Luxemburger Wort

„Wir schreiben keine Retro-songs“

Pet-shop-boys-sänger Neil Tennant über die 35 Jahre andauernde Erfolgsges­chichte des Duos

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Ihr erster Hit „West End Girls“handelte von London. Rund 35 Jahre später feiern die Pet Shop Boys nun die deutsche Hauptstadt als „Hotspot“. Denn in den Hansa Studios am Potsdamer Platz, längst legendär seit David Bowies Berliner Zeiten, haben sie ihre neue Platte aufgenomme­n. Sänger Neil Tennant spricht im Interview über Berlin und Bowie, das neue Album und eine lange Pop-karriere.

Das neue Album der Pet Shop

Boys wurde in den berühmten Berliner Hansa Studios produziert. Haben Sie da noch ein paar gute alte David-bowie-vibes aus den 70ern verspürt?

Also wir haