Das Jahrhundertereignis
Vor 150 Jahren wurde der Suezkanal eingeweiht
„Europa ist nun mit Ostindien direct durch den Canal von Suez verbunden und eine Depesche aus Cairo meldet, daß die religiöse Feier und die Einsegnung des Canals in Gegenwart des Vice-königs von Egypten, der französischen Kaiserin, des österreichischen Kaisers und eines Cortegs aus allen Nationen stattgefunden hat; eine ungeheure Menschenmenge, welche durch lebhafte Zurufe ihre Sympathie bewies, war zugegen; verschiedene Reden wurden gehalten. Die Eröffnung des Suez-canals bezeichnet den Anfang einer neuen Periode nicht nur für den Welthandel, sondern auch für die politische Bedeutung derjenigen Länder, welche sich am Welthandel beteiligen.“, vermeldet das „Luxemburger Wort“am 20. November 1869 auf der Titelseite seiner 272. Ausgabe über das Jahrhundertereignis, das drei Tage zuvor in über 3 000 Kilometer Entfernung stattgefunden hatte.
Denn am 17. November blickt die Weltöffentlichkeit gespannt Richtung Ägypten, wo die offizielle Eröffnung des 193,30 Kilometer langen Kanals stattfindet, der das Mittelmeer nunmehr mit dem Rote Meer verbindet.
Hat er dem ägyptischen Vizekönig, seinem Jugendfreund Muhammad Said, bereits 1854 die Idee zu einem derartigen Kanal unterbreitet, so dauern die Vorbereitungen von der ersten, am 30. November 1854 erteilten Konzession bis 1859 bevor der Franzose Ferdinand de Lesseps, der hierfür am 15. Dezember 1858 die internationale Aktionärsgesellschaft „Compagnie universelle du canal maritime de Suez“gegründet hat, überhaupt mit den Arbeiten beginnen kann. Die britische Kolonialmacht beäugt das Projekt skeptisch, versucht es über diplomatische Kanäle zu stoppen und später gar in der Öffentlichkeit zu diskreditieren.
Und es braucht wahrlich Ausdauer und Willenskraft, vom ersten Spatenschicht, am 25. April 1859 an dem Ort der später Port Said werden sollte, bis zur feierlichen Eröffnung, der vom 15. bis zum 17. November 1869 zahlreiche internationale Gäste beiwohnen.
Denn bevor Maschinen zum Einsatz kommen können, müssen ägyptische Arbeiter erst von Hand mit Pickeln malochen und das Ausgehobene mit Binsenkörben wegtransportieren – was der Baustelle gleich doppelt eine regelrecht pharaonische Dimension verleiht. Am Ende ist der Kanal 8 Meter tief, am Boden 22 und an der Wasseroberfläche zwischen 54 bis 100 Meter breit; 74 Millionen Kubikmeter Sand, Erde und Stein sind dafür ausgehoben und 426 Millionen französischer Francs ausgegeben worden.
Ein Symbol des modernen Ägyptens
Am 16. November vor 150 Jahren hebt der apostolische Protonotar Mrg. Bauër in seiner Ansprache an die illustren Gäste zurecht hervor: „Assurément ce qui frappe d'abord, c'est la grandeur physique ou materielle de cette oeuvre, si audacieusement rêvée, si merveilleusement conçue, si persévéramment exécutée et enfin si prodigieusement achevée. Mais derrière le phénomène matériel, le penseur découvre des horizons plus vastes que les espaces mesurables, les horizonts sans bornes où se meuvent les plus hautes destinées, les plus glorieuses conquêtes, les plus immortelles certitudes du genre humain.“
Dass diese bauliche Meisterleistung Jahrzehnte später auch zum Unabhängigkeitssymbol werden wird, ahnt damals niemand: Doch am 26. Juli 1956 macht ihn die Nationalisierung durch Präsident Gamal Abdel Nasser zum Zeichen des modernen Ägyptens.
Nicht von ungefähr ist dann auch die Sammlung an Schreiben, Zeichnungen und Fotografien zum Bau des Kanals seit 1997 Unesco Weltdokumentenerbe. vac ►