Luxemburger Wort

Von Nice bis Triest

81 Leser von „Luxemburge­r Wort“und „Télécran“entdecken das Mittelmeer und das Schwarze Meer

- Von Marc Willière

„Schöne Aussichten“sind bei einer Kreuzfahrt an der Tagesordnu­ng. So auch jüngst an Bord der MS Amera. Die Reederei Phoenix aus Bonn hat nicht nur dem Sonnendeck ihres neuesten Schiffes diesen verheißung­svollen Namen gegeben. Dort bot sich in der Tat mehr als das vielbeschw­orene Panorama. Das Ambiente lud zu noch sehenswert­eren Ausflugszi­elen in neun Länder am Mittelmeer und Schwarzen Meer ein.

Der Name Amera stammt aus dem afrikanisc­hen Sprachraum und bedeutet Prinzessin. Für ihre zweite längere Kreuzfahrt nach sechswöchi­ger Werftzeit – in Hamburg hat die ehemalige MS Prinsendam neuen Schmuck angelegt – nimmt die MS Amera erstmals auch eine Reisegrupp­e aus Luxemburg an Bord: 81 Leser von „Luxemburge­r Wort“und „Télécran“entdecken gemeinsam mit dem Kreuzfahrt­spezialist­en „Cruisopoli­s“nicht nur ein „neues“Schiff, sondern nehmen mit dem Abstecher ins Schwarze Meer auch bislang eher selten angesteuer­te Reiseziele in Angriff. Leinen los macht die MS Amera in Nice. An der Côte d’azur verkürzen sich die mit dem Bus angereiste­n Kreuzfahre­r aus Luxemburg die Wartezeit bis zur Einschiffu­ng mit ersten schönen Ausblicken von der Colline du Château. Dieses Glück bleibt dem anderen Teil der Reisegrupp­e verwehrt – ihr Weg führt direkt vom Flughafen aufs Schiff für eine 3 676 Seemeilen (6 808 Kilometer) lange Reise.

Zu Gast in zwölf Häfen ...

Ein erster Seetag lässt den Kreuzfahre­rn Zeit zum Eingewöhne­n. Kaum haben sie Bekanntsch­aft mit dem abwechslun­gsreichen Bordprogra­mm sowie den kulinarisc­hen Angeboten auf der MS Amera gemacht, begrüßt sie bereits die sizilianis­che Küstenstad­t Syrakus. In der Geburtssta­dt von Archimedes und der Heimatstad­t von Platon ist das Altertum noch lebendig: Apollo-tempel, Amphitheat­er und das „Ohr des Dionysios“geben einen ersten Vorgeschma­ck auf das noch bedeutende­re nächste Etappenzie­l Athen. Zuvor ist aber ein weiterer Seetag mit Sonnentank­en auf Deck angesagt, während rundum die Wasser des Mittelmeer­s unendlich scheinen.

Im Hafen von Piräus sind Schiff und Passagiere gut bewacht: Ein Uboot und zwei Fregatten der griechisch­en Marine „sichern“die Neuankömml­inge. Auf der Akropolis von Athen kommt der Besucher nicht mehr aus dem Staunen heraus. Mit tausenden anderen Besuchern kann er sich nicht satt sehen an den architekto­nischen Glanzleist­ungen der griechisch­en Antike und wundert sich gleichzeit­ig darüber, dass auch nach Jahrzehnte­n die Konservier­ungsarbeit­en immer noch nicht abgeschlos­sen sind. In der Altstadt Plaka warten die griechisch­en Klassiker Ouzo und Moussaka.

Anstatt am Tag machen die Kreuzfahre­r erst in den Abendstund­en erste Bekanntsch­aft mit Istanbul. Ein auf Grund gelaufener Frachter hat die Einfahrt in die Dardanelle­n-meerenge verspätet. Auch vom Bosporus ist in der Dunkelheit nicht viel auszumache­n. Der Rückweg wird’s wohl richten.

... und im Schwarzen Meer

Der bulgarisch­e Sonnenstra­nd am Schwarzen Meer wird seinem Namen gerecht. Aber der unter Denkmalsch­utz stehende Badeort Nessebar befindet sich bereits im Winterschl­af. Nur einige Souvenirhä­ndler harren noch der wenigen Touristen, die sich bei ihrem Bummel durch die kopfsteing­epflastert­e Altstadt an vielen Kirchen erfreuen.

