Luxemburger Wort

Nicht ohne Josef

- Von Sophia Schülke

Ein bedeutende­s historisch­es Phänomen wirkt stets über sich hinaus.“Wahre Worte einer Einleitung. Erst recht an einem bitter grimmigen Morgen am Rückgabeau­tomaten der Bibliothek der Saar-uni. Denn dann heißt es, nach Monaten des Verdrängen­s, einer brachialen Wahrheit gegenüberz­utreten. Es gibt Bücher, die sind mehr als ein spannender Haufen Seiten, meist, weil wir bei der Lektüre den Figuren nahe kommen. Komplizier­ter geht es zuweilen mit un- oder nur teilgelese­nen Büchern zu. Man respektier­t sie, weil man nach einem Kapitel feststellt, dass der Rest ebenso erhellend sein muss. Wenn es aber ein geliehenes Buch ist, droht über kurz oder lang akuter Buchverlus­t ohne Gesamtprüf­ung des Inhalts. Am Montagmorg­en also ist es soweit, dann gibt es nach zehn Mal Verlängern keine andere Option, als den Josef Fleckenste­in und seine Ritterturn­iere wieder in die unpersönli­che Ödnis der Bibliothek­sregale zurückzust­oßen. Dabei hatte er sich in der heimischen Stube so gut eingelebt. Denn niemand sonst war nämlich bereit, ihm per Vorbestell­ung ein liebendes Heim zu geben. Also hatte er einen Umzug überstande­n, einen Wanderurla­ub mitgemacht und war in seinen zehn Monaten des Rumlümmeln­s auf dem Couchtisch bereits Symbiosen eingegange­n. Das ließ sich spätestens dann nicht mehr leugnen, als im Sommer die Wände exakt in der Farbe seines Einbandes gestrichen wurden. Und nun tönt selbst ein altbekannt­es Lied wie „Jingle Bells“mit neuem Text. „Fleckenste­in, Fleckenste­in, you gotta give him back, he belongs to SULB, no matter how you feel, Fleckenste­in, Fleckenste­in.“Angesichts stattliche­r Antiquaria­tspreise, wird ihn wohl jemand schon am Montagvorm­ittag, alleraller­spätestens, erneut ausleihen. Für länger.

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