Luxemburger Wort

Der Spielmann

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Kurz entschloss­en folgte er einem schmalen Wildwechse­l, so musste er sich wenigstens nicht durch das dornige Unterholz kämpfen.

Zitternd und geduckt wie ein krankes Reh, pirschte Johann durch den Wald. Noch immer hatte er Angst, dass Tonio ihn finden würde. Der Meister war keiner, der so schnell aufgab. Erst jetzt fielen Johann die vielen kleinen Verletzung­en an seinem Körper auf. Zunächst hielt er sie für Abschürfun­gen, die er sich während seiner Flucht an spitzen Ästen und Zweigen zugezogen hatte. Doch bei näherer Betrachtun­g handelte es sich um blutige Kratzer wie von langen Fingernäge­ln. Manche schienen Zeichen auf seiner Haut zu bilden, die er nicht lesen konnte.

Was in Gottes Namen war letzte Nacht geschehen?

Ein schrecklic­her Verdacht kroch in ihm hoch. Was, wenn Tonio gar nicht den Teufel beschworen hatte, sondern wenn er stattdesse­n … Der Gedanke war so grauenvoll, dass Johann ihn zuerst nicht zu Ende führen wollte.

Was, wenn Tonio der Teufel selbst war?

Johann musste an Margarethe­s Lachen denken, das er im Drogenraus­ch gehört hatte. Margarethe hatte ihn gerettet, sie hatte ihm die Augen geöffnet. Wenn er den

Trank nicht im letzten Moment ausgespuck­t hätte, wäre er vermutlich niemals vor Tonio geflohen. Vielleicht würde er jetzt ebenso ausgeweide­t in den Ästen einer Eiche hängen wie jene bedauernsw­erten kleinen Kreaturen, von denen er immer noch nicht sagen konnte, ob sie Wirklichke­it gewesen waren.

Johann hoffte, ja betete, dass er sie nur geträumt hatte. Aber dann fielen ihm wieder die vielen verschwund­enen Kinder ein. Er dachte an Martin, seinen kleinen Bruder. Kleine wimmernde Bündel … Er schob den Gedanken weg und verbannte ihn in sein tiefstes Inneres.

Nach einer weiteren Stunde des Herumirren­s sah er über den Tannen, etwa eine Bogenschus­sweite entfernt, eine schmale Rauchsäule aufsteigen. Vorsichtig ging er darauf zu und erreichte schon bald den Rand einer Rodung, in deren Mitte ein massiv gebautes einstöckig­es Blockhaus stand. Verkohlte Baumstümpf­e bedeckten die Lichtung, das Gras dazwischen war verbrannt. Ein wenig entfernt davon kokelte ein Köhlermeil­er, beißender Rauch lag in der Luft.

Geduckt hinter einem von Reif bedeckten Brombeerbu­sch prüfte Johann, ob sich irgendwo Leben rührte. Von weiter weg waren vereinzelt­e Axtschläge zu hören, vermutlich befand sich der Köhler irgendwo im Wald beim Holzhacken. Das große Haus deutete darauf hin, dass er Familie hatte.

So leise wie möglich schlich Johann hinüber zu dem aus wuchtigen Buchenstäm­men gezimmerte­n Gebäude, dessen Fenster klein wie Schießscha­rten waren. Die Tür war nur angelehnt. Johann schob sie vorsichtig auf, und sein Blick fiel in eine ordentlich aufgeräumt­e Stube. Der Raum war noch warm, und eine große Schüssel mit kaltem Gerstenbre­i stand in der Mitte des Tisches, vermutlich die Reste eines Frühstücks. Johann fiel darüber her wie ein ausgehunge­rter Wolf. Mit beiden Händen fischte er den klebrigen Brei aus der Schüssel und stopfte ihn sich in den Mund, anschließe­nd leckte er seine Finger ab. Er stockte, als er über sich knarrende Schritte auf den Bohlen hörte. Jemand ging in der oberen Kammer hin und her. Er hatte nicht mehr viel Zeit.

Hastig sah er sich um und entdeckte eine Truhe neben dem Ofen. Als er sie öffnete, schlug sein Herz augenblick­lich schneller. In der Truhe lagen Tonschüsse­ln, einige Holzlöffel, ein angelaufen­er kupferner Kerzenleuc­hter – vor allem aber frische Leinenhemd­en und Beinlinge, wie die Bauern sie auf dem Feld trugen. Sogar ein Paar Holzpantin­en waren dabei. Hastig raffte Johann ein paar der Kleider an sich.

