„Ich will nur, dass er aufhört“
Häusliche Gewalt: Eine betroffene Frau erzählt von ihrer Suche nach Hilfe und Recht
Christina (Name geändert) und ihr Kind haben einen Leidensweg als Opfer häuslicher Gewalt hinter sich. Sie sind ein Beispiel dafür, wie schwierig es auch für Frauen ist, die einen Beruf haben und sich einen Anwalt leisten können, sich gegen einen Täter zu wehren, zumal wenn dieser einen prestigeträchtigen und verantwortungsvollen Beruf hat. Was sie im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“schildert ist nur ein Bruchteil des an Grausamkeiten Erlebten.
Die Details der psychischen und körperlichen Gewalt, der Vergewaltigungen, des tagelang im Keller ohne Licht, Essen und Trinken eingesperrt Seins, der Morddrohungen gegen sie und das Kind sowie der Fotos – auch der offiziellen Polizeifotos, die dennoch zur Verfahrenseinstellung geführt haben – ersparen wir dem Leser. Es geht hauptsächlich um den Umgang der Institutionen mit Frauen und Kindern, die Opfer häuslicher Gewalt sind.
Als Christina das erste Mal zur Polizei ging und ihren Mann wegen häuslicher Gewalt anzeigte, sagte ihr der Polizist: „Madame, Sie wissen schon, dass das juristische Konsequenzen hat, dass das jetzt an die Staatsanwaltschaft geht und Ihr Mann große Probleme bekommt, sogar seinen Job verlieren kann? Ist es das, was Sie wollen?“Man brauche schon viel Mut, um überhaupt zur Polizei zu gehen, sagt Christina, und man schäme sich ja auch, mit fremden Personen über das Erlebte zu sprechen. Dass man geschlagen wird, vergewaltigt wird, eingesperrt wird. Und dann denke man sich: „Oh nein, ich will ja nicht, dass er seinen Job verliert. Ich will nur, dass er aufhört.“So machte sie keine Anzeige und ging wieder heim.
„Dann kann er wieder nach Hause gehen“Als Christina dann das zweite Mal zur Polizei ging, sagte ihr der Polizist: „Ich protokolliere das, dann rufen wir Ihren Mann, damit er auf diese schweren Anschuldigungen antworten kann und danach geht es an den Staatsanwalt, der über ein Verfahren entscheidet.“Als sie fragte, was denn während dem passiere, ob sie beschützt oder ihr Mann in Gewahrsam genommen würde, bekam sie zur Antwort: „Natürlich nicht, wir hören ihn an und dann kann er nach Hause gehen.“Sie wies dann darauf hin: „Ja, aber was meinen Sie, was er mit mir macht, wenn er nach Hause kommt und weiß, dass ich ihn angezeigt habe?“„Wir können ihn aber auch nicht ins Gefängnis stecken, weil Sie sagen, er hätte das und das mit Ihnen gemacht“, war die Antwort. Also zog sie die Anzeige wieder zurück.
Erst Jahre später traf sie auf einen Polizisten, der sie ernst nahm. „Das war, als mein Kind operiert werden musste und mein Mann mir trotz Krankenscheins die Polizei schickte, weil ich das Besuchsrecht verletzt hätte. Dieser Polizist wollte wissen, warum er das tat und nahm sich bei einem
Nachtdienst fünf Stunden Zeit, meine Geschichte von A bis Z anzuhören – dass er immer gedroht hat, er sperre das Konto, nehme mir das Kind weg, bringe mich um, bringe das Kind um, dass er drohte, uns überall hin zu verfolgen, dass wir in Angst leben, dass keiner uns hilft. Er gab alles an die Staatsanwaltschaft weiter, aber leider waren da schon viele Taten verjährt.“
„Da wachte ich auf wie aus einem Traum“Mittlerweile lebt Christina schon acht Jahre von ihrem Mann getrennt. Im Urlaub hatte er das Kind mehrmals hintereinander lange unter Wasser gedrückt aus Wut, weil es mit drei Jahren noch nicht schwimmen konnte. Als sie dazwischen ging, schlug er sie im Hotelzimmer krankenhausreif: gebrochener Arm, Prellungen, Blutergüsse und eine Gehirnerschütterung, weil er ihren Kopf mehrmals auf den Boden schlug. Bewusstlos wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert.
„Erst da wachte ich auf wie aus einem Traum, da dachte ich, er bringt uns um, Du musst fort.“Zurück in Luxemburg nahm Christina das Kind und ihre Handtasche, sagte ihrem Mann, sie würde wie
Sogar wenn Betroffene sich an die Justiz wenden und Recht bekommen, bleiben sie auf den Anwaltskosten sitzen – für viele sind Verfahren nicht erschwinglich. vom Arzt angeordnet zur Kontrolle ins Krankenhaus gehen und das Kind mitnehmen, damit er seine Ruhe habe. Dort erzählte sie dem Arzt alles und zeigte die Tat an, trotz aller Drohungen, sie und das Kind umzubringen, wenn sie den Mund aufmache.
