Einschüchterung in Echtzeit
Donald Trump greift frühere Ukraine-botschafterin Marie Yovanovitch während Aussage an
Es war ein dramatischer Moment, als der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Kongress die Befragung der früheren Botschafterin unterbrach. Adam Schiff verlas einen Tweet, den Trump gerade aus dem Weißen Haus abgefeuert hatte. „Überall, wo Marie Yovanovitch hinging, veränderten sich die Dinge zum Schlechteren“, greift der Präsident die Botschafterin im Zeugenstand an.
„Das ist sehr einschüchternd“, erklärte die Diplomatin, die auf eine glänzende Karriere auf fünfzehn Auslandsposten zurückschaut. „Ich kann nicht sagen, was der Präsident zu tun versucht. Aber der Effekt ist sehr einschüchternd.“So begriff auch Schiff die beispiellose Intervention Trumps. „Das ist Zeugeneinschüchterung in Echtzeit. Wir nehmen das sehr ernst.“
Ganz offenkundig ging dem Präsidenten unter die Haut, was Yovanovitch vor dem Kongress aussagte. Die Botschafterin schilderte den Abgeordneten, wie Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani in Verbund mit fragwürdigen Gestalten in der Ukraine ihre Arbeit unterminierte und dann eine Schmierenkampagne inszenierte. Sichtbar berührt erinnert Yovanovitch
an ihre Reaktion auf das Memorandum des Telefonats zwischen Trump und dem neuen ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyji. Sie sei „sehr besorgt gewesen“, was sie dort über das Gespräch vom 25. Juli erfuhr. Der
Präsident hatte seine Botschafterin gegenüber dem Führer der Gastgebernation als „schlechte Kunde“bezeichnet. Dann versicherte er Selenskyji, „sie mache gerade etwas durch“. Yovanovitch sagte den Abgeordneten, sie habe sich gefragt, was das bedeute. „Ich fühlte mich bedroht.“
Analysten verglichen das Verhalten des Präsidenten mit dem eines Mafia-bosses, der Personen droht, die nicht mit ihm kooperieren oder belastende Informationen preisgeben wollen. Mit seinem Tweet habe der Präsident diesen Eindruck verstärkt. Selbst ein Moderator auf Trumps Lieblingssender FOX sieht Probleme auf den Präsidenten zukommen – Bret Baier spricht von einem „Wendepunkt“in dem „Impeachment“-verfahren.
Bisher sah wenig danach aus, dass sich die Stimmung der stark polarisierten Amerikaner durch die Anhörungen wesentlich verändern wird. Während eine knappe Mehrheit für die Amtsenthebung ist, konnte sich der Präsident bisher weitgehend auf seine Anhänger und Partei verlassen. Speakerin Nancy Pelosi versuchte die Aufmerksamkeit ihrer Landsleute zu konzentrieren, indem sie nach den schwer belastenden Aussagen der beiden Karriere-diplomaten George Kent und Bill Taylor erstmals den Begriff der „Bestechlichkeit“gebrauchte. „Der Präsident missbrauchte seine Macht und verletzte seinen Eid mit der Drohung Militärhilfe und ein Treffen im Weißen Haus zurückzuhalten bis er als Gegenleistung dafür Ermittlungen gegen seine politischen Gegner bekommen hat“, erklärte Pelosi den Vorwurf vor der Presse.
Taylor hatte am ersten Tag der Anhörungen überraschend enthüllt, einer seiner Mitarbeiter habe ein Gespräch Sondlands mit Trump überhört, in dem sich der Präsident am Tag nach dem Telefonat mit Selenskyji ausdrücklich nach dem „Stand der Ermittlungen“erkundigte. Der Geheimdienstausschuss wollte den Zeugen David Holmes gestern in nichtöffentlicher Sitzung einvernehmen. Inzwischen gibt es eine zweite Person, die dasselbe Telefonat bezeugen kann.
Probleme bekommt Trump auch bei seinen Steuererklärungen. Nachdem zwei Bundesgerichte die Herausgabe der Unterlagen durch sein Steuerberatungsunternehmen Mazar für rechtens erklärte, versucht der Präsident dies nun vor dem obersten Verfassungsgericht zu stoppen.
Schlechte Nachrichten für Donald Trump kamen auch von einem Bundesgericht in dem „Wikileaks“-prozess gegen seinen langjährigen Freund Roger Stone. Eine Jury befand eine der Schlüsselpersonen in der Russland-affäre in mehreren Punkten für schuldig, darunter Lügen unter Eid vor dem Kongress sowie Zeugenbeeinflussung.
Analysten vergleichen das Verhalten des Präsidenten mit dem eines Mafiabosses.