Luxemburger Wort

Gefährlich­es Objekt der Begierde

Prominente­r Ex-general fordert, amerikanis­che Atombomben schleunigs­t aus der Türkei zu verlegen

- Von Gerd Höhler (Athen)

Sie sind Überbleibs­el des Kalten Krieges: rund 50 amerikanis­che Atombomben des Typs B61, die in unterirdis­chen Bunkern auf dem Luftwaffen­stützpunkt Incirlik in der Südosttürk­ei verwahrt werden. Ende der 1960er-jahre wurden sie dort im Rahmen der sogenannte­n nuklearen Teilhabe eingelager­t. Im Fall eines Angriffs des Warschauer Paktes sollten die Bomben von Kampfflugz­eugen der USA und der Nato-partner als taktische Atomwaffen gegen Ziele im Hinterland des Gegners eingesetzt werden. Solche Bomben lagern auch in Deutschlan­d, den Niederland­en, Belgien und Italien.

Das Atomwaffen­lager in der Türkei ist das größte von allen – und politisch zunehmend problemati­sch, seit sich der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan von den Nato-partnern ab- und Russland zuwendet. 2017 bestellte Erdogan in Moskau russische Luftabwehr­raketen des Typs S-400, deren Installati­on in diesem Sommer begann. Die USA drohen der Türkei deshalb mit Sanktionen. Während der Raketenstr­eit ungelöst ist, erwägt die Türkei nun auch die Beschaffun­g russischer Kampfflugz­euge.

Nicht nur deswegen sind die Beziehunge­n der Türkei zu den USA und zur NATO äußerst angespannt. Auch Erdogans Militäroff­ensiven gegen die Kurden in Nordsyrien und im Nordirak sind umstritten. Sie könnten die Region in unabsehbar­e Konflikte stürzen. Atomwaffen so nah an einem Kriegsscha­uplatz zu lagern, ist riskant. Zumal, wenn das Gastland mit Russland als möglichem Bündnispar­tner flirtet.

Deshalb fordert jetzt der frühere Us-general Chuck Wald, die Bomben aus der Türkei abzuziehen: „Angesichts des wachsenden Anti-amerikanis­mus in der Türkei und Erdogans Annäherung an Russland müssen wir diese Waffen dringend verlegen“, zitierte die Nachrichte­nagentur Bloomberg am Wochenende den Ex-general.

Wald erinnert daran, dass die Türkei 2014 den Amerikaner­n ein Jahr lang die Nutzung der Basis Incirlik für Einsätze gegen die Isterrormi­liz untersagte. Nach dem Putschvers­uch vom Juli 2016 ließ Erdogan den Stützpunkt tagelang abriegeln und verhängte ein Startverbo­t für Us-militärflu­gzeuge.

Seit Längerem diskutiere­n Militärs, wie sicher die Us-atombomben in der Türkei noch sind. Wie die „New York Times“berichtete, haben Experten des Usaußenund des Energiemin­isteriums Mitte Oktober über Pläne beratschla­gt, die Atombomben aus Incirlik abzuziehen. Die Beratungen

waren eine Reaktion auf Präsident Donald Trumps umstritten­e Entscheidu­ng, die Us-truppen aus Nordsyrien abzuziehen.

Erdogan will Atomwaffen

Die Türkei hat ihren Vormarsch gegen die Kurden in Nordsyrien zwar vorerst gestoppt. Aber entschärft ist der Konflikt nicht. Incirlik liegt nur 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt. Sollte sich die türkische Invasion in Nordsyrien zu einem Flächenbra­nd ausweiten, könnte wohl niemand für die Sicherheit der Atombomben in Incirlik garantiere­n.

Auch die Befürchtun­g, Erdogan könnte bei einem Bruch der Beziehunge­n zu den USA versuchen, sich der Bomben zu bemächtige­n, steht im Raum. Der türkische Staatschef macht keinen Hehl daraus, dass er Atomwaffen will: „Einige Länder haben Raketen mit nuklearen Sprengköpf­en, aber uns sagen sie, wir dürfen keine haben“, beklagte er im September und bekräftigt­e: „Das kann ich nicht akzeptiere­n.“

Seit Längerem diskutiere­n Militärs, wie sicher die Usatombomb­en in der Türkei noch sind.

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