An allen Fronten
Regisseurin Teona Strugar Mitevska kämpft nicht nur für ihre Kunst Lux-preis-finalist Nummer Eins
Sie reibt sich auf – Motto: Alles für diesen Film. Die nordmazedonische Regisseurin Teona Strugar Mitevska nutzt jede Möglichkeit, lässt sich einspannen und stellt sich in den Tagen vor der heutigen Vergabe der Filmauszeichnung des Europäischen Parlaments, dem Lux Film Preis, zu Gesprächen um ihre nominierte Leinwandsatire „God Exists, Her Name is Petrunya“. Auf Einladung des luxemburgischen Verbindungsbüros und des Institut Pierre Werner machte sie im Großherzogtum Station und spricht im Interview auch von jenem tragischen Erlebnis, das sie über Jahre von ihrer Heimatstadt Skopje fernhielt.
Erst die Berlinale, dann die weiteren Festivalerfolge, Auszeichnungen wie der Odyssée-menschenrechtspreis des Europarats und aktuell die Nominierung für den Lux Film Preis – „God Exists, Her Name is Petrunya“scheint ein großer Erfolg zu werden ...
Ja, aber es war auch ein harter Weg – und Podien wie die Festivals sind für den Film ungemein wichtig. Ich habe lange zum Beispiel auch nach Finanzierungspartnern in Skandinavien gesucht. Bei der Produktion wollte sich erst niemand beteiligen, und nun waren Schweden, Dänemark und Norwegen die ersten Länder, in denen Vertriebspartner den Film direkt noch bei der Berlinale eingekauft haben.
Allein schon im Vor- und Abspann wird deutlich, wie wichtig jeder kleine Partner war, um den Film zu realisieren – auch weil es in Ihrer Heimat Nordmazedonien kaum Hilfen für den Film gibt ...
Ja, hier ist die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene entscheidend, das europäische Produktionssystem hilft mir; mir, der kleinen Teona Strugar Mitevska, Filme wie „God Exists, Her Name is Petrunya“zu machen. Und es braucht einfach viel Zeit, bis eine Finanzierung steht – in Nordmazedonien gibt es kaum Filmförderung. Aber die, die mich unterstützen, tun es mit großem Engagement. Das gilt auch für die Schauspieler. Und das ist ein tolles Gefühl. Der Lux Film Preis tut seinen Anteil im Vertrieb daran. Allein, dass die drei Finalisten in allen europäischen Ländern zu sehen sind und in den Eu-sprachen untertitelt werden, ist großartig. Zumal, wenn dann wie hier in Luxemburg darüber gesprochen wird. Aber der Lux Film Preis hilft auch dabei, den ein oder anderen Politiker zu „erziehen“. Wer von den Eu-parlamentariern mit abstimmen will, muss sich wohl oder übel einen der Filme ansehen. Und das hilft sicher dem ein oder anderen, sich einmal mit den ganz realen Dingen zu beschäftigen. Ich habe nämlich den Eindruck, dass allzu viele Politiker zu elitär geworden sind. Meine Filme sind stark realitätsbezogen. Auch das reale Vorbild für Petrunya gab es, die Frau, die nach dem Kreuz tauchte – obwohl das nur den Männern vorbehalten ist.
Ich habe Ihren Film im diesjährigen Berlinale-wettbewerb sehen dürfen. Er gräbt sich nach und nach in den Kopf. Gerade auch wegen seines Humors und der emotionalen Verbindung, die man mit Petrunya und ihrer Welt aufbaut – und das alles, ohne gleich den großen gesellschaftspolitischen Dampfhammer auszupacken, aber trotzdem einen Nerv zu treffen ...
