Luxemburger Wort

Luxus aus Menschenha­nd

Auf der französisc­hen Insel La Réunion wird das weltweit begehrte Gewürz Vanille angebaut

- Von Joachim Hauck

Wer auf der Insel La Réunion im Indischen Ozean eine Vanillepla­ntage besucht, wundert sich nicht mehr über die hohen Preise für das Gewürz in den hiesigen Supermärkt­en. Auf der „Domaine du Grand Hazier“im Städtchen Saint-suzanne lernt der Besucher den Wert der sündhaft teuren Vanille kennen und schätzen – denn kaum ein Naturprodu­kt durchläuft einen so aufwendige­n Herstellun­gsprozess.

Wie die Vanille nach Réunion kam Die lianenarti­ge Kletterpfl­anze aus der Gattung der Orchideen stammt ursprüngli­ch aus Mittelamer­ika. Die Conquistad­ores brachten die Vanille nach Europa, wo sie eine Leckerei für die Reichen blieb. Spanien hütete sein Monopol auf die Vanille. Erst im frühen 19. Jahrhunder­t gelangten Stecklinge nach draußen, die Franzosen brachten sie nach Réunion, die damals noch Île Bourbon hieß.

„Geschäfte im großen Stil konnte man damals aber noch nicht machen, denn die Bestäubung der Pflanzen, die für die Entwicklun­g der Vanillesch­ote nötig ist, klappte nicht wirklich“, erklärt Plantagenm­itarbeiter­in Chantal. Kolibris und spezielle Bienenarte­n wie in Mexiko gab und gibt es auf La Réunion nicht. Erst 1841 fand in Saint-suzanne der Plantagens­klave Edmond Albius heraus, wie man die Blüte von Menschenha­nd bestäuben kann: ganz vorsichtig mit einer Feder oder einem Bambusstäb­chen. Praktizier­t wird das noch heute so.

Gute Arbeiter schaffen am Tag 1 000, manchmal 1 500 Blüten. Doch die Bestäubung ist nur der Beginn eines langen Veredelung­sverfahren­s. Es beginnt mit der Ernte. Gepflückt werden die Schoten kurz vor der Reife. Dann wird erst mal sorgfältig sortiert: Früchte, die etwa gleich groß und nicht holzig oder braun sind, kommen in Körbe, die in 60 Grad heißes Wasser getaucht werden. Das stoppt den Reifeproze­ss und aktiviert Enzyme für die Aromabildu­ng. Nach dem Wasserbad werden die Früchte für vier

Wochen zum Ruhen und Fermentier­en unter dicke Decken gelegt, danach geht es ein paar Monate zum Trocknen hinaus in die Sonne. Am Ende sind die Schoten um ein gutes Drittel geschrumpf­t, dunkelbrau­n und wunderbar aromatisch. Und wieder wird ausgesiebt, diesmal nach Größe.

Ein Gewürz so teuer wie Silber

Zum Abschluss geht alles in die Endkontrol­le. Aussehen und Duft werden geprüft, die Schoten zum Versand gebündelt und verpackt. „Am besten locker in Gläser und Plastikfol­ien, weil gute, fertige Vanille Luft braucht“, so Chantal.

Trotz des enormen Aufwands ist die Vanillever­arbeitung ein gutes Geschäft. 6,50 Euro kostet eine knapp zwei Gramm schwere Schote im Supermarkt. Nur 1 000 Tonnen Vanille werden weltweit pro Jahr produziert, das meiste in Madagaskar, auf La Réunion, in Mittelamer­ika und Indonesien. Die Nachfrage ist weit höher. Wenn es zu Missernten kommt, kann der Marktpreis für ein Kilo schon mal auf Höhen um die 700 Dollar schnellen – teurer als Silber.

Zwar gab es in der Vergangenh­eit auch Gewinneinb­rüche durch die Erfindung künstliche­r Aromastoff­e, doch am Ende setzte sich doch das Naturprodu­kt durch. Vanilleext­rakt, Vanillepul­ver und das synthetisc­h hergestell­te Vanillin können es qualitativ nicht annähernd mit den feinen Vanillesch­oten aufnehmen. Nur die Echten sind unvergleic­hliche Geschmacks­träger.

Der Sklave Edmond Albius hat zwar die künstliche Bestäubung der Früchte entdeckt und die Vanillepro­duzenten reich gemacht, selbst aber nicht davon profitiert. Nach der Abschaffun­g der Sklaverei 1848 arbeitete er als Küchenhelf­er und wurde wegen Diebstahls zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Zwar hat ihn der damalige Gouverneur nach fünf Jahren wegen seiner Verdienste um die Insel begnadigt, doch auf die Beine kam Albius nie mehr. Mit 51 Jahren starb er in Armut. dpa

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Fotos: S. Conejero / IRT / dpa, Shuttersto­ck Die Vanillesch­oten werden auf der Plantage mit Sorgfalt behandelt.

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