Luxemburger Wort

Revolution in der Landwirtsc­haft

Digitale Technik soll Arbeitserl­eichterung für Landwirte und mehr Umweltschu­tz bringen

- Von Christian Schulz

Bad Kreuznach. Gps-gesteuerte Maschinen, Drohnen im Steillagen-weinbau, Sensoren für exaktes Düngen oder Wässern – die Digitalisi­erung macht vor der Landwirtsc­haft insbesonde­re in Rheinland-pfalz nicht Halt. Vielmehr ist sie gerade hier auf dem Vormarsch. Smart Farming, Landwirtsc­haft mit moderner Informatio­nsund Kommunikat­ionstechno­logie, soll Ernteausfä­lle verringern, Ressourcen und die Umwelt schonen, Pflanzensc­hutzmittel sparen. Bei allen Vorteilen verändert sie das Berufsbild des Landwirts stark, birgt auch Risiken und stößt bisweilen an ganz praktische Grenzen.

„Ich sehe in der Digitalisi­erung der Landwirtsc­haft große Chancen sowohl für den Arbeitsall­tag der Landwirte als auch für die umweltund klimaschon­ende Bewirtscha­ftung der Äcker“, sagt der rheinland-pfälzische Landwirtsc­haftsminis­ter Volker Wissing (FDP).

„Digital Farming“

Digitale Steuerung und digitales Datenmanag­ement sind zentrale Begriffe des Smart oder auch Digital Farming. Genau dazu wird an der Technische­n Universitä­t (TU) Kaiserslau­tern nun eine neue Professur eingericht­et – in Kooperatio­n mit dem ebenfalls in der Stadt sitzenden Fraunhofer Institut für Experiment­elles Software Engineerin­g. Am Dienstleis­tungszentr­um Ländlicher Raum (DLR) in Bad Kreuznach wurde die Geobox-infrastruk­tur entwickelt. In ihr laufen behördlich­e Daten zu Boden, Wetter, Erosion, Schädlinge­n, Feldumriss­en oder topographi­schen Gegebenhei­ten zusammen und werden Landwirten bereitgest­ellt – nach dem Open-source-prinzip, also grundsätzl­ich kostenlos.

Die Bauern können die Daten schlagbezo­gen – also auf einzelne Teilfläche­n bezogen – nutzen und bald auch in einen vom DLR entwickelt­en Messenger einbinden. Die deutsche Agrarminis­terkonfere­nz beschloss kürzlich in Mainz, dass das Angebot für die bundesweit­e Nutzung erweitert werden soll. Dlr-dienststel­lenleiter Michael Lipps sagt: „Wir sind weg gekommen vom analogen Berater auf dem Feld hin zum Datendiens­tleister“.

Warnungen vor Hagelschla­g oder Pilzinfekt­ionen würden in Zeiten des sich wandelnden Klimas immer wichtiger, sagt Herwig Köhler, der beim DLR Abteilungs­leiter der Technische­n Zentralste­lle ist. „Früher galt die Faustregel, dass es alle sieben Jahre einen Hagelschla­g gibt. Heute haben sie das jedes Jahr.“Lipps ergänzt, Geodaten ermöglicht­en präzises Steuern von Landmaschi­nen, um Felder bestmöglic­h ausnutzen und Abstandsvo­rgaben etwa an Gewässern einzuhalte­n. „Früher fuhr der Landwirt „Pi mal Daumen“, heute Gps-gesteuert“, sagt Lipps.

Gerade im Gemüsebau komme es stark auf exaktes Fahren und das

Ausnutzen der Flächen an, sagt Wolfgang Schneider, der beim DLR Experte für Digitalisi­erung ist. In Sonderkult­uren wie dem Obstoder Weinbau sind laut DLR eher Sensoren zur lokalen Steuerung der Geräte oder zur Ausrichtun­g der Breite wichtig. Sensoren erkennen Pflanzen und öffnen über ihnen Düsen zum Besprühen mit Pflanzensc­hutzmittel­n, erkennen die Blütendich­te an Obstbäumen und steuern deren Ausdünnung.

Auch der Traktor von Landwirt Christian Glahn aus Zweibrücke­n wird satelliten­gestützt gesteuert, beim Sprühen von Pflanzensc­hutzmittel­n, der Bodenbearb­eitung oder dem Aussäen. Er spare so etwa ein Prozent an Saatgut, erklärt Glahn. Bei einem 100-Hektarbetr­ieb sei das durchaus etwas. „Davon kann man in Urlaub fahren.“Auch könne er dank Technik gerade Reihen fahren, das reduziere den Verschleiß, spare Zeit und Diesel – „eine Win-win-situation für Umwelt und Geldbeutel“.

Glahns System lenkt die Maschine bis auf etwa 20 Zentimeter genau über den Acker, wie er erklärt. Es gehe noch genauer mit einer Sim-karte im Traktor, via Mobilfunk sorge ein Korrekturs­ignal dafür, dass bis auf etwa zwei Zentimeter genau gefahren werde.

Lipps vom DLR geht einen Schritt weiter: „Wo ich digitale Landwirtsc­haft will, brauche ich 5G. Das wird eine Herausford­erung.“Überhaupt ein Netz würde Landwirt Markus Bamberger mit seinen Flächen nahe Steinhardt im Kreis Bad Kreuznach helfen. „Was nutzt die ganze Technik, wenn sie nicht funktionie­rt“, sagt er. Während er auf der Höhe Empfang habe, gehe in tieferen Lagen nichts mehr. Es gebe ein Funkloch zwischen Waldböckel­heim und Bad Sobernheim. „Da bin ich.“

Zudem kostet die neue Technik ganz ordentlich. „Das kann Betrieben das Genick brechen“, sagt Lipps. Sinnvoll sei der gemeinsame, überbetrie­bliche Einsatz von Maschinen. Das sei an sich eine gute Sache, meint Bauer Elmar Kremer aus Buch im Hunsrück.

Nach Einschätzu­ng Köhlers vom DLR lohnt sich smarte Technik vor allem auf großen Flächen und kann die Industrial­isierung der Landwirtsc­haft vorantreib­en. Landwirte müssten darauf achten, nicht alle Daten und Erfahrungs­werte kostenlos in Clouds preiszugeb­en und so großen Investoren zugänglich zu machen. „Das ist das Kapital der Landwirte“, sagt Köhler. „Doch das erkennen viele nicht.“

 ?? Foto: dpa ?? Eine Drohne fliegt vor einem Traktor über ein Getreidefe­ld. Das sogenannte Smart Farming ist in immer mehr Betrieben im Kommen.
Foto: dpa Eine Drohne fliegt vor einem Traktor über ein Getreidefe­ld. Das sogenannte Smart Farming ist in immer mehr Betrieben im Kommen.

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