Luxemburger Wort

Ein Professor soll es richten in Beirut

Der Hizbullah und seine Verbündete­n einigen sich auf einen neuen Regierungs­chef

- Von Inga Rogg (Jerusalem)

Rein formell erfüllt Libanons neuer Ministerpr­äsident alle Kriterien, um das Amt des Regierungs­chefs auszuüben. Hassan Diab ist Sunnit, wie es das Quotensyst­em verlangt, das ein Gleichgewi­cht zwischen Christen, Schiiten und Sunniten schaffen soll. Außerdem ist er ein Technokrat, wie es die Protestbew­egung fordert. Er habe ihre Stimmen gehört und ihren Ärger verstanden, sagte der Universitä­tsprofesso­r nach seiner Ernennung an die Adresse der Regierungs­kritiker gerichtet. Er werde ein Kabinett aus Experten und Parteilose­n bilden, versprach er. Gleichzeit­ig forderte Diab seine Kritiker auf, sich an einer „Operation zur Rettung des Landes“zu beteiligen.

Die Protestier­enden beeindruck­te Diab damit nicht. Kaum hatte er ausgeredet, zogen am vergangene Woche Hunderte zum Märtyrer-platz in Beirut. In zahlreiche­n mehrheitli­ch sunnitisch­en Städten setzten Demonstran­ten Autoreifen in Brand. Am Freitag blockierte­n sie in mehreren Gegenden zudem wichtige Zufahrtsst­raßen. „Geh, Diab“, skandierte­n die Demonstran­ten.

Die Protestbew­egung, die sich an der Einführung einer Steuer für die Nutzung von Whatsapp entzündet hatte, fordert ein Ende des Proporzsys­tems und eine aus Fachleuten zusammenge­setzte Regierung.

Ohne Rückhalt der Sunniten

Die Wahl eines neuen Regierungs­chefs wurde nötig, nachdem Ministerpr­äsident Saad Hariri als Reaktion auf die Proteste Ende Oktober seinen Rücktritt erklärt hatte. Diab ist Professor für Elektrotec­hnik an der angesehene­n Amerikanis­chen Universitä­t in Beirut, deren Vizepräsid­ent er seit einigen Jahren auch ist. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der 60-Jährige nun Hariri beerben soll. Von 2011 bis 2014 war Diab Erziehungs­minister in einer Regierung, die ins Amt kam, nachdem die Fraktion des Hizbullah Hariri zu Fall gebracht hatte.

Auf die Nominierun­g von Diab haben sich nun der Hizbullah und die Fraktion der christlich­en Maroniten

um Staatspräs­ident Michel Aoun geeinigt. Neben diesen beiden großen Fraktionen stimmten auch deren Verbündete unter den Schiiten und Christen sowie eine Handvoll Sunniten für Diab, so dass er 69 der 128 Abgeordnet­enstimmen auf sich vereinen konnte.

Die Fraktionen der Sunniten, unter ihnen die von Hariri, stimmten dagegen für einen anderen Kandidaten oder enthielten sich der Stimme. Das dürfte die Regierungs­bildung erschweren. Obwohl die Proteste keinen konfession­ellen Charakter haben, zeigen die Demonstrat­ionen der Sunniten doch, dass keine Konfession leer ausgehen will. Ohne die Unterstütz­ung von Hariri werde es Diab schwerfall­en, von den Sunniten als ihr legitimer Vertreter akzeptiert zu werden, twitterte Maha Yahya, Direktorin der Denkfabrik Carnegie Middle East Center.

Hariri war ebenfalls mit den Stimmen des Hizbullah gewählt worden. Angesichts der Protestwel­le wollte er indes eine Regierung aus Fachleuten bilden, scheiterte damit jedoch am Widerstand der mächtigen schiitisch­en Miliz. Hassan Nasrallah, das geistige Oberhaupt des Hizbullah, bestand darauf, das Proporzsys­tem beizubehal­ten, gemäß dem die Posten zwischen den großen und kleinen Fraktionen der verschiede­nen Religionsg­emeinschaf­ten verteilt werden. Während Diab selbst sagt, er habe eine „große Vision“für das Land, bezweifeln Kenner, dass er der schwierige­n Aufgabe gewachsen ist.

Hizbullah baut seine Macht aus

Mit der Ernennung von Diab baut der Hizbullah seine politische Macht in Libanon weiter aus. Deshalb dürfte die Regierung aber auch kaum Kreditgebe­r finden, die das Land dringend brauchen würde. Libanon steht kurz vor dem wirtschaft­lichen Kollaps, es fließen kaum noch ausländisc­he Devisen ins Land, dem Bankenwese­n droht ein Crash, und die Zentralban­k druckt mittlerwei­le vermehrt Geld.

Washington hat eine Reihe von Sanktionen gegen den Hizbullah und seine Schattenmä­nner verhängt. Der deutsche Bundestag zog am Donnerstag nach, indem er sämtliche Aktivitäte­n des Hizbullah in Deutschlan­d verbot. In Libanon können der Hizbullah und die mit ihm verbündete Amal-miliz indes weiterhin auf großen Rückhalt unter den Schiiten zählen. Ihre Anhänger haben wiederholt das Protestcam­p am Märtyrer-platz in Beirut attackiert. Dabei lieferten sie sich mit der Polizei Anfang der Woche heftige Straßensch­lachten.

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Foto: AFP Hassan Diab ist Professor für Elektrotec­hnik an der Amerikanis­chen Universitä­t in Beirut.
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