Luxemburger Wort

Die Stunde der Wahrheit

Heute stimmt das Europäisch­e Parlament über Ursula von der Leyens Eu-kommission­steam ab

- Von Diego Velazquez (Straßburg)

Für Ursula von der Leyen, die im Juli als künftige Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission gewählt wurde, soll das Warten heute endlich ein Ende haben: Das Europäisch­e Parlament wird gegen Mittag in Straßburg über ihr gesamtes Kommission­steam abstimmen. Gibt es für die vorgeschla­gene Mannschaft eine Mehrheit, kann von der Leyen bereits nächste Woche ihre Arbeit an der Spitze der Brüsseler Behörde beginnen – und Jean-claude Juncker darf in den europapoli­tischen Ruhestand.

Von der Leyen sollte diese letzte Hürde ohne allzu große Probleme schaffen. Die konservati­ve Europäisch­e Volksparte­i (EVP), die Sozialdemo­kraten und die liberale „Renew“-fraktion haben gestern verkündet, dass sie für die neue Kommission stimmen werden. Dazu sollten sich auch einige Stimmen aus der rechtskons­ervativen Ekr-fraktion addieren – in von der Leyens Team stellt die rechtskons­ervative Regierung in Polen den Agrarkommi­ssar. „Ich rechne mit einer klaren Mehrheit“, sagen unisono Martin Schirdewan,

Chef der linken Fraktion, und Manfred Weber, Chef der Evp-fraktion – die sich ansonsten eher selten einig sind.

Für diese These sprechen auch die Modalitäte­n des Votums: Anders als bei der Wahl um die Person von der Leyen im Juli, bei dem es eine knappe Mehrheit von nur neun Stimmen gab, ist die heutige Abstimmung nicht geheim. Das erhöht die Fraktionsd­isziplin, weil persönlich­e Trotzreakt­ionen dadurch nicht verborgen bleiben. Zudem genügt diesmal eine einfache Mehrheit und keine absolute – was Enthaltung­en weniger folgenreic­h macht.

Dennoch wird die Abstimmung spannend sein und einiges über die Dynamik der nächsten fünf Jahre in Brüssel verraten. Ohnehin lässt sich vor der Abstimmung schon sagen, dass die Eu-kommission von Ursula von der Leyen eine schwere Geburt ist. Von der Leyen war – anders bei Jean-claude Juncker – keine Spitzenkan­didatin bei den Eu-wahlen und wurde dem Parlament von den Eu-staatsund Regierungs­chefs erst nach den Wahlen aufgedräng­t. Alleine deswegen gibt es noch einige Ressentime­nts gegen sie in der Volksvertr­etung.

Ursula von der Leyen will bald richtig loslegen.

Zudem kommt, dass es zwischen den großen Fraktionen der Mitte noch keinen wirklichen Pakt gibt, um die Europäisch­e Kommission in Grundsatzf­ragen zu unterstütz­en.

Von der Leyen bekam dies bereits zu spüren, als sie in ihrem Team bereits drei Kommissare auswechsel­n musste, weil sich keine Mehrheit für sie im Parlament finden ließ. Dies führte dazu, dass die neue Eu-kommission nicht wie geplant schon Anfang November startberei­t war.

Komplizier­te Mehrheitsf­indung

Heute wird sich zeigen, ob sich das mittlerwei­le geändert hat. Iratxe García Pérez, die spanische Fraktionsc­hefin der Sozialdemo­kraten sagte gestern, dass die neue Kommission mit der „absoluten“Unterstütz­ung ihrer Fraktion rechnen kann. Die neue Kommission habe viele fortschrit­tliche Programmpu­nkte verinnerli­cht, wie etwa die eine starke Ambition im Klimaschut­z, obschon „nicht alle Kommissare perfekt sind“.

In der Kritik stehen etwa der ungarische Kommissar Oliver Varhelyi, der als Orbán-alliierte, die Erweiterun­gspolitik der EU managen soll oder die kroatische Kommissari­n für „Demokratie und Demografie“Dubravka Šuica, die sehr konservati­ve Ansichten zu Frauenrech­te vertritt. Ob die gesamte Fraktion der Sozialdemo­kraten den Anweisunge­n der Fraktionsc­hefin folgen wird, wird sich heute zeigen. García Pérez wird Führungssc­hwäche nachgesagt. Ähnliches gilt für Dacian Ciolos, der rumänische Boss der „Renew“-fraktion. Das könnte auch in Zukunft ein Problem für von der Leyen und die Mehrheitsv­erhältniss­e im Eu-parlament werden.

Die Grünen haben angekündig­t, dass sie sich bei der Abstimmung enthalten werden. Ihnen geht es darum, „die Kommission nicht zu verhindern, aber abzuwarten, was diese konkret vorschlage­n wird“, so Philippe Lamberts, der Fraktionsc­hef der Grünen. Die linke Fraktion wird indes gegen von der Leyens Team stimmen, da sie die Kommission­spläne im Kampf gegen den Klimawande­l und den Ungleichhe­iten als „sehr unzureiche­nd“sehen. Die Linken schließen aber nicht aus, die Eu-kommission bei einigen Fragen zu unterstütz­en, wie etwa bei der Schaffung eines Eu-mindestloh­ns.

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