Luxemburger Wort

Bauern im Kampfmodus

Mit einer Trecker-sternfahrt nach Berlin wehren sich die Landwirte gegen eine Agrarpolit­ik, die sie für ungerecht halten

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

So hört es sich also an, wenn es den deutschen Bauern reicht. Eben haben sie noch gepfiffen und gebuht, als wollten sie die Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) von der Bühne herunter- und wer weiß wohin jagen. Jetzt aber fangen sie an zu lachen, rau und voller Hohn, und als wäre das nicht genug, drehen sie sich um und wenden der Ministerin den Rücken zu. Dabei spricht Schulze gerade vom Respekt, den die Bauern verdient hätten. Und doch auch bekämen. 114 Euro Eu-agrarförde­rung pro Jahr und Steuerzahl­er: Das, sagt Schulze, sei ja nun wirklich der Beweis. Unüberhörb­ar halten die Bauern das für einen Witz. Einen sehr schlechten.

Die Stimmung zwischen Landwirten und Politik ist mies – und nicht erst seit gestern. Schon Ende Oktober machten die Bauern mobil und legten mit Traktorkon­vois in 17 Städten den Verkehr lahm. Nun rollten sie mit ihren Treckern seit Sonntag aus allen Ecken der Republik Richtung Berlin. Ihr Ziel: das Brandenbur­ger Tor. Ihre Idee: Ihren Protest gegen neue, strengere Umweltund Tierschutz­auflagen ins Zentrum der Politik zu tragen. 5 000 Schlepper und 10 000 Bauern dazu – das war die Zielmarke.

Ziemlich weit vorn steht am Mittag Anja Hantelmann mit ihrem Mann Michael. Sie bewirtscha­ften einen Hof, der aktuell drei Generation­en ernährt, sie sind die mittlere. 400 Hektar, verteilt auf 62 Felder; Weizen, Zuckerrübe­n, Gerste. Und Raps. Aber mit dem wird es schwierig. Die Bundesregi­erung setzt auf Insektensc­hutz; das limitiert den Einsatz von Schädlings­bekämpfern und reduziert den Ertrag.

Die EU fordert das Einhalten ihrer längst geltenden Nitratvero­rdnung, um das Grundwasse­r zu schützen; das begrenzt den Einsatz von Gülle zum Düngen. „Alle zwei Jahre neue Auflagen“, sagt Anja Hantelmann: Das überstehe am Ende kein Hof. Und die Bauern zu Umweltfein­den zu stempeln: Das werde die Landwirtsc­haft ruinieren. „Wir wollen gerecht behandelt werden.“

Später wird Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) beteuern, dass genau das geschehe. Aber auch sie wird Buhrufe und Pfiffe kassieren, nicht zuletzt als sie beteuert: „Wir Christdemo­kraten stehen an der Seite der Landwirtsc­haft.“

Jahrzehnte­lang war das wie ein Gesetz: Die Bauern und die Union gehörten zusammen. Jetzt aber sagt Anja Hantelmann, selbst für die CDU Ortsbürger­meisterin in ihrem Dorf Hemkenrode südöstlich von Braunschwe­ig: „Die FDP ist gerade die einzige Partei, die sich wirklich für die Landwirtsc­haft interessie­rt.“

Keine zwei Armlängen von ihr entfernt steht Manfred Lang, 60 Hektar Ackerbau – Kartoffeln, Zuckerrübe­n,

Getreide; daheim in Haimbuch in der bayerische­n Oberpfalz. Lang spannt ein Transparen­t, auf dem steht: „1 000 Bauern waren immer fleißig, haben immer CSU gewählt – da waren’s nur noch 30“. Über Lang stand im Sommer in der Heimatzeit­ung, er sei „wortgewalt­ig und kampferpro­bt“. Sicher ist, dass Lang sich nicht als Naturzerst­örer hinstellen lassen will; ausgerechn­et er, der junge Kiebitze aufpäppelt und den Ackerstrie­gel verschmäht, jenes Gerät mit den langen Metallzink­en, das Unkraut mechanisch aus dem Boden holt. Umweltschü­tzer preisen es. Aber für die 50 Lerchenpaa­re, die auf seinen Äckern brüten, sagt Lang, wäre der Striegel der sichere Tod. „Ich tät' gern Landwirt bleiben“; auch das sagt Lang, in seinem schönen derben Oberpfälzi­sch. Aber: „Mir han am Ende; es geht nicht mehr.“Eigentlich meint Lang, dass es so nicht mehr geht. Dass das aktuelle Agrarsyste­m am Ende ist. Die Subvention der hochintens­iven Pflanzen- und Tierproduk­tion, die unweigerli­ch auf Kosten des Naturschut­zes geht. Ob die Bauern es wollen – oder nicht. Die meisten wollen es nicht. „Konvention­ell, aber sehr umweltbewu­sst“, nennt Anja Hantelmann ihr Produktion­sprinzip. „Ich bin Naturschüt­zer“, sagt Manfred Lang. Er hat jene, die das bezweifeln, für Januar „an einen eckigen, kantigen Tisch“geladen. Er will reden.

Organisato­ren fordern Dialog

statt „Bauernbash­ing“Das wollen auch die Organisato­ren des Bauernprot­ests, die Bewegung „Land schafft Verbindung“. Die „permanent negative Stimmungsm­ache“, das „Bauernbash­ing“müssten abgelöst werden durch einen konstrukti­ven Dialog. Und die Politik müsse der Gesellscha­ft vorangehen.

Drei Stunden mit ihr und Bundeskanz­lerin Angela Merkel am 2. Dezember: Das ist das Angebot von Ministerin Klöckner. Sie wird dafür nicht bejubelt. Schließlic­h: Das heißt ja noch nichts. Schon gar nicht, dass für Annika und Hannes, die Kinder von Anja und Michael Hantelmann, ihre Treckerfah­rt nach Berlin ein Happy End haben wird. Sie wollen den Hof übernehmen – so wie auch die drei Kinder von Manfred Lang für eine Zukunft als Bauern offen sind. Allerdings, glaubt ihr Vater, müsse sich dafür einiges ändern. Und schnell.

Wir wollen gerecht behandelt werden. Landwirtin Anja Hantelmann

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Landwirtsc­haftsminis­terin Klöckner erntet Buhrufe und Pfiffe

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