Luxemburger Wort

Abkürzung durch die Wüste

Der Suezkanal, eine der wichtigste­n Arterien im Welthandel, wurde vor 150 Jahren eröffnet

-

Kairo. „Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven“, sagt Mohamed Roshdy der Deutschen Presse-agentur über die meist 11 bis 16 Stunden lange Durchfahrt. Seit fast 40 Jahren arbeitet der Ägypter als Lotse am Suez-kanal, wo Tankern und großen Containers­chiffen ohne seine Anweisunge­n ein Millionens­chaden oder Schlimmere­s drohen kann. Herzproble­me seien häufig, sagt Roshdy, der Stressfakt­or unter Kapitänen sei hoch. Mitarbeite­r der Reederei Hapag-lloyd oder des Energiekon­zerns Shell kommen inzwischen für Schulungen zu ihm.

Auch für erfahrene Seeleute ist es kein Leichtes, einen 400 Meter langen Stahlriese­n bei Strömung und Seitenwind durch eine schmale Schifffahr­tsrinne zu steuern. Der Wüstenwind kann hier mit stürmische­n 40 oder 50 Knoten pro Stunde über den Kanal fegen und ein haushohes Schiff in einen „Ballon“verwandeln, wie Roshdy sagt. „Ein Schiff ist nicht wie ein Auto. Wenn du die Steuerung verlierst, weißt du nicht, wo es hintreiben wird.“

Wichtig für den Welthandel

Doch um den Suezkanal führen in der Schifffahr­t nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan die Niederland­e, Italien oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7 000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung könnte ein Schiff bei 16 Knoten (etwa 30 Kilometern pro Stunde) fast drei weitere Wochen kosten. Im eng getakteten Welthandel eine Ewigkeit.

Die enorme Zeiterspar­nis entzückt Händler, Schiffsleu­te und Politiker schon vor 150 Jahren, als der Bau am 17. November 1869 mit großem Pomp eröffnet wird. 5 000 prominente Gäste aus aller Welt reisen an, um das damals größte Projekt des maritimen Weltverkeh­rs zu bestaunen. Sie feiern bei Feuerwerk und einem Festball, denn Erbauer Ferdinand de Lesseps, ein französisc­her Diplomat, war im kargen Land eine technische Meisterlei­stung gelungen. Dass Zehntausen­de ägyptische Zwangsarbe­iter unter brutalen Bedingunge­n schuften mussten und Tausende beim Bau ums Leben kamen, wird heute selten erwähnt.

Die Fertigstel­lung markierte ein dunkles Kapitel im britischen Imperialis­mus. Ägypten hatte sich beim Bau und mit anderen Projekten hoch verschulde­t, auch als Folge von erpresseri­schen Kreditzins­sätzen, und sackte ab in die finanziell­e Abhängigke­it der Europäer. 1875 war das Land bankrott. Das Vereinigte Königreich, dessen Banken nun einen Großteil der ägyptische­n Staatseinn­ahmen kontrollie­rten, baute seinen Einfluss im Nahen Osten damit aus und sicherte den wichtigen Seehandels­weg nach Indien. Die Abneigung gegenüber den Briten, die Ägypten 1914 zum Protektora­t erklärten, ist mitunter bis heute spürbar.

Die eigentlich­e Party beginnt für Ägypten erst 1956, als der Kanal verstaatli­cht und damit zu einer der wichtigste­n Devisenque­llen des Landes wird. Durch mehrmalige Erweiterun­gen – zuletzt ein zweispurig­er Ausbau auf zusätzlich­en Abschnitte­n – soll der Kanal für Frachter und Containerr­iesen attraktiv bleiben, unter anderem wegen kürzerer Wartezeite­n. Im August verkündete die Kanalbehör­de einen Rekordjahr­esumsatz von 5,9 Milliarden Dollar (5,37 Mrd. Euro), im Februar wurde die höchste Tages-tonnage seit 150 Jahren gemeldet. 18 000 Schiffe durchfuhre­n den Suezkanal vergangene­s Jahr, im Durchschni­tt etwa 50 am Tag. dpa ►

 ?? Foto: AFP ?? Seit 1956 ägyptisch: der Suezkanal, den täglich 50 Ozeanriese­n durchfahre­n.
Foto: AFP Seit 1956 ägyptisch: der Suezkanal, den täglich 50 Ozeanriese­n durchfahre­n.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg