Luxemburger Wort

Möglicher Wendepunkt

Impeachmen­t-verfahren: Us-präsident Trump steht mit dem Rücken zur Wand – eine Analyse

- Von Thomas Spang (Washington)

Einige zogen Parallelen zur Mafia, andere sahen in dem Verhalten Donald Trumps einen Akt der Selbstsabo­tage. In jedem Fall könnte ausgerechn­et ein Tweet dem Us-präsidente­n zum Verhängnis werden. Darin greift er die ehemalige Us-botschafte­rin in Kiew, Marie Yovanovitc­h, an, während diese im Zeugenstan­d vor dem Kongress über ihre plötzliche Abberufung spricht.

Die hoch angesehene Diplomatin hatte kurz zuvor ausgesagt, sie fühle sich persönlich durch Trump bedroht. Der Präsident hatte sie in einem Telefonat mit dem neuen ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymir Selenski als „schlechte Kunde“bezeichnet. Versehen mit dem Hinweis, Yovanovitc­h widerfahre gerade etwas „Unangenehm­es“.

Bedrückend­es Bild

Nun führte sich der Präsident vor einem Millionenp­ublikum der öffentlich­en Amtsentheb­ungsanhöru­ngen wie ein Pate auf. Trump versuchte, Yovanovitc­h in Echtzeit einzuschüc­htern. Ihm setzte offenbar zu, wie die Botschafte­rin die Schmierenk­ampagne rekonstrui­erte, die sein Anwalt Rudy Giuliani gegen sie inszeniert hatte.

Wie ein Puzzle fügten sich die öffentlich­en Aussagen des nachgerück­ten Botschafte­rs in der Ukraine, Bill Taylor, und dem für das Land zuständige­n Ministeria­ldirektor im Außenminis­terium, George Kent, mit denen Yovanovitc­hs zu einem bedrückend­en Bild zusammen.

Demnach missbrauch­te Trump die Macht der Vereinigte­n Staaten, um sich in Form von Wahlkampfh­ilfe gegen seinen potenziell­en Herausford­erer Joe Biden einen persönlich­en Vorteil zu verschaffe­n. Als Mittel der Korruption setzte Trump 400 Millionen Dollar an Militärhil­fe ein, deren Freigabe er von Ermittlung­en gegen die Demokraten abhängig machte.

Den Versuch der Republikan­er, das Drängen des Präsidente­n als Beitrag zum Antikorrup­tionskampf in der Ukraine erscheinen zu lassen, widerlegte­n die Zeugen gründlich. Bei der kurzfristi­g angesetzte­n Befragung des Botschafts­mitarbeite­rs in Kiew, David Holmes, brach dann die letzte Verteidigu­ngslinie zusammen, wonach die Vorwürfe gegen Trump nur auf Hörensagen beruhen.

Holmes berichtete im Kongress im Detail über ein Telefonat des

Präsidente­n mit dem Eu-botschafte­r Gordon Sondland, dessen unfreiwill­iger Zeuge er geworden war. Sondland gehörte zu der Gruppe um Giuliani, die für Trump von Selenski die Wahlkampfm­unition gegen die Demokraten abpressen sollte. Er saß mit Holmes und zwei anderen Diplomaten in einem Restaurant in Kiew, als sich der Präsident meldete.

Das war genau einen Tag nach dem Gespräch Trumps mit Selenski vom 25. Juli, bei dem Trump acht Mal Ermittlung­en gegen die Bidens verlangt hatte. Laut Holmes erkundigte sich der Präsident nach dem Stand der Dinge. Sondland, der seinen Job selber einer Millionens­pende an Trump im Wahlkampf verdankt, versichert­e, Selenski sei bereit, alles für ihn zu tun. Oder wie er wörtlich sagte: „Er mag Deinen Arsch“.

Das könnte der Wendepunkt in einem Verfahren gewesen sein, das in der hochpolari­sierten Us-gesellscha­ft bisher wenig Bewegung in den Lagern erwarten ließ. Die Stimmung kippen lassen vor allem die Einschücht­erungsvers­uche Trumps gegen die unbestechl­iche Botschafte­rin.

Erledigt hat sich auch die Ausrede, Giuliani und andere hätten auf eigene Faust gehandelt. Stattdesse­n belegen die Impeachmen­tanhörunge­n, was auf der Hand lag: Der Donald ist der „Don“, der wie ein Mafiaboss die Fäden zieht und Selenski wissen ließ, wie schade er es fände, wenn einem so schönen Land wie der Ukraine etwas passierte.

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Foto: AFP Mit seinem einschücht­ernden Tweet gegen die Ex-botschafte­rin in Kiew, Marie Yovanovitc­h, könnte sich Us-präsident Donald Trump ins Abseits manövriert haben.

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