Lame duck
Anfang Oktober kündigte der Lsap-wirtschaftsund Gesundheitsminister Etienne Schneider an, dass er sein Mandat vor Ende der Legislaturperiode niederlegen wird. Das ehrt den Sozialisten, der einst eine Mandatsbeschränkung für Minister auf zehn Jahre in die Verfassung einschreiben wollte, denn „auch in der Privatwirtschaft hat man nach zehn Jahren seine besten Eier gelegt“. Die Wahlberechtigten sahen es beim Referendum 2015 allerdings anders und so besteht eigentlich kein normativer Grund für den Rücktritt. Und schon gar keiner, den Rückzug so frühzeitig anzukündigen. Denn was bleibt, ist Unruhe: In den Ministerien, in den Sektoren, in der Partei, in der Regierung. Es gibt kaum etwas, das in der Politik so viel Nervosität auslöst, wie Posten und Mandate, die sich eröffnen, wie Regierungsumbildungen, die anstehen. Das hätte Schneider wissen müssen. Er hätte auch wissen müssen, dass er sich politisch zur „lame duck“macht.
Das mag im Wirtschaftsressort nicht so schlimm sein, denn dort stehen keine grundsätzlichen Fragen ins Haus. Schneider ist seit Monaten quasi ununterbrochen im Ausland unterwegs – im Ministerium ist das bislang noch nicht störend aufgefallen. Im Gesundheitsressort liegen die Dinge anders. Krankenhausund Ärztevertreter erwarten sich Antworten auf dringende Fragen: Wie kann das Gesundheitssystem auf den bereits spürbaren Ärztemangel vorbereitet werden, wie können die Krankenhäuser entlastet und welche Aktivitäten möglichst auf ambulante Strukturen ausgelagert werden, wie kann die dezentrale Grund- und Notfallversorgung verbessert werden, wie die Prävention, um nur einige zu nennen. Auch bei der Quadripartite sprachen Krankenhausund Ärztevertreter von Unsicherheiten, weil man nicht weiß, wie es weitergehen wird, wie lange Schneider noch da ist, welche Entscheidungen er überhaupt noch treffen wird und wie ernst man sie nehmen muss, wenn man weiß, dass er über kurz oder lang ersetzt wird. Ein Minister und auch noch die treibende Kraft der Regierung im Standbymodus – das tut dem Land nicht gut. Von den ethischen Fragen zu Interessenskonflikten ganz abgesehen, die ein Wirtschaftsminister aufwirft, der auf der Suche nach neuen Horizonten für sich persönlich unterwegs ist.
Schneider gilt als Macher der ersten Dreierkoalition 2013 und als Macher innerhalb der Regierung – der Wähler erkannte es leider nicht an. Dass den Mann, der sich schon als Premier sah, das Abschneiden der LSAP, sein persönlicher Score und das anschließende Zurückstutzen seiner Ressorts frustrierte, dass es ihn an andere Ufer und zu anderen Einkünften zieht, ist verständlich. Für den Gesundheitssektor ist es allerdings sehr bedauerlich. Er war der erste Minister seit langem, der dank seiner schnellen, analytischen Auffassungsgabe Probleme erkannte und ernst nahm, der die richtigen Fragen stellte und von dem man sich schnelle Antworten hätte erwarten können. Das hatte man schon lange nicht mehr in der Gesundheit und der Sozialversicherung. Wenn Schneider sich langfristig richtig hineingekniet hätte, hätte er noch „so manches gute Ei legen“können. Nun endet er als „lame duck“– schade.
Etienne Schneider im Standby-modus tut dem Land nicht gut.
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