Wir haben lange im Team darüber diskutiert, wie Petrunya agieren sollte. Sollte sie von Beginn an eine feministische Vorkämpferin sein? Nein – das war schnell klar. Aber es ging darum, dass man sich mit ihr und ihrer Geschichte identifiziert. So ist Petrunya durchschnittlich, hat keine großen Ambitionen, sie ist 32, arbeitslos, lebt bei ihren Eltern, ihre Mutter kritisiert sie, nicht nach dem üblichen Frauenbild zu leben, und Petrunya ist tief frustriert. Sie befreit sich schließlich auf ihre Art – und es ist wichtig, dass der Zuschauer unter ihre Haut kriecht, dieses Tauchen nach dem Kreuz als Chance auf etwas Erfolg miterlebt – aber auch, wie sie plötzlich dadurch zum Stein des Anstoßes wird, der weit über sie hinaus Wellen schlägt und sie in der Polizeistation landet. Und doch findet sie dort auch genau einen Mann, der wie sie nicht in die herrschenden Klischeebilder passt und ihr in dieser bedrohlichen Situation Hoffnung gibt.
Aber es ist eben nicht nur die Figur und ihre Geschichte, sondern auch die Art Ihrer Filmkunst, die dabei einen entscheidenden Anteil hat. Sie waren selbst Schauspielerin, haben auch eine Grafikdesign-ausbildung – das merkt man. Dazu kommt das Spiel mit dem Licht, der immer düsterer werdenden Szenen. Schon die erste Szene, Petrunya in einem leeren Schwimmbecken ...
(unterbricht) Jeder Frame ist für mich entscheidend, ich male quasi auf die Leinwand. Und ich weiß, dass das auch einen emotionalen Effekt hat – deswegen überlege ich sehr genau, wie ich mit allen Mitteln des Kinos arbeite und das Beste für den Inhalt erreichen kann. Und ja, Sie haben recht. Ich habe lange nach einer Location für die Polizeistation zum Beispiel gesucht, die die düstere, verschlossene Aura von Dantes Inferno entwickelt. Natürlich ist auch in allen anderen Szenen immer der Kontext wich
„God Exists, Her Name is Petrunya“von Teona Strugar Mitevska, Nordmazedonien, Belgien, Slowenien, Frankreich, Kroatien
Petrunya, 32 Jahre alt und arbeitslos, lebt mit ihren Eltern in Stip, Nordmazedonien. Auf dem Rückweg von einem erfolglosen Vorstellungsgespräch gerät sie in ein religiöses Fest, bei dem junge Männer aus dem ganzen Land darum wetteifern, als erster ein von einem Priester in einen Fluss geworfenes Kreuz zu bergen. Die Belohnung ist ein Jahr voller Glück und Wohlstand. Petrunya taucht spontan ins Wasser und greift zuerst das Kreuz. Ihr unbestreitbarer Erfolg führt jedoch in ihrer Gemeinschaft zu Verwirrung, da der Wettbewerb nur Männern offensteht: Wie werden die Kirche und die Gesellschaft diesen Konflikt lösen?
Menschen – überhaupt zuzulassen. Und wieder musste ich die Fragen stellen: Was sagt das über die Gesellschaft in Nordmazedonien aus? Hat sich nichts verändert? Warum lasse ich mich von einem Mann so mundtot machen? Haben Frauen wie ich eine Stimme? Ich habe mir geschworen, diese Gesellschaft von physischer und politischer Macht nicht mehr zuzulassen und meinen Weg zu gehen. Heute fühle ich mich stark genug, immer wieder für die Meinungsfreiheit in meiner Heimat und den Bruch mit den Mächtigen zu kämpfen – und kehre deswegen immer wieder von Brüssel nach Nordmazedonien zurück.
Als sich Hauptfigur Petrunya in die Fluten stürzt, um nach einem Kreuz zu tauchen – was eigentlich nur den Männern vorbehalten ist – wird sie angegriffen und zum Spielball verschiedenster Interessen: Ist sie eine Feministin, gar eine „Teufelin“, die die Traditionen verrät? Eigentlich war sie doch nur auf der Suche nach ein bisschen Glück.