Die Reform ist tot, es lebe die Verfassung
Das Grundgesetz wird nur in einigen Punkten abgeändert – Das Referendum ist vom Tisch
Der Traum von der großen Verfassungsreform ist endgültig ausgeträumt. Der Reformtext, der auf der Vorlage des früheren Csv-abgeordneten Paul-henri Meyers aus dem Jahr 2009 basiert, ist definitiv vom Tisch. Stattdessen will man nun doch an dem Grundgesetz von 1868 festhalten und lediglich punktuelle Änderungen vornehmen. Etwa 30 der wichtigsten Punkte, zu denen es einen Konsens gibt, sollen zurückbehalten werden und in die geltende Verfassung eingeschrieben werden. Damit ist auch das angekündigte Verfassungsreferendum gestorben. Eine größere Informationskampagne zur Reform ist nicht mehr vorgesehen. Zu diesem Schluss kam gestern die Verfassungskommission.
Nachdem die CSV im Juni nach ihrer ursprünglichen Zustimmung überraschend ihr Veto eingelegt hatte, war die Reform ins Stocken geraten und drohte vollständig zu scheitern. Nach mehreren inoffiziellen Gesprächsrunden zwischen den Mehrheitsparteien und der CSV wurde mit der Umsetzung in Etappen nun offensichtlich ein tragfähiger Kompromiss gefunden: „Ich bin der Meinung, dass es sinnvoller ist, die Reform in mehreren Etappen umzusetzen“, so der Vorsitzende der Verfassungskommission, Alex Bodry (LSAP) nach der Sitzung. Weil immer wieder neue Elemente aufgetaucht seien, sei es kaum mehr möglich gewesen, die Gesamtreform noch in dieser Legislaturperiode über die Ziellinie zu bringen, gibt Bodry zu bedenken. Durch die Aufteilung sei es möglich, die großen Ideen des Reformtextes zurückzubehalten und möglichst zeitnah eine „moderne und zeitgemäße Verfassung“zu bekommen. Bodry hegt nämlich die Befürchtung, dass „wir erneut in unsichere Gewässer geraten“, wenn man an der Gesamtnovellierung festhält.
Mehr Freiheiten
Auch die Sprecher der beiden anderen Mehrheitsparteien zeigten sich erleichtert, dass die Blockade doch noch überwunden werden konnte. „Auf den meisten Punkten waren wir uns einig. Deshalb wäre es schade gewesen, wenn wir kurz vor dem Ziel hätten aufgeben müssen“, erklärte der Fraktionsvorsitzende der DP, Eugène Berger. Zudem hat die zurückbehaltene Vorgehensweise seiner Meinung nach den Vorteil, dass man später noch andere Punkte, bei denen es zurzeit noch keine Einigung gibt, in die Verfassung aufzunehmen. Josée Lorsché von Déi
Gréng sieht dies ähnlich: „Durch die schrittweise Umsetzung der Reform erhalten wir mehr Freiheiten, um über Punkte zu diskutieren, die uns sehr am Herzen liegen“.
Auch Léon Gloden (CSV) zeigte sich gestern nach der Ausschusssitzung zufrieden. Indem man die Reform in mehreren Etappen bewerkstellige, könne man den Themen besser Rechnung tragen, die sich zuletzt in den Vordergrund gedrängt hätten, so Gloden. Die CSV hatte den Reformtext im Sommer mit dem Argument abgelehnt, die Bevölkerung würde nicht hinreichend eingebunden und einige Fragen – etwa das Wahlsystem – wären überhaupt nicht berücksichtigt worden.
Gast Gibéryen (ADR) war überrascht von der Kehrtwende und sprach von einem „Kuhhandel“, den DP, LSAP, Grüne und CSV hinter verschlossenen Türen ausgehandelt hätten. Weil das Referendum und die Informationskampagne aufgegeben wurden, bleibe die Bevölkerung vollständig außen vor, so Gibéryen.
Marc Baum von Déi Lénk sieht in dem „Deal eine fundamentale Missachtung des Parlaments“. Die vier Parteien hätten hinter verschlossenen Türen einen Reformtext über Bord geworfen, ohne die Meinung der anderen Parteien einzuholen. „Uns wurde noch nicht einmal mitgeteilt, welche Punkte überhaupt zurückbehalten werden sollen“, kritisierte Baum.