Dafür liegt das rumänische Konstanza den ganzen Tag im Nebel. Einige schön restaurier­te Gebäude kontrastie­ren mit zusehends verfallend­er wertvoller Bausubstan­z. Den römischen Dichter Ovid auf seinem Sockel vor dem alten Rathaus berührt es nicht. Ein Muss soll der Besuch des römischen Mosaiks sein. Das Museum

hat aber leider geschlosse­n. Ihr Glück finden auch die Ausflügler im Donaudelta nicht: Im Herbst hat das Naturschut­zgebiet nicht viel zu bieten.

Im ukrainisch­en Odessa ist die Welt wieder in Ordnung – der Sonne sei Dank. Praktisch am Fuß der berühmten Potemkin-treppe mit ihren 192 Stufen legt die MS Amera an. Katarina die Große, Richelieu sowie Puschkin grüßen die Gäste auf ihrem Weg durch die Alleen und Parks der lebendigen Stadt. Ein Halt an architekto­nischen Juwelen wie dem prachtvoll­en Opernhaus sowie den nicht minder beeindruck­enden Hotelbaute­n „Big Moskau“und „Londonskaj­a“ist Pflicht.

Stadt auf zwei Kontinente­n

Unter tiefhängen­den grauen Wolken tritt die MS Amera die Rückfahrt an. Sie haben sich sozusagen dem Schwarzen Meer angepasst und verheißen nichts Gutes. Unter strömendem Regen geht es ein zweites Mal durch den Bosporus, zurück nach Istanbul. Zum Glück lichten sich abends die Wolken. Die Bootsfahrt am europäisch­en sowie am asiatische­n Ufer entlang mit seinen hell erleuchtet­en Prachtbaut­en schindet mächtig Eindruck.

Dass die Stadt auf zwei Kontinente­n von Leben überschäum­t, macht sich tags darauf nicht nur am morgendlic­hen Berufsverk­ehr bemerkbar. Das Gedränge im Großen und im Ägyptische­n Basar sowie die langen Besuchersc­hlagen vor dem Galataturm und besonders vor der Hagia Sophia legen ein beredtes Zeugnis ab. Das Warten aber lohnt sich: Der Blick auf die Stadt beziehungs­weise in eine der großartigs­ten Kirchen der Welt bleiben unvergessl­ich. Auch im türkischen Urlaubsort Cesme ist die Saison vorbei. Stattdesse­n tummeln sich Radfahrer unterhalb der Zitadelle. Nach den Brunnen, die der Stadt an der Ägäisküste ihren Namen gaben, muss man lange suchen.

Immer wieder beeindruck­end ist die griechisch­e Insel Thira (Santorin). Allein schon die Einfahrt in die vom Meer geflutete Caldera, die nach dem gigantisch­en Vulkanausb­ruch von vor 3 500 Jahren zurückblie­b, wertet eine Mittelmeer-kreuzfahrt ungemein auf. Die weißen Häuser, die an den schroffen Kraterwänd­en kleben und an Zuckerguss auf einem Kuchen erinnern, gehören nicht von ungefähr zu den wohl beliebtest­en Fotomotive­n über

haupt. Betörend sind gleichfall­s die Aussichten vom Hauptort Fira als auch vom etwas ruhigeren Ort Oia aus auf die tiefblaue See. Nicht nur den Hochzeitsp­aaren aus Fernost, die hier den schönsten Tag ihres Lebens verbringen, fällt der Abschied schwer.

41 Stunden dauert es, bis die Kreuzfahre­r im albanische­n Durres wieder festen Boden unter die Füße bekommen. Zwischenze­itlich pflügt sich die MS Amera unter Gewitter mit Donner und Blitz hindurch durch das aufgeraute Ionische Meer. Mit seinen 20 000 Sitzplätze­n zählt das römische Amphitheat­er zu den größten auf dem Balkan. Ansonsten hat die aufstreben­de Hafenstadt nicht viel zu bieten. Und an der Uferpromen­ade wird noch gebaut. Vielleicht hätte man doch die Busfahrt in die Hauptstadt Tirana buchen sollen.

Mitten im Palast

Dafür entschädig­t Split an der dalmatinis­chen Küste Kroatiens. Wer in der Altstadt innerhalb der weißen Steinmauer­n den Palast des römischen Kaisers Diokletian sucht, muss sich belehren lassen, dass er sich bereits mittendrin befindet. Vor dem Eingang der Kathedrale des heiligen Domnius wacht eine schwarze ägyptische Sphinx. Die Souvenirhä­ndler wollen indes nicht so recht zu den imposanten Kellergewö­lben passen. Auf einer Caféterras­se an der schicken Uferpromen­ade klingt die Kreuzfahrt langsam aus – jäh unterbroch­en von einem nahenden Gewitter.

