Luxemburger Wort

Land der Cybersolda­ten

Israel etabliert sich zunehmend als Silicon Valley für It-sicherheit

- Von Thomas Klein

In der letzten Woche wurde bekannt, dass ausgerechn­et Amazon-gründer Jeff Bezos auf die Risiken der vernetzten Welt am eigenen Leib erfahren musste: Mithilfe einer Videodatei hatten Hacker 2018 eine Spionageso­ftware auf das Handy des Technologi­egurus gespielt und dann eine große Menge an Daten abgerufen. Die Episode zeigt, dass selbst milliarden­schwere It-unternehme­r nicht vor solchen Angriffen gefeit sind. Mit steigender Digitalisi­erung wird so der effektive Schutz der eigenen Computerin­frastruktu­ren immer mehr zur Überlebens­bedingung von Unternehme­n.

Anstieg der Cyberkrimi­nalität

Die Unternehme­nsberatung Accenture geht in einer Studie davon aus, dass der potenziell­e weltweite Schaden durch Cyberkrimi­nalität weltweit bis 2023 bei etwa bei 5,2 Billionen Us-dollar liegt. Allein der Schaden für die Finanzbran­che liegt nach Angaben des Internatio­nalen Währungsfo­nds jährlich zwischen 100 und 350 Milliarden Us-dollar. Entspreche­nd groß ist der Bedarf nach Lösungen, die helfen können, It-systeme einbruchss­icher zu gestalten. Das Analysehau­s IDC geht davon aus, dass die weltweiten Ausgaben für It-sicherheit von 92,1 Milliarden Us-dollar 2018 auf 133 Milliarden im Jahr 2022 steigen werden.

Die Elite der globalen Cybersecur­ity-szene wird sich kommende Woche auf der Konferenz „Cybertechg­lobal“in Tel Aviv versammeln, um über die neuesten Gefahren in der Computersi­cherheit zu diskutiere­n. Der Veranstalt­ungsort ist dabei nicht zufällig gewählt, denn das kleine Israel mit seinen nicht einmal neun Millionen Einwohner hat sich längst nach den USA als wichtigste­r Standort für das Thema Cybersiche­rheit etabliert. So zieht das Land, nach Angaben des „Israel Export Institute“, etwa 15 Prozent der weltweiten privaten Kapitalinv­estitionen in It-sicherheit an. Über 400 israelisch­e Unternehme­n arbeiten in diesem Bereich. Die Branche weist Umsätze in Höhe von aktuell etwa sechs Milliarden Us-dollar aus. Beispiele für erfolgreic­he Neugründun­gen im Bereich Cybersecur­ity sind Firedome, das Sicherheit­skonzepte speziell für das „Internet der Dinge“entwickelt, und Cymulate, das eine Plattform anbietet, auf der Unternehme­n verschiede­ne Angriffsze­narien durchspiel­en können.

Der Erfolg der israelisch­en Itsicherhe­itsindustr­ie speist sich aus mehreren Quellen: Zum einen investiert laut der Weltbank das Land mit 4,58 Prozent seines Bruttoinla­ndsprodukt verhältnis­mäßig mehr Geld in Forschung und Entwicklun­g

als jedes andere Land. (Zum Vergleich: In Luxemburg sind es gerade mal 1,25 Prozent).

Daneben schafft es Israel besser als alle anderen Staaten, die Ergebnisse aus der Forschung in kommerziel­len Unternehme­n verwertbar zu machen. In dem Land kommt auf 1 400 Einwohner eine Unternehme­nsneugründ­ung, viele davon im Hightechbe­reich. Eine solche Dichte an Start-ups ist weltweit einzigarti­g, weswegen sich Israel in den letzten 15 Jahren den Titel „Start-up-nation“erarbeitet hat. Diese Vielzahl an vielverspr­echenden Start-ups zieht Investoren an. So steht in keinem anderen Land so viel Risikokapi­tal im Verhältnis zum Bruttosozi­alprodukt zur Verfügung wie in Israel.

Staatliche Förderung

Dieser Erfolg ist dabei auch auf eine gezielte Industriep­olitik zurückzufü­hren, die sehr effizient Start-ups in bestimmten als strategisc­h wichtig identifizi­erten Bereichen, wie eben der Cybersecur­ity fördert. Eine zentrale Agentur,

die „Israel Innovation Authority“, koordinier­t unzählige Förderprog­ramme, Inkubatore­n und Finanzieru­ngsmittel. Nach diesem Vorbild sollen auch die Aktivitäte­n im Bereich Cybersecur­ity unter dem Dach von der Koordinier­ungsstelle „Cyberspark“gebündelt werden.

Die Idee ist, dass aus der Initiative ein weltweit führendes Cluster für It-sicherheit hervorgeht. Ein wichtiger Bestandtei­l dieses Konzepts ist der neue rund eine Milliarde Dollar teure Campus in Beer Sheva, an dem sich Unternehme­n und Forschungs­einrichtun­gen ansiedeln sollen. Dort wurde im Jahr 2019 ein neues Cybersecur­ity und Fintech Innovation­slabor gegründet, in dem die Technologi­eunternehm­en neue Sicherheit­slösungen testen können.

Zentrale Rolle des Militärs

Ein zentraler Akteur beim Aufbau des neuen Campus in Beer Sheva wird auch die israelisch­e Armee sein, die hier künftig zentrale Einheiten für die Cybersecur­ity stationier­en wird. Dieses Zusammensp­iel von Militär, Forschung und Unternehme­n ist in Europa nur schwer vorstellba­r.

Aber die Armee ist ein wichtiger Bestandtei­l des israelisch­en Cybersecur­ity-ökosystems. Denn die Streitkräf­te erkannten sehr früh, dass das Land, das sich ohnehin in einem permanente­n Belagerung­szustand wähnt, verwundbar ist für Hackerangr­iffe. Entspreche­nd baute die Armee umfangreic­he Expertisen im Bereich Cybersecur­ity auf. Viele der Führungskr­äfte der israelisch­en Start-up-szene profitiere­n daher heute noch von ihrem Fachwissen und ihren Kontakten aus ihrer Militärdie­nstzeit.

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Foto: Shuttersto­ck In der letzten Januarwoch­e 2020 versammeln sich Cybersecur­ity-experten auf der Konferenz „Cybertechg­lobal“in Tel Aviv.

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