
Thierry Breton ist das, was man in Frankreich den „Plan B“nennt. Die zweitbeste Lösung also, wenn die erste nicht funktioniert hat. Der 64-Jährige ersetzt Sylvie Goulard, die vom Europaparlament wegen Finanzaffären abgelehnte Kandidatin, und übernimmt das neue Ressort für Binnenmarkt, Industrie, Verteidigung und Digitales.
„Eine gute Nachricht“, kommentierte das französische Präsidialamt, für das die erneute Zurückweisung eines Kandidaten einer Kriegserklärung gleichgekommen wäre. Allerdings ist Breton, dessen Ernennung das Europaparlament am Donnerstag zustimmte, als neues Schwergewicht der Kommission ebenfalls umstritten.
Lebenslauf als Zickzackkurs
War der gelernte Ingenieur doch bis vor kurzem Chef des It-konzerns Atos und stand damit auf der Seite derer, die er nun kontrollieren soll. Vertreter der Grünen und der Linkspartei werfen ihm deshalb einen Interessenkonflikt vor. Breton sagte zu, bei Dossiers, die seine früheren Firmen betreffen, immer einen anderen Eu-vertreter hinzuzuziehen. Neben Atos leitete der Hobby-physiker auch France Télécom, Thomson und Bull und strukturierte dort kräftig um. Gleich dreimal wählte ihn die „Harvard Business Review“unter die besten 100 Manager weltweit.
Bei Atos, wo Breton sein millionenschweres Aktienpaket inzwischen verkaufte, schrieb er eine Erfolgsgeschichte. Er gliederte die It-sparte von Siemens ein und machte aus dem deutsch-französischen Unternehmen einen europäischen Marktführer mit zwei Geschäftssitzen: einem in Bezons bei Paris und einem in München.
Der Lebenslauf des Geschäftsmanns gleicht eher einem Zickzackkurs als einer geraden Linie. So unterrichtete er in jungen Jahren Mathematik am französischen Gymnasium in New York, gründete ein eigenes Unternehmen und baute den Freizeitpark Futuroscope auf.
Von 2005 bis 2007 war er Finanzund Wirtschaftsminister unter dem konservativen Präsidenten Jacques Chirac und setzte sich vor allem dafür ein, das Haushaltsdefizit zu verringern. Seine konservative Herkunft erleichterte ihm nun die Zustimmung des Europaparlaments: Die konservative Europäische Volkspartei (EVP), die Goulard abgelehnt hatte, stimmte ebenso für ihn wie die Sozialdemokraten. „Mit Breton haben wir einen halben Evpkommissar dazugewonnen“, zitierte die Zeitung „Le Monde“konservative Parlamentskreise.
Die andere Hälfte des Managers mit dem vollen, grau melierten Haar gehört der „Renew“fraktion von Präsident Emmanuel Macron an. Der Unternehmenschef schloss sich dem Kandidaten schon 2016 an, als sein Favorit, der konservative Ex-regierungschef Alain Juppé, in der Vorwahl gescheitert war. Breton, der Mann mit den vielen Gesichtern, wurde sogar für einen Ministerposten gehandelt, bevor er dann doch bei Atos blieb.
Er überschreitet gerne Grenzen
Sein Wechsel in die Eu-kommission ist auch für die Brüsseler Behörde neu: Noch nie war der Chef eines börsennotierten Unternehmens direkt im Palais Berlaymont gelandet. Doch Breton ist jemand, der gerne die Grenzen überschreitet. So veröffentlichte er in den 1980er-jahren gleich drei Romane. „Softwar“, der erfolgreichste von ihnen, handelt von einem Computervirus, den die USA in die Sowjetunion einschleusen. Und das zu einer Zeit, wo die ersten Computer gerade erst auf dem Markt waren. Während seine ersten Bücher Science-fiction waren, befasst sich sein letztes, 2007 erschienenes mit einem sehr reellen Thema. Es geht darum, wie Frankreich seine Schulden verringern kann.