Eine neue Beziehung
Vor fünf Jahren haben sich Regierung und Glaubensgemeinschaften auf ein neues Miteinander verständigt
„Es kommt durch dieses Abkommen zu einer Trennung von Kirche und Staat. Allerdings bleiben die Religionsgemeinschaften beim Einwirken auf die Gesellschaft weiterhin anerkannt. Es ist ein Abkommen, das uns viel kostet, das viele Punkte beinhaltet, die uns weh tun, das aber auch Chancen für die Zukunft enthält“, so Erzbischof Jean-claude Hollerich gegenüber der Presse, kurz nachdem Regierung und Glaubensgemeinschaften sich am 19. Januar 2015 mündlich auf ein neues Miteinander verständigt haben.
Viel mehr erfahren die Journalisten, die vor dem früheren Außenministerium ausgeharrt haben, an diesem Abend nicht. Denn auch Premier- und Kultusminister Xavier Bettel (DP) wird in seiner ersten Stellungnahme zum blaurot-grünen Prestigeprojekt „Trennung von Kirche und Staat“nicht konkret. Es dauert daher noch einige Tage, bis klar ist, auf was sich beide Seiten in den zähen Verhandlungen genau geeinigt haben.
Das Abkommen umfasst drei Punkte. Zunächst geht es um die Anerkennung und die Finanzierung der Glaubensgemeinschaften. Die anderen beiden Punkte betreffen nur die katholische Kirche. Einerseits wird der Religionsunterricht aus den öffentlichen Schulen verbannt und durch einen allgemeinen Werteunterricht ersetzt. Zum anderen sollen die Kirchenfabriken abgeschafft und durch einen Kirchenfonds ersetzt werden.
Die CSV muss mit ins Boot
Bevor sie Nägel mit Köpfen machen können, müssen die Regierungsparteien die CSV mit ins Boot holen. Denn im Hinblick auf den Paradigmenwechsel bei der Finanzierung der Glaubensgemeinschaften muss die Verfassung abgeändert werden. Ohne die Oppositionspartei ist dies aber nicht möglich, weil DP, LSAP und Grüne es zusammen nicht auf die in Verfassungsfragen erforderliche Zweidrittelmehrheit bringen. Konkret geht es um die Artikel 22 und 106. Eine weitere Hürde, die überwunden werden muss, ist die vierte Frage des bevorstehenden Referendums, in der es um die Finanzierungsfrage geht.
Am Morgen des 20. Januar 2015 informiert Kultusminister Bettel zunächst die zuständigen parlamentarischen Ausschüsse, am Nachmittag tagt das Plenum. Am Ende des Tages steht fest: Die CSV trägt die Änderung am Grundgesetz mit, das Abkommen kann unterschrieben werden.
Der Kompromiss, auf den man sich verständigt hat, sieht vor, dass Artikel 106, der den Staat verpflichtet, für die Gehälter und Renten der Geistlichen und Laienhelfer aufzukommen, vollständig aus der Verfassung gestrichen wird. Die Bestimmungen von Artikel 22, der generell die Beziehungen zwischen dem Staat und den Kirchen regelt, werden neu formuliert. Damit ist auch
Die Neuordnung der Beziehungen zwischen Staat und Kirche verlief nicht immer konfliktfrei, doch zu dem befürchteten Kulturkampf kam es nicht. die vierte Referendumsfrage zur Finanzierung der Religionsgemeinschaften endgültig vom Tisch.
Das Abkommen kann unterzeichnet werden. Am 26. Januar 2015, also vor genau fünf Jahren, setzen die Vertreter der Regierung und der sechs Religionsgemeinschaften im Staatsministerium ihre Unterschrift unter die Konventionen: Das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen wird neu geregelt. Doch bis die Verträge vollständig umgesetzt sind, dauert es noch fast drei Jahre.
Die Anerkennung
Den Anfang macht der Kultusminister. Am 9. September 2015 bringt Bettel die sechs Gesetzentwürfe im Parlament ein, mit denen die Konventionen – und somit die finanziellen Zuwendungen des Staates für die Kirchen – eine legale Basis erhalten sollen.
Neu ist, dass die Kultusdiener nicht länger direkt vom Staat bezahlt werden. Stattdessen erhalten die anerkannten Religionsgemeinschaften – die katholische, die protestantische und die protestantisch-reformierte Kirche, die anglikanische und die orthodoxe Kirche sowie die jüdische Gemeinde und die Schura – jährlich einen festen Betrag, über den sie frei verfügen können. Die muslimische Gemeinde in Luxemburg wird zum ersten Mal offiziell anerkannt und folglich auch finanziell unterstützt.
