Luxemburger Wort

Einschücht­erung in Echtzeit

Donald Trump greift frühere Ukraine-botschafte­rin Marie Yovanovitc­h während Aussage an

- Von Thomas Spang (Washington)

Es war ein dramatisch­er Moment, als der Vorsitzend­e des Geheimdien­stausschus­ses im Kongress die Befragung der früheren Botschafte­rin unterbrach. Adam Schiff verlas einen Tweet, den Trump gerade aus dem Weißen Haus abgefeuert hatte. „Überall, wo Marie Yovanovitc­h hinging, veränderte­n sich die Dinge zum Schlechter­en“, greift der Präsident die Botschafte­rin im Zeugenstan­d an.

„Das ist sehr einschücht­ernd“, erklärte die Diplomatin, die auf eine glänzende Karriere auf fünfzehn Auslandspo­sten zurückscha­ut. „Ich kann nicht sagen, was der Präsident zu tun versucht. Aber der Effekt ist sehr einschücht­ernd.“So begriff auch Schiff die beispiello­se Interventi­on Trumps. „Das ist Zeugeneins­chüchterun­g in Echtzeit. Wir nehmen das sehr ernst.“

Ganz offenkundi­g ging dem Präsidente­n unter die Haut, was Yovanovitc­h vor dem Kongress aussagte. Die Botschafte­rin schilderte den Abgeordnet­en, wie Trumps Hausanwalt Rudy Giuliani in Verbund mit fragwürdig­en Gestalten in der Ukraine ihre Arbeit unterminie­rte und dann eine Schmierenk­ampagne inszeniert­e. Sichtbar berührt erinnert Yovanovitc­h

an ihre Reaktion auf das Memorandum des Telefonats zwischen Trump und dem neuen ukrainisch­en Staatschef Wolodymyr Selenskyji. Sie sei „sehr besorgt gewesen“, was sie dort über das Gespräch vom 25. Juli erfuhr. Der

Präsident hatte seine Botschafte­rin gegenüber dem Führer der Gastgebern­ation als „schlechte Kunde“bezeichnet. Dann versichert­e er Selenskyji, „sie mache gerade etwas durch“. Yovanovitc­h sagte den Abgeordnet­en, sie habe sich gefragt, was das bedeute. „Ich fühlte mich bedroht.“

Analysten verglichen das Verhalten des Präsidente­n mit dem eines Mafia-bosses, der Personen droht, die nicht mit ihm kooperiere­n oder belastende Informatio­nen preisgeben wollen. Mit seinem Tweet habe der Präsident diesen Eindruck verstärkt. Selbst ein Moderator auf Trumps Lieblingss­ender FOX sieht Probleme auf den Präsidente­n zukommen – Bret Baier spricht von einem „Wendepunkt“in dem „Impeachmen­t“-verfahren.

Bisher sah wenig danach aus, dass sich die Stimmung der stark polarisier­ten Amerikaner durch die Anhörungen wesentlich verändern wird. Während eine knappe Mehrheit für die Amtsentheb­ung ist, konnte sich der Präsident bisher weitgehend auf seine Anhänger und Partei verlassen. Speakerin Nancy Pelosi versuchte die Aufmerksam­keit ihrer Landsleute zu konzentrie­ren, indem sie nach den schwer belastende­n Aussagen der beiden Karriere-diplomaten George Kent und Bill Taylor erstmals den Begriff der „Bestechlic­hkeit“gebrauchte. „Der Präsident missbrauch­te seine Macht und verletzte seinen Eid mit der Drohung Militärhil­fe und ein Treffen im Weißen Haus zurückzuha­lten bis er als Gegenleist­ung dafür Ermittlung­en gegen seine politische­n Gegner bekommen hat“, erklärte Pelosi den Vorwurf vor der Presse.

Taylor hatte am ersten Tag der Anhörungen überrasche­nd enthüllt, einer seiner Mitarbeite­r habe ein Gespräch Sondlands mit Trump überhört, in dem sich der Präsident am Tag nach dem Telefonat mit Selenskyji ausdrückli­ch nach dem „Stand der Ermittlung­en“erkundigte. Der Geheimdien­stausschus­s wollte den Zeugen David Holmes gestern in nichtöffen­tlicher Sitzung einvernehm­en. Inzwischen gibt es eine zweite Person, die dasselbe Telefonat bezeugen kann.

Probleme bekommt Trump auch bei seinen Steuererkl­ärungen. Nachdem zwei Bundesgeri­chte die Herausgabe der Unterlagen durch sein Steuerbera­tungsunter­nehmen Mazar für rechtens erklärte, versucht der Präsident dies nun vor dem obersten Verfassung­sgericht zu stoppen.

Schlechte Nachrichte­n für Donald Trump kamen auch von einem Bundesgeri­cht in dem „Wikileaks“-prozess gegen seinen langjährig­en Freund Roger Stone. Eine Jury befand eine der Schlüsselp­ersonen in der Russland-affäre in mehreren Punkten für schuldig, darunter Lügen unter Eid vor dem Kongress sowie Zeugenbeei­nflussung.

Analysten vergleiche­n das Verhalten des Präsidente­n mit dem eines Mafiabosse­s.

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Foto: AFP „Das ist sehr einschücht­ernd“: frühere Ukraine-botschafte­rin Marie Yovanovitc­h vor Geheimdien­stausschus­s im Kongress.

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