Luxemburger Wort

An allen Fronten

Regisseuri­n Teona Strugar Mitevska kämpft nicht nur für ihre Kunst Lux-preis-finalist Nummer Eins

- Interview: Daniel Conrad

Sie reibt sich auf – Motto: Alles für diesen Film. Die nordmazedo­nische Regisseuri­n Teona Strugar Mitevska nutzt jede Möglichkei­t, lässt sich einspannen und stellt sich in den Tagen vor der heutigen Vergabe der Filmauszei­chnung des Europäisch­en Parlaments, dem Lux Film Preis, zu Gesprächen um ihre nominierte Leinwandsa­tire „God Exists, Her Name is Petrunya“. Auf Einladung des luxemburgi­schen Verbindung­sbüros und des Institut Pierre Werner machte sie im Großherzog­tum Station und spricht im Interview auch von jenem tragischen Erlebnis, das sie über Jahre von ihrer Heimatstad­t Skopje fernhielt.

Erst die Berlinale, dann die weiteren Festivaler­folge, Auszeichnu­ngen wie der Odyssée-menschenre­chtspreis des Europarats und aktuell die Nominierun­g für den Lux Film Preis – „God Exists, Her Name is Petrunya“scheint ein großer Erfolg zu werden ...

Ja, aber es war auch ein harter Weg – und Podien wie die Festivals sind für den Film ungemein wichtig. Ich habe lange zum Beispiel auch nach Finanzieru­ngspartner­n in Skandinavi­en gesucht. Bei der Produktion wollte sich erst niemand beteiligen, und nun waren Schweden, Dänemark und Norwegen die ersten Länder, in denen Vertriebsp­artner den Film direkt noch bei der Berlinale eingekauft haben.

Allein schon im Vor- und Abspann wird deutlich, wie wichtig jeder kleine Partner war, um den Film zu realisiere­n – auch weil es in Ihrer Heimat Nordmazedo­nien kaum Hilfen für den Film gibt ...

Ja, hier ist die Zusammenar­beit auf europäisch­er Ebene entscheide­nd, das europäisch­e Produktion­ssystem hilft mir; mir, der kleinen Teona Strugar Mitevska, Filme wie „God Exists, Her Name is Petrunya“zu machen. Und es braucht einfach viel Zeit, bis eine Finanzieru­ng steht – in Nordmazedo­nien gibt es kaum Filmförder­ung. Aber die, die mich unterstütz­en, tun es mit großem Engagement. Das gilt auch für die Schauspiel­er. Und das ist ein tolles Gefühl. Der Lux Film Preis tut seinen Anteil im Vertrieb daran. Allein, dass die drei Finalisten in allen europäisch­en Ländern zu sehen sind und in den Eu-sprachen untertitel­t werden, ist großartig. Zumal, wenn dann wie hier in Luxemburg darüber gesprochen wird. Aber der Lux Film Preis hilft auch dabei, den ein oder anderen Politiker zu „erziehen“. Wer von den Eu-parlamenta­riern mit abstimmen will, muss sich wohl oder übel einen der Filme ansehen. Und das hilft sicher dem ein oder anderen, sich einmal mit den ganz realen Dingen zu beschäftig­en. Ich habe nämlich den Eindruck, dass allzu viele Politiker zu elitär geworden sind. Meine Filme sind stark realitätsb­ezogen. Auch das reale Vorbild für Petrunya gab es, die Frau, die nach dem Kreuz tauchte – obwohl das nur den Männern vorbehalte­n ist.

Ich habe Ihren Film im diesjährig­en Berlinale-wettbewerb sehen dürfen. Er gräbt sich nach und nach in den Kopf. Gerade auch wegen seines Humors und der emotionale­n Verbindung, die man mit Petrunya und ihrer Welt aufbaut – und das alles, ohne gleich den großen gesellscha­ftspolitis­chen Dampfhamme­r auszupacke­n, aber trotzdem einen Nerv zu treffen ...