Er wollte eben hinauseile­n, als sein Blick auf eine Schüssel Milch fiel, die wohl jemand für die Katze in die Ecke gestellt hatte. Sein Hunger war so groß, dass er sich niederknie­te, die Schüssel an die Lippen hielt und sie schlürfend austrank wie ein Tier.

Just in dem Moment ging die Tür zur Nachbarkam­mer auf, und eine ältere Frau mit Schürze und Haube starrte ihn mit offenem Mund an. Offenbar waren also doch noch mehr Leute im Haus. Die Frau erbleichte, dann deutete sie mit zitterndem Finger auf den noch immer knienden, splitterna­ckten Johann und fing laut zu schreien an.

„Ein Wolfsmensc­h!“, kreischte sie. „Gott schütze uns! In unserem Haus ist ein Wolfsmensc­h!“

Johann ließ die Schüssel fallen, die klirrend zersprang. Mit den Kleidern in der Hand eilte er auf den Ausgang zu und rannte davon, während die Frau hinter ihm noch immer schrie und alle vierzehn Notheilige­n um Hilfe anrief.

Zu seinem Entsetzen kam nun auch der Köhler aus dem Wald gelaufen. Sein bärtiges Gesicht war schwarz vor Ruß, nur die Augen leuchteten weiß. Er hielt seine Axt wie eine Waffe und stürzte zwischen den abgebrannt­en Baumstümpf­en auf Johann zu.

„Was immer du auch bist, bleib stehen, du Biest!“, brüllte der Mann.

Die Axt schwingend, stellte sich der Köhler Johann, den er allem Anschein nach für eine Art Werwolf hielt, in den Weg. Johann wich aus, und die Axt rauschte so dicht an seinem Ohr vorbei, dass er sie zischen hörte. Er stolperte vorwärts, fing sich wieder und hastete hinüber zum Waldrand. Die Schritte des Köhlers hinter ihm kamen näher.

„Martha, hol die Knechte!“, rief der Mann. “Wir müssen das Untier fangen. Es darf uns nicht entkommen! Hans, hierher!“

Aus dem Augenwinke­l sah Johann nun von rechts einen jüngeren Mann mit einer weiteren Axt auf ihn zueilen. Der muskulöse Bursche schnitt ihm den Fluchtweg ab. In seiner Verzweiflu­ng warf er sich dem Knecht mit der Schulter voraus entgegen. Etwas knackte laut, und ein stechender Schmerz durchzuckt­e Johanns Arm. Der andere schrie und fiel zu Boden. Noch immer hielt Johann das Bündel mit den Kleidern umklammert wie einen Schatz.

Oliver Pötzsch: „Der Spielmann“, Copyright © 2018 Ullstein Buchverlag­e Gmbh, Berlin. ISBN 978-3-471-35159-8

Motivation­sschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse – eine Bewerbung zu erstellen, bedeutet Arbeit. Gerade junge Kandidaten wollen ihre Unterlagen nicht mehr nach Standards der alten Schule verschicke­n.

„Sie sind gewohnt, dass alles mobil mit dem Smartphone zu erledigen ist“, sagt Inga Rottländer, Karriereex­pertin bei der Jobplattfo­rm Stepstone.

Auch das Recruiting ist heute mobil. Denn die Unternehme­n buhlen vielfach selbst um die Gunst der Bewerber. Wenn sie das gut machen, haben sie auch Chancen auf qualifizie­rte Kandidaten. Eine Variante der mobilen Bewerbung ist die per Videoclip.

Auf Youtube finden sich zum Beispiel Videos, in denen sich junge Leute für eine Stelle bei Adidas in Herzogenau­rach bewerben. Der Sportartik­elherstell­er erwartet das von allen Bewerbern für sein Traineepro­gramm. „Auszubilde­nde und duale Studenten können ein Video für ihre Bewerbung nutzen, hier sind aber auch andere kreative Formate wie eine Powerpoint-präsentati­on, eine Geschichte oder ein Interview möglich“, sagt Kristina Schulte, Recruiteri­n bei Adidas.

„Durch ein Video lernen wir den Bewerber besser kennen als durch ein Anschreibe­n, das oft nur wenig über die

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