Und dennoch wurde ihr Kind immer gezwungen, zu seinem Vater zu gehen. Schließlich hat er ja ein Recht darauf, das gemeinsame Kind zu sehen. Bis es mit neun Jahren anfing, nach Besuchen oder gemeinsam mit dem Vater verbrachten Urlauben nicht mehr zu reden und das Bett zu nässen. „Ich habe das meinem Anwalt erzählt und der hat mir abgeraten, damit ohne Beweise vor Gericht zu gehen, solange ich nicht geschieden bin, weil mir das als schlechter Wille ausgelegt würde.“
Christina ging dann mit ihrem Kind zu einer Psychologin, wo er nach und nach anfing zu erzählen: dass er eingesperrt wird, dass er seine Notdurft im Zimmer machen muss, wofür er dann geschlagen wird, dass er durchs Fenster ausbüchste, um sich auf der Straße zu erleichtern.
Vater behauptet, die Wunden seien beim Spielen passiert
Die Psychologin teilte Christina daraufhin mit, dass das Gehörte so gravierend sei, dass sie es dem Jugendrichter melden müsste. „Ich wies sie dann noch darauf hin, dass das Kind über Weihnachten zu seinem Vater müsse und was sie meine, was der mit ihm macht, wenn er hört, dass sie Anzeige erstattete“, erzählt Christina. Vergeblich. Ihr Mann wurde also befragt und als der Junge nach Weihnachten wieder nach Hause kam, hatte er den Rücken blutig geschlagen, mit Wunden, die schon verkrustet waren.
Zuerst hat das Kind behauptet, es wäre vom Fahrrad gefallen, weil sein Vater gedroht hatte, seiner Mutter und ihm etwas anzutun, wenn es mit der Wahrheit herausrücke. Schließlich gab es zu, dass es geschlagen worden war. „Ich bin dann zu einem Arzt gegangen, der glücklicherweise auch gleich bestätigte, dass die Verletzungen mindestens zwei Tage alt wären, sodass mein Mann nicht behaupten konnte, ich wäre es gewesen. Und dann ging ich direkt zum Gericht. Mein Mann stritt es erst ab und behauptete dann, es sei beim Spielen und Herumtoben passiert.“
Bis zur Verhandlung Monate später weigerte Christina sich, ihm den Jungen noch einmal zu Besuch zu geben und auch das Kind wollte natürlich nicht mehr zurück zu seinem Vater. Das Gericht zeigte wenig Verständnis dafür. „Ich habe gedacht, dass der Jugendrichter, der mein Kind ja in solchen Situationen schützen soll, meinem Mann sagt, ob er gesehen habe, was er dem Kind angetan habe? Dass er ihm die Fotos zeigt“, erzählt Christina. Es passierte aber ganz das Gegenteil, der Richter habe sie angegangen: „Stimmt das, dass Sie seit dem Januar das Kind nicht herausgeben? Hier ist das Urteil, dass Ihr Mann ein Besuchsrecht hat und Sie haben ihn nicht herausgegeben?“
Der Justiz geht Besuchsrecht vor Kindeswohl
Dass das Kind Angst hat und Christina ihr Kind schützen wollte, interessierte nicht. „Mir wurde mitgeteilt, welche Strafen ich dafür bekommen könnte. Es wäre schließlich Sache des Gerichts, über das Besuchsrecht zu entscheiden“, berichtet Christina. Sie kann nicht verstehen, dass die Justiz vor allem das Recht der Eltern sieht, das Kind zu sehen – auch wenn ein Elternteil dem Kind wehtut. So musste Christina zulassen, dass ihr Mann das Kind weiter treffen konnte – allerdings nur unter Aufsicht im „Treffpunkt“. Besuche, die er ein Jahr lang verweigerte und später wieder abbrach, obwohl ihm in Aussicht gestellt wurde, dass er das Kind wieder zu Hause sehen könne, wenn die Besuche im „Treffpunkt“gut verliefen.
Christina zeigte ihren Mann zwei Jahre nach der Trennung dann nochmals an, als er versucht hatte, sie zu erwürgen, aber loslassen musste, weil das Kind zur Tür hereinkam. Die Polizei kam damals und nahm ihn in Gewahrsam. Es wurde auch eine Wegweisung verhangen – Christina konnte Fingerabdrücke am Hals und Verletzungen an den Armen nachweisen, bekam einen Krankenschein. Dennoch wurde auch dieses Verfahren wieder „sans suite“eingestellt.
Erst als ihr Anwalt in seinem vierten Brief an das Gericht, ohne dass je eine Antwort erfolgte, drohte, mit dem Fall, mit Zeugen und Fotos an die Presse zu gehen, wurde ein Strafverfahren eröffnet. Ganze sechs Jahre später war endlich die Strafverhandlung: Christina bekam Schadenersatz zugesprochen, der einen Bruchteil von dem ausmacht, was ihr Anwalt sie gekostet hat und auch weniger hoch als der Schadenersatz, den die Staatsanwaltschaft erhielt.
Der Staatsanwalt hatte sechs Monate Haft ohne Bewährung gefordert, der Täter bekam ... keine Strafe. Mit der Begründung, dass die Tat schon sechs Jahre her wäre. Auch das kann Christina absolut nicht nachvollziehen. „Ich habe den Fall direkt angezeigt, er wurde direkt weggewiesen – kann ich etwas dafür, dass das Gericht so lange gebraucht hat? Nun zahle ich bei den Anwaltskosten drauf, nur damit mir endlich jemand sagt: Wir glauben Ihnen.“
Die Justiz schützt vor allem das Recht der Eltern, das Kind zu sehen.