Möglicher Wendepunkt
Impeachment-verfahren: Us-präsident Trump steht mit dem Rücken zur Wand – eine Analyse
Einige zogen Parallelen zur Mafia, andere sahen in dem Verhalten Donald Trumps einen Akt der Selbstsabotage. In jedem Fall könnte ausgerechnet ein Tweet dem Us-präsidenten zum Verhängnis werden. Darin greift er die ehemalige Us-botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, an, während diese im Zeugenstand vor dem Kongress über ihre plötzliche Abberufung spricht.
Die hoch angesehene Diplomatin hatte kurz zuvor ausgesagt, sie fühle sich persönlich durch Trump bedroht. Der Präsident hatte sie in einem Telefonat mit dem neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenski als „schlechte Kunde“bezeichnet. Versehen mit dem Hinweis, Yovanovitch widerfahre gerade etwas „Unangenehmes“.
Bedrückendes Bild
Nun führte sich der Präsident vor einem Millionenpublikum der öffentlichen Amtsenthebungsanhörungen wie ein Pate auf. Trump versuchte, Yovanovitch in Echtzeit einzuschüchtern. Ihm setzte offenbar zu, wie die Botschafterin die Schmierenkampagne rekonstruierte, die sein Anwalt Rudy Giuliani gegen sie inszeniert hatte.
Wie ein Puzzle fügten sich die öffentlichen Aussagen des nachgerückten Botschafters in der Ukraine, Bill Taylor, und dem für das Land zuständigen Ministerialdirektor im Außenministerium, George Kent, mit denen Yovanovitchs zu einem bedrückenden Bild zusammen.
Demnach missbrauchte Trump die Macht der Vereinigten Staaten, um sich in Form von Wahlkampfhilfe gegen seinen potenziellen Herausforderer Joe Biden einen persönlichen Vorteil zu verschaffen. Als Mittel der Korruption setzte Trump 400 Millionen Dollar an Militärhilfe ein, deren Freigabe er von Ermittlungen gegen die Demokraten abhängig machte.
Den Versuch der Republikaner, das Drängen des Präsidenten als Beitrag zum Antikorruptionskampf in der Ukraine erscheinen zu lassen, widerlegten die Zeugen gründlich. Bei der kurzfristig angesetzten Befragung des Botschaftsmitarbeiters in Kiew, David Holmes, brach dann die letzte Verteidigungslinie zusammen, wonach die Vorwürfe gegen Trump nur auf Hörensagen beruhen.
Holmes berichtete im Kongress im Detail über ein Telefonat des
Präsidenten mit dem Eu-botschafter Gordon Sondland, dessen unfreiwilliger Zeuge er geworden war. Sondland gehörte zu der Gruppe um Giuliani, die für Trump von Selenski die Wahlkampfmunition gegen die Demokraten abpressen sollte. Er saß mit Holmes und zwei anderen Diplomaten in einem Restaurant in Kiew, als sich der Präsident meldete.
Das war genau einen Tag nach dem Gespräch Trumps mit Selenski vom 25. Juli, bei dem Trump acht Mal Ermittlungen gegen die Bidens verlangt hatte. Laut Holmes erkundigte sich der Präsident nach dem Stand der Dinge. Sondland, der seinen Job selber einer Millionenspende an Trump im Wahlkampf verdankt, versicherte, Selenski sei bereit, alles für ihn zu tun. Oder wie er wörtlich sagte: „Er mag Deinen Arsch“.
Das könnte der Wendepunkt in einem Verfahren gewesen sein, das in der hochpolarisierten Us-gesellschaft bisher wenig Bewegung in den Lagern erwarten ließ. Die Stimmung kippen lassen vor allem die Einschüchterungsversuche Trumps gegen die unbestechliche Botschafterin.
Erledigt hat sich auch die Ausrede, Giuliani und andere hätten auf eigene Faust gehandelt. Stattdessen belegen die Impeachmentanhörungen, was auf der Hand lag: Der Donald ist der „Don“, der wie ein Mafiaboss die Fäden zieht und Selenski wissen ließ, wie schade er es fände, wenn einem so schönen Land wie der Ukraine etwas passierte.