Es gilt die Klausel des pacta sunt servanda: Kultusdiener, die noch unter dem alten Regime verpflichtet wurden, werden weiterhin vom Staat bezahlt. Auf diesen Zusatz hatte vor allem die katholische Kirche bestanden.
Bevor das Parlament über die sechs Texte abstammen kann, muss allerdings geklärt werden, ob dies überhaupt möglich ist, bevor die Verfassungsänderung in trockenen Tüchern ist. Der Staatsrat gibt grünes Licht und am 13. Juli 2016 verabschiedet das Parlament die Gesetze mit 32 Ja-stimmen gegen 26 Nein-stimmen bei zwei Enthaltungen.
Der Werteunterricht
Kurz vorher, am 15. März 2016, hatte Bildungsminister Claude Meisch (DP) einen ersten Entwurf zum Fach „Vie et société“im Sekundarunterricht eingebracht. Am 7. Juli, also noch vor der Sommerpause, gibt das Parlament mit den Stimmen der Mehrheitsparteien bereits grünes Licht. Das neue Fach wird ab der Rentrée in den Lehrplan aufgenommen.
Wenige Tage vor der Abstimmung hat Meisch auch den Entwurf zur Einführung des Werteunterrichts in der Grundschule eingebracht. Diesmal ist die Zeitschiene nicht so eng, denn im Fondamental soll das Fach erst ab dem Schuljahr 2017/2018 obligatorisch werden. Am 11. Juli 2017 gibt das Parlament seine Zustimmung. Am gleichen Tag verabschieden die Abgeordneten auch den Gesetzentwurf, der die Übernahme der ehemaligen Religionslehrer regelt.
Die Einführung des Werteunterrichts geht nicht konfliktfrei über die Bühne. Die Initiative „Fir de Choix“und die Religionslehrer wehren sich vehement gegen die Abschaffung des Religionsunterrichts, allerdings ohne Erfolg.
Der Kirchenfonds
Umstritten ist auch der geplante Kirchenfonds. Der lauteste Protest kommt aus den Reihen der Kirche selbst. Der Dachverband der Kirchenfabriken
Syfel wehrt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das Vorhaben und schreckt auch vor juristischen Schritten nicht zurück.
Der damalige Innenminister Dan Kersch (LSAP) lässt sich aber nicht beirren. In den Verhandlungen im zweiten Halbjahr 2014 hatte man sich ganz allgemein auf die Schaffung eines Fonds verständigt, der als eine Art „nationale Kirchenfabrik“funktionieren soll und vom Bistum verwaltet wird. Gleichzeitig sollen bei den Kirchengebäuden die Besitzverhältnisse ein für alle mal geklärt werden.
Doch der Teufel steckt im Detail. Es wird also weiter verhandelt. Bis der Gesetzentwurf endlich ausgefeilt ist, dauert es eine ganze Weile. Um die Wartezeit zu überbrücken, lässt der Innenminister über eine Änderung am Dekret von 1809 abstimmen, auf dem die Kirchenfabriken basieren. Am am 25. Februar 2016 entbindet das Parlament die Kommunen von ihrer Pflicht, die Defizite der Kirchenfabriken auszugleichen und den Pfarrern eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.
Am 5. August 2016 präsentiert Kersch schließlich den Entwurf zum Kirchenfonds. Für Unmut sorgt vor allem das Kofinanzierungsverbot. Geht es nach dem Innenminister, dürfen die Gemeinden sich nicht am Unterhalt der Kirchen, die dem Fonds gehören werden, beteiligen. Der Staatsrat ist allerdings nicht einverstanden und kippt das Kofinanzierungsverbot. Die Hohe Körperschaft hält auch ausdrücklich fest, dass es durch die Überführung des Vermögens der Kirchenfabriken in den Fonds nicht zu einer Enteignung kommt. Damit ist das Hauptargument des Syfel entkräftet.
Am 17. Januar 2018 ist es soweit: Das Parlament stimmt mit 34 Ja- gegen 26 Nein-stimmen für die Abschaffung der Kirchenfabriken. Am 1. Mai nimmt der Kirchenfonds seine Arbeit auf. Damit ist das Prestigeprojekt „Trennung von Kirche und Staat“abgeschlossen.
Es ist ein Abkommen, das uns viel kostet, das viele Punkte beinhaltet, die uns weh tun, das aber auch Chancen für die Zukunft enthält. Erzbischof Jean-claude Hollerich