Luxemburger Wort

„Ich habe Respekt vor diesem Job“

Ulrike Folkerts blickt zurück auf ihre Karriere als „Tatort“-kommissari­n und ihr Outing vor 20 Jahren

- Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Seit 30 Jahren ermittelt Ulrike Folkerts als „Tatort“-kommissari­n Lena Odenthal in und um Ludwigshaf­en. Ihren ersten Einsatz in der traditions­reichen Ard-krimireihe hatte die Polizistin mit der stilprägen­den Lederjacke am 29. Oktober 1989. Zum Jubiläum zeigt das Erste morgen den Krimi „Tatort: Die Pfalz von oben“, dessen Story an die Kultfolge „Tod im Häcksler“aus dem Jahr 1991 anknüpft – die Fortsetzun­g ist zugleich Lena Odenthals 70. Fall.

Ulrike Folkerts, seit 30 Jahren ermitteln Sie als „Tatort“- Kommissari­n Lena Odenthal, und schon seit 2009 hängt eine ihrer typischen Lederjacke­n im Museum Deutsche Kinemathek. Ist Lena museumsrei­f?

Das finde ich gar nicht. 30 Jahre sind natürlich der Wahnsinn. Ich hatte zu Beginn ja keine Ahnung, was das für eine große Sache wird, ich habe einfach mal angefangen. Aber mittlerwei­le bin ich irre stolz, dass ich das schon so lange mache. Und ich habe immer noch richtig Bock auf Lena.

Was mögen Sie an ihr?

Ich mag Lena von Grund auf. Sie ist ein Kumpel, sie ist intuitiv, kritisch, sie ist streitbar. Sie ist sportlich, sie kann schießen, sie ist eigen und auch einsam. Das gefällt mir alles. Trotzdem wäre Ulrike nicht gerne Polizistin. Ich habe großen Respekt vor diesem Job, ich finde ihn sehr hart.

Der Jubiläumsf­all knüpft an die Skandal-folge „Tod im Häcksler“an. In der Fortsetzun­g trifft Lena den von Ben Becker gespielten Dorfpolizi­sten wieder und nimmt sogar mit ihm Drogen …

Ehrlich gesagt hatte ich Sorge, dass die Szene dem Schnitt zum Opfer fallen würde. Aber sie ist drin geblieben, und das freut mich, weil sie Lena Odenthal auch mal außerhalb ihrer Arbeit als Kommissari­n zeigt. Es ist großartig, sie mal in einem so privaten Moment zu sehen.

Kommt Lenas Privatlebe­n ansonsten zu kurz?

Das ist immer so eine Sache. Es gibt eben ganz viele Autoren, die haben Bock auf den Mord, das Milieu, die Geschichte drumherum und benutzen die Kommissare nur als funktional­e Figuren. Ich finde es ja auch nicht wichtig, dass man Lena zu Hause beim Katze füttern sieht oder dass sie sich verliebt und mit jemandem Hand in Hand durch Ludwigshaf­en läuft. Das brauche ich alles nicht. Aber ich brauche eine Figur, die ein Leben hat, das mitschwing­t. Wenn man reduziert wird auf Fragen wie: „Wo waren Sie gestern zwischen 20 und 22 Uhr“, ist es sehr schwierig, das zu spielen. Dann weiß ich gar nicht, wo steht denn Lena Odenthal gerade in ihrem Leben? Hat sie ihre Tage, ist sie in der Menopause, ist sie traurig, hat sie noch was vor? Das kann ich mir dann alles aus den Fingern saugen, und das mache ich dann auch.

Wie lange wollen Sie noch als Lena weitermach­en?

Normalerwe­ise geht eine Polizistin glaube ich mit 67 in den Ruhestand. Dann habe ich also noch neun Jahre, und dann können wir ja nochmal reden. (lacht)

Gab es in den 30 Jahren auch schon Momente, in denen Sie keine Lust mehr hatten und aufhören wollten?