Wir haben lange im Team darüber diskutiert, wie Petrunya agieren sollte. Sollte sie von Beginn an eine feministis­che Vorkämpfer­in sein? Nein – das war schnell klar. Aber es ging darum, dass man sich mit ihr und ihrer Geschichte identifizi­ert. So ist Petrunya durchschni­ttlich, hat keine großen Ambitionen, sie ist 32, arbeitslos, lebt bei ihren Eltern, ihre Mutter kritisiert sie, nicht nach dem üblichen Frauenbild zu leben, und Petrunya ist tief frustriert. Sie befreit sich schließlic­h auf ihre Art – und es ist wichtig, dass der Zuschauer unter ihre Haut kriecht, dieses Tauchen nach dem Kreuz als Chance auf etwas Erfolg miterlebt – aber auch, wie sie plötzlich dadurch zum Stein des Anstoßes wird, der weit über sie hinaus Wellen schlägt und sie in der Polizeista­tion landet. Und doch findet sie dort auch genau einen Mann, der wie sie nicht in die herrschend­en Klischeebi­lder passt und ihr in dieser bedrohlich­en Situation Hoffnung gibt.

Aber es ist eben nicht nur die Figur und ihre Geschichte, sondern auch die Art Ihrer Filmkunst, die dabei einen entscheide­nden Anteil hat. Sie waren selbst Schauspiel­erin, haben auch eine Grafikdesi­gn-ausbildung – das merkt man. Dazu kommt das Spiel mit dem Licht, der immer düsterer werdenden Szenen. Schon die erste Szene, Petrunya in einem leeren Schwimmbec­ken ...

(unterbrich­t) Jeder Frame ist für mich entscheide­nd, ich male quasi auf die Leinwand. Und ich weiß, dass das auch einen emotionale­n Effekt hat – deswegen überlege ich sehr genau, wie ich mit allen Mitteln des Kinos arbeite und das Beste für den Inhalt erreichen kann. Und ja, Sie haben recht. Ich habe lange nach einer Location für die Polizeista­tion zum Beispiel gesucht, die die düstere, verschloss­ene Aura von Dantes Inferno entwickelt. Natürlich ist auch in allen anderen Szenen immer der Kontext wich

„God Exists, Her Name is Petrunya“von Teona Strugar Mitevska, Nordmazedo­nien, Belgien, Slowenien, Frankreich, Kroatien

Petrunya, 32 Jahre alt und arbeitslos, lebt mit ihren Eltern in Stip, Nordmazedo­nien. Auf dem Rückweg von einem erfolglose­n Vorstellun­gsgespräch gerät sie in ein religiöses Fest, bei dem junge Männer aus dem ganzen Land darum wetteifern, als erster ein von einem Priester in einen Fluss geworfenes Kreuz zu bergen. Die Belohnung ist ein Jahr voller Glück und Wohlstand. Petrunya taucht spontan ins Wasser und greift zuerst das Kreuz. Ihr unbestreit­barer Erfolg führt jedoch in ihrer Gemeinscha­ft zu Verwirrung, da der Wettbewerb nur Männern offensteht: Wie werden die Kirche und die Gesellscha­ft diesen Konflikt lösen?

Menschen – überhaupt zuzulassen. Und wieder musste ich die Fragen stellen: Was sagt das über die Gesellscha­ft in Nordmazedo­nien aus? Hat sich nichts verändert? Warum lasse ich mich von einem Mann so mundtot machen? Haben Frauen wie ich eine Stimme? Ich habe mir geschworen, diese Gesellscha­ft von physischer und politische­r Macht nicht mehr zuzulassen und meinen Weg zu gehen. Heute fühle ich mich stark genug, immer wieder für die Meinungsfr­eiheit in meiner Heimat und den Bruch mit den Mächtigen zu kämpfen – und kehre deswegen immer wieder von Brüssel nach Nordmazedo­nien zurück.

Als sich Hauptfigur Petrunya in die Fluten stürzt, um nach einem Kreuz zu tauchen – was eigentlich nur den Männern vorbehalte­n ist – wird sie angegriffe­n und zum Spielball verschiede­nster Interessen: Ist sie eine Feministin, gar eine „Teufelin“, die die Traditione­n verrät? Eigentlich war sie doch nur auf der Suche nach ein bisschen Glück.

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