Johnsons Triumph, Labours Fiasko
Tories gewinnen Parlamentswahl haushoch
Es sei jetzt der unbestreitbare Wille der Briten, dass sie den Brexit endlich umsetzen wollen, sagte Boris Johnson in seiner ersten Rede als wiedergewählter Premierminister – und es ist eine der wenigen Aussagen der vergangenen sechs Wochen, bei denen er recht hat. Der Sieg der Tories war überwältigend. Besonders schockierend für die Opposition: Gerade in den ehemaligen Labour-hochburgen triumphierte Johnson.
Insgesamt gewannen die Tories 66 Sitze hinzu und haben so eine satte Parlamentsmehrheit von fast 40 Sitzen. Die Befürchtungen Labours stellten sich als berechtigt heraus: Unzählige Wahlkreise, die seit Jahrzehnten in roter Hand sind, im Norden Englands und in den Midlands, wählten zum ersten Mal konservativ. Labour verlor 59 Mandate – das schlechteste Resultat seit Jahrzehnten.
„Sehr enttäuschende Nacht“Darunter finden sich etwa Sitze wie Blyth Valley, ein ehemaliges Bergbaugebiet, oder Bolsover, wo der Labour-veteran Dennis Skinner dem konservativen Herausforderer
unterlag. Laura Pidcock, eine prominente Vertreterin des linken Parteiflügels, verlor ihr Mandat im nordöstlichen Durham
East, ebenfalls ein traditioneller Labour-sitz.
In den großen Städten schnitt Corbyns Partei besser ab, aber Labour schaffte es nicht, die Verluste andernorts zu kompensieren. Der Londoner Sitz Kensington ging an die Tories zurück, und Faiza Shaheen, die junge Labourkandidatin, verpasste es knapp, den ehemaligen Tory-chef Iain Duncan Smith zu besiegen.
Corbyn sprach von einer „sehr enttäuschenden Nacht“; der Brexit habe das Land „so polarisiert, dass er die normale politische Debatte überschattete“. Corbyn bestätigte, dass er nicht mehr als Parteichef zur nächsten Wahl antreten werde, er wolle jedoch die Partei noch eine Weile durch einen „Reflexionsprozess“führen.
Weiterer Aufschub ausgeschlossen Schlimm war die Wahlnacht auch für die Liberaldemokraten: Nicht nur verlor die Mittepartei einen Sitz und endet mit einem geschrumpften Mandat von elf Abgeordneten, auch die Parteichefin selbst, Jo Swinson, büßte ihren Sitz ein. Swinson gab unverzüglich ihren Rücktritt bekannt. Sie unterlag der Herausforderin der Scottish National Party (SNP) – jener Partei, die im nördlichen Landesteil triumphierte: 13 Mandate gewann die SNP hinzu und dominiert Schottland mit insgesamt 48 Sitzen. Das wird auch Konsequenzen haben für die Frage der Unabhängigkeit: Eine erstarkte SNP wird den kommenden Brexit nicht einfach so hinnehmen, sondern darauf bestehen, dass Schottland das demokratische Recht hat, seinen eigenen Weg zu gehen.
Auch in Nordirland sind Kräfte gestärkt worden, die den Zusammenhalt Großbritanniens in Frage stellen: Die Unionisten haben herbe Verluste hingenommen, während
Unzählige Wahlkreise, die seit Jahrzehnten in roter Hand sind, wählten zum ersten Mal konservativ.
Nach seinem Wahlsieg gibt Boris Johnson (oben) eine Pressekonferenz vor 10 Downing Street.
Labour-chef Jeremy Corbyn (oben rechts) kündigt einen Rücktritt auf Raten an.
Snp-chefin Nicola Sturgeon (oben links) wird wohl bald auf ein zweites Unabhängigkeitsreferendum für Schottland drängen.