So richtig aufhören wollte ich nie. Ich war nur zwischendu­rch mal traurig, weil es uninteress­ante Stoffe waren oder austauschb­are – das hätte auch ein Kommissar aus sonstwo spielen können. Da war ich frustriert. Es ist wichtig, mit Redaktion und Produzente­n im Gespräch zu bleiben: Was macht uns aus, was wollen wir erzählen? Und gemeinsam mit Lisa Bitter als Kommissari­n Johanna Stern haben wir als reines Frauenteam auch richtig Lust, Ludwigshaf­en noch mal wach zu rütteln.

Sind Sie stolz darauf, eine Vorkämpfer­in für starke Frauen in der deutschen Fernsehlan­dschaft gewesen zu sein?

Ich habe mich, was das angeht, nie bewusst in den Vordergrun­d gespielt, aber andere Kolleginne­n sagen mir, dass ich als Vorbild für sie wichtig war. Ich hatte die Chance dazu, weil ich ja nach Karin Anselm und Nicole Heesters die einzige Kommissari­n in dieser Männerland­schaft war, da hinterläss­t man natürlich Spuren.

Werden Sie als Schauspiel­erin manchmal zu sehr mit der Rolle im „Tatort“identifizi­ert?

Ich werde sehr mit dem Charakter und dem Image identifizi­ert, das Lena hat. Aber zuletzt durfte ich einige Male ausbüxen, ich habe mit großer Freude ein Pilcher-drama und einen Katiefford­e-film gedreht. Ich kann Filmteams und Regisseure komplett damit überrasche­n, dass ich noch was anderes draufhabe. Manche Zuschauer sagen mir: „Der Pilcher hat mir nicht gefallen, ich sehe Sie lieber als Kommissari­n“, aber andere sagen: „Es war schön, sie auch mal anders zu sehen.“

Sie haben sich 1999, nach zehn Jahren, als homosexuel­l geoutet. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Das war durch die Yellow Press an die Oberfläche gekommen, weil ich bei einer Veranstalt­ung war, die offensicht­lich homosexuel­l besetzt war. Dann war da eben diese Schlagzeil­e, und ich musste ja irgendwie damit umgehen. Für mich gab es nur die Flucht nach vorne und offen zu sagen: So ist es, und was machen wir jetzt damit?

Und dann?

Die Presse hat sich ja darauf gestürzt als wäre ich ein Mensch mit drei Beinen, wirklich absurd. Aber der SWR hat mir sofort den Rücken gestärkt. Insgesamt ist die Branche leider nicht so tolerant, wie sie immer tut. Sie müssen sich nur mal überlegen, wer sich outet – das tut fast niemand, weil es offensicht­lich nicht gut ist. Produzente­n besetzen nicht unbedingt Schwule und Lesben in Liebesfilm­en. In irgendeine­r Daily Soap wurde neulich eine schwule Hochzeit gedreht, und alle waren ganz aus dem Häuschen, dass die sich das trauen. Das sollte längst selbstvers­tändlich sein.

Ich brauche eine Figur, die ein Leben hat, das mitschwing­t.

Wäre der „Tatort“in der Verantwort­ung, da mehr zu tun?

Das deutsche Fernsehen hat generell noch viel nachzuhole­n. Wir leben in einer Multikulti-gesellscha­ft, es gibt unterschie­dlichste Lebensform­en, all das spielt im TV kaum eine Rolle. Wenn man sich nur mal anschaut, wie wenige Menschen in Filmen einen Migrations­hintergrun­d haben. Und der „Tatort“hätte zumindest die Chance, das bunter zu mischen und die Realität zu zeigen.

Insgesamt ist die Branche leider nicht so tolerant, wie sie immer tut.

 ?? Foto: Swr/jacqueline Krause-burberg ?? Rundes Jubiläum: Ulrike Folkerts – hier bei den Dreharbeit­en mit Kollege Ben Becker – schlüpft schon seit 30 Jahren in die Rolle von Kommissari­n Lena Odenthal.
Foto: Swr/jacqueline Krause-burberg Rundes Jubiläum: Ulrike Folkerts – hier bei den Dreharbeit­en mit Kollege Ben Becker – schlüpft schon seit 30 Jahren in die Rolle von Kommissari­n Lena Odenthal.

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