Land der Cybersoldaten
Israel etabliert sich zunehmend als Silicon Valley für It-sicherheit
In der letzten Woche wurde bekannt, dass ausgerechnet Amazon-gründer Jeff Bezos auf die Risiken der vernetzten Welt am eigenen Leib erfahren musste: Mithilfe einer Videodatei hatten Hacker 2018 eine Spionagesoftware auf das Handy des Technologiegurus gespielt und dann eine große Menge an Daten abgerufen. Die Episode zeigt, dass selbst milliardenschwere It-unternehmer nicht vor solchen Angriffen gefeit sind. Mit steigender Digitalisierung wird so der effektive Schutz der eigenen Computerinfrastrukturen immer mehr zur Überlebensbedingung von Unternehmen.
Anstieg der Cyberkriminalität
Die Unternehmensberatung Accenture geht in einer Studie davon aus, dass der potenzielle weltweite Schaden durch Cyberkriminalität weltweit bis 2023 bei etwa bei 5,2 Billionen Us-dollar liegt. Allein der Schaden für die Finanzbranche liegt nach Angaben des Internationalen Währungsfonds jährlich zwischen 100 und 350 Milliarden Us-dollar. Entsprechend groß ist der Bedarf nach Lösungen, die helfen können, It-systeme einbruchssicher zu gestalten. Das Analysehaus IDC geht davon aus, dass die weltweiten Ausgaben für It-sicherheit von 92,1 Milliarden Us-dollar 2018 auf 133 Milliarden im Jahr 2022 steigen werden.
Die Elite der globalen Cybersecurity-szene wird sich kommende Woche auf der Konferenz „Cybertechglobal“in Tel Aviv versammeln, um über die neuesten Gefahren in der Computersicherheit zu diskutieren. Der Veranstaltungsort ist dabei nicht zufällig gewählt, denn das kleine Israel mit seinen nicht einmal neun Millionen Einwohner hat sich längst nach den USA als wichtigster Standort für das Thema Cybersicherheit etabliert. So zieht das Land, nach Angaben des „Israel Export Institute“, etwa 15 Prozent der weltweiten privaten Kapitalinvestitionen in It-sicherheit an. Über 400 israelische Unternehmen arbeiten in diesem Bereich. Die Branche weist Umsätze in Höhe von aktuell etwa sechs Milliarden Us-dollar aus. Beispiele für erfolgreiche Neugründungen im Bereich Cybersecurity sind Firedome, das Sicherheitskonzepte speziell für das „Internet der Dinge“entwickelt, und Cymulate, das eine Plattform anbietet, auf der Unternehmen verschiedene Angriffszenarien durchspielen können.
Der Erfolg der israelischen Itsicherheitsindustrie speist sich aus mehreren Quellen: Zum einen investiert laut der Weltbank das Land mit 4,58 Prozent seines Bruttoinlandsprodukt verhältnismäßig mehr Geld in Forschung und Entwicklung
als jedes andere Land. (Zum Vergleich: In Luxemburg sind es gerade mal 1,25 Prozent).
Daneben schafft es Israel besser als alle anderen Staaten, die Ergebnisse aus der Forschung in kommerziellen Unternehmen verwertbar zu machen. In dem Land kommt auf 1 400 Einwohner eine Unternehmensneugründung, viele davon im Hightechbereich. Eine solche Dichte an Start-ups ist weltweit einzigartig, weswegen sich Israel in den letzten 15 Jahren den Titel „Start-up-nation“erarbeitet hat. Diese Vielzahl an vielversprechenden Start-ups zieht Investoren an. So steht in keinem anderen Land so viel Risikokapital im Verhältnis zum Bruttosozialprodukt zur Verfügung wie in Israel.
Staatliche Förderung
Dieser Erfolg ist dabei auch auf eine gezielte Industriepolitik zurückzuführen, die sehr effizient Start-ups in bestimmten als strategisch wichtig identifizierten Bereichen, wie eben der Cybersecurity fördert. Eine zentrale Agentur,
die „Israel Innovation Authority“, koordiniert unzählige Förderprogramme, Inkubatoren und Finanzierungsmittel. Nach diesem Vorbild sollen auch die Aktivitäten im Bereich Cybersecurity unter dem Dach von der Koordinierungsstelle „Cyberspark“gebündelt werden.
Die Idee ist, dass aus der Initiative ein weltweit führendes Cluster für It-sicherheit hervorgeht. Ein wichtiger Bestandteil dieses Konzepts ist der neue rund eine Milliarde Dollar teure Campus in Beer Sheva, an dem sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen ansiedeln sollen. Dort wurde im Jahr 2019 ein neues Cybersecurity und Fintech Innovationslabor gegründet, in dem die Technologieunternehmen neue Sicherheitslösungen testen können.
Zentrale Rolle des Militärs
Ein zentraler Akteur beim Aufbau des neuen Campus in Beer Sheva wird auch die israelische Armee sein, die hier künftig zentrale Einheiten für die Cybersecurity stationieren wird. Dieses Zusammenspiel von Militär, Forschung und Unternehmen ist in Europa nur schwer vorstellbar.
Aber die Armee ist ein wichtiger Bestandteil des israelischen Cybersecurity-ökosystems. Denn die Streitkräfte erkannten sehr früh, dass das Land, das sich ohnehin in einem permanenten Belagerungszustand wähnt, verwundbar ist für Hackerangriffe. Entsprechend baute die Armee umfangreiche Expertisen im Bereich Cybersecurity auf. Viele der Führungskräfte der israelischen Start-up-szene profitieren daher heute noch von ihrem Fachwissen und ihren Kontakten aus ihrer Militärdienstzeit.