Ein ewig junger Altmeister
Jazzsuperstar Herbie Hancock begeisterte in der ausverkauften Philharmonie
Musik ist ein Jungbrunnen. Den Beweis für die vitalisierende Wirkung seiner Kunst liefert Jazzlegende Herbie Hancock, der mit seinen 79 Jahren sogar der Avantgarde zeigt, wo es langgeht.
In der am Samstagabend bis auf den letzten Platz besetzten Philharmonie präsentierten der Altmeister und seine Band kein stures Hitprogramm, wie man es von einer Legende, die auf eine fast sechs Jahrzehnte anhaltende erfolgreiche Karriere zurückblicken kann, erwarten würde – keine „Best of“also, wohl aber bekannte Motive, auf deren Wiedererkennen das Publikum mit begeistertem Klatschen reagierte. Verfremdet und über lange Strecken mit Improvisationen versehen, wurden Andeutungen von „Chameleon“hörbar, jenem Kopfstück seines berühmten Studioalbums „Head Hunters“, das 1973 Platinstatus erreichte, und das Hancock zu Lebzeiten in den Jazzolymp hob, wo er jetzt mit längst verstorbenen Weggefährten wie etwa Miles Davis thront. Wobei der Vollständigkeit
gesagt werden muss, dass Puristen, die konservativen Jazz der sechziger Jahre bevorzugen, Hancock die mit „Head Hunters“eingeläutete Wende zum Funk nie verziehen haben, während die Anhänger
des Jazzfunk ihm seinen kommerziellen Erfolg ankreiden.
Leichter zu erkennen war die Abwandlung von „Come Running To Me“, ein Stück, mit dem Hancock 1978 seine Hinwendung zu einem sanfteren, von R&b-elementen gefärbten Mainstreamjazz einläutete, obwohl er bei seinen Gesangseinlagen in der Philharmonie auf stimmverändernde elektronische Effekte zurückgriff.
Auch die ersten Takte des unverwüstlichen Standards „Watermelon Man“tauchten auf, ehe sie in einer ultraschnellen, funkigen Improvisation verschwanden.
Als Bandleader, der es nicht nötig hat, sich in Szene zu setzen, überließ Hancock das Geschehen auf der Bühne teilweise ganz den vergleichsweise jungen Mitgliedern seiner hochkarätigen Band, aus deren Mitte besonders die Querflötistin und Sängerin Elena Pinderhughes hervorstach. Eine Klasse für sich bildete der Schlagzeuger Justin Tyson, der für gewöhnlich den Pianisten Robert Glasper bei dessen Symbiose aus Jazz und Hip-hop unterstützt. Der Bassist James Genus und der Gitarrist Lionel Loueke sind langjährige Begleiter, die als fähige Schüler das Werk ihres Lehrmeisters fortsetzen.
Das Publikum danke mit Ovationen im Stehen.