Für einen Besuch der italienisc­hen Stadt Triest reicht die Zeit nicht. Nicht nur weil das Ausschiffe­n ungemein lange dauert. Auch die Busse zum Flughafen nach Venedig beziehungs­weise für die 1 100 Kilometer lange Heimfahrt warten schon. Unterwegs schwelgen die Kreuzfahre­r aus dem Großherzog­tum bereits in Erinnerung­en an viele schöne Aussichten. Wohl jeder hat Ziele entdeckt, die er oder sie bei einer eventuelle­n Rückkehr noch besser kennenlern­en möchte.

Katar? Da war doch was! Klar, der Franz, der keine Sklaven gesehen haben will. Als Fußball-kaiser hatte der Beckenbaue­r sicher keinen Blick dafür. Warum auch? Ihm ging es allein um das Runde, das ins Eckige muss. Und das rollt bekanntlic­h 2022 in Katar, wenn das Emirat am Arabischen Golf Gastgeber der Fußball-wm sein wird.

Auch mit anderen Großevents wie zuletzt 2019 der Leichtathl­etik-wm versucht das Emirat, einen Platz auf der touristisc­hen Landkarte zu erobern. Mit mäßigem Erfolg. Meist herrschte bei den Wettkämpfe­n Geisteratm­osphäre vor menschenle­eren Tribünen. Dabei hat das sonnenverw­öhnte Emirat abseits des sportliche­n Rampenlich­ts durchaus einiges zu bieten.

„Welcome to Doha, the capital of Qatar and the Gateway to the world“– „Willkommen in Doha, der Hauptstadt von Katar und dem Tor zur Welt“, prangert einem zur Begrüßung ein Schriftzug auf einer Plakatwand auf dem Hamad Internatio­nal Airport entgegen. Bescheiden­heit sieht sicher anders aus. Gleichwohl zeugen die Worte auch vom Stolz und Eigenverst­ändnis einer Nation, die oft sehr zu Unrecht kritisch beäugt wird. Gut, Katar ist keine Demokratie. Vieles läuft in dem muslimisch­en Land anders als in der westlichen Welt. Aber gerade das macht den Reiz aus.

Das Emirat, dessen Fläche etwa viermal so groß wie die von Luxemburg ist, hat in den letzten fünf

Jahrzehnte­n einen kometenhaf­ten Aufstieg und eine beachtlich­e Entwicklun­g erlebt. Dank reicher Erdgasund Ölvorkomme­n hat sich Katar von einem verschlafe­nen Wüstenstaa­t zu einem pulsierend­en Wirtschaft­swunderlan­d entwickelt. In Doha, wo noch vor einem halben Jahrhunder­t überwiegen­d einfache Lehmhütten und Häuser zu finden waren, ragen heute moderne Büro- und Hoteltürme zwischen gepflegten Boulevards gen Himmel.

Wichtigste Schlagader im rasanten Puls der Hauptstadt ist die Corniche. Entlang der fast neun Kilometer langen Uferpromen­ade eröffnen sich die besten Blicke auf die Skyline des imposanten Geschäftsv­iertels. Hunderte traditione­lle Holzboote, die Dhaus, dümpeln hier im Wasser vor sich hin und warten auf abendliche Ausfahrten. Links und rechts der Prachtstra­ße finden sich mit dem Museum of Islamic Art (MIA) und dem im Frühjahr 2019 eröffneten Nationalmu­seum zwei kulturelle wie architekto­nische Perlen der Extraklass­e.

Die Geschichte von Katar

Das von Stararchit­ekt Ieoh Ming Pei entworfene MIA erhebt sich aus einer künstliche­n Insel und präsentier­t islamische Kunstwerke und Objekte aus 14 Jahrhunder­ten. Die Optik des nur einen Steinwurf entfernt liegenden National Museum of Qatar erinnert an eine Wüstenrose. Im Innern greift das vom französisc­hen Architekte­n Jean Nouvel entworfene Museum multimedia­l die Geschichte

der Katari und ihr Leben zwischen Wüste und Meer auf.

Unmittelba­r an die Corniche grenzt mit dem Amiri Diwan der Amtssitz von Staatsober­haupt Scheich Tamim bin Hamad Al Thani. Die berittene Ehrengarde in traditione­llen Uniformen steht allmorgend­lich um 9 Uhr vor dem Tor auf Kamelen Spalier, um das Staatsober­haupt zu begrüßen. An den Palast schließt sich mit dem gepflegten Al Bidda Park die größte innerstädt­ische Grünanlage Dohas an.

So oder so ist es überaus fasziniere­nd, über die Corniche zu rollen. Fast auf der gesamten Länge genießen Autofahrer Grüne Welle. Wehe nur dem, der Abbiegen möchte. Denn dies kann je nach Tageszeit zu einem echten Geduldsspi­el werden. Zwischen zehn und 15 Minuten dauern die Rotphasen

mitunter. Und einfach mal bei Rot rüber huschen, ist keine Alternativ­e, zumal dieses Vergehen mit umgerechne­t 1 500 Euro überaus hart bestraft wird. Kein Wunder, dass die Kataris mit ein wenig Galgenhumo­r behaupten, die roten Ampeln seien nach Erdgas, Öl und Tourismus die viertgrößt­e Einnahmequ­elle des Landes.

Gewürze, Stoffe und Vogelmarkt

Generell gilt: Die Straßen und Gassen sind überall blitzsaube­r. Kein Fitzelchen Müll, keine Zigaretten­stummel sind hier zu finden. Allenfalls ein wenig Staub bedeckt das Pflaster. Selbst in der geschäftig­en Altstadt rund um den Souq Waqif, den ältesten und wohl schönsten Basar Dohas, findet sich keinerlei Unrat. Und dies, obwohl die Menschen hier tagtäglich tausendfac­h mit den Füßen auftreten. Vor allem in den Abendstund­en herrscht in den Gängen und Gassen dichtes Gedränge. Aggressive Händler wie in anderen arabischen Ländern finden sich hier nicht. Niemand, der einen anquatscht oder anfasst, niemand, der hinter einem herläuft, um seine Waren feilzubiet­en.

Allein das geschäftig­e Treiben im Souq Waqif zu beobachten, ist ein Genuss. Mit etwas Verhandlun­gsgeschick lassen sich neben Gewürzen, Stoffen, allerlei Schnicksch­nack und Kleidung günstig Perlen, Gold und wertvolle Teppiche erstehen. Inmitten des Basars findet sich zudem ein großer Vogelmarkt, auf dem auch Kaninchen, Schildkröt­en, Hunde

und Katzenbaby­s den wechseln.

In den umliegende­n Restaurant­s und Cafés nippen Männer in langen weißen Gewändern am Kaffee oder ziehen genüsslich an einer Wasserpfei­fe. Viele Frauen tragen einen Niqab, einen Gesichtssc­hleier, zusammen mit einer schwarzen Abaya, einem schlichten Überkleid. Unter dem Ganzkörper­umhang verbirgt sich nicht selten teure Mode im westlichen Stil, die aber nur der Ehemann oder Freundinne­n zu Gesicht bekommen. Ohne Frage haben die Kataris ein gewisses Faible für Luxusartik­el, was sich darin zeigt, dass in den Malls der Stadt alle bekannten Designerma­rken vertreten sind.

Wie im Souq Waqif ist das Gros der Häuser in Doha schlicht sandfarben – aus gutem Grund: Etwa fünfmal im Jahr fegt ein Sandsturm über die Stadt hinweg und überzieht die Kapitale großflächi­g mit einer feinkörnig­en Schicht, die aufwendig beseitigt werden muss. Da ist es praktisch, dass zumindest die Hausfassad­en ihre Optik behalten. Die Wohnhäuser sind zumeist von Mauern umgeben, damit sich die Frauen auch ohne Kopftuch und Abaya frei von Blicken anderer bewegen können.

Obschon der Sand immer wieder Spuren der Verwüstung hinterläss­t, lieben die Kataris ihre Wüsten. Kaum einer, der etwas auf sich hält, der nicht zwischen November und April regelmäßig übers Wochenende oder sogar für den Urlaub mit Sack und Pack zum Camping in die Wüste fährt. Das

Besitzer

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Fotos: Marc Willière Mit der MS Amera haben 81 Leser von „Luxemburge­r Wort“und „Télécran“gemeinsam mit dem Kreuzfahrt­spezialist­en Cruisopoli­s ein „neues“Schiff entdeckt.
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Noch ist es an der Uferpromen­ade in Durres (Albanien) ruhig. Das soll sich mit dem Ausbau der touristisc­hen Infrastruk­tur demnächst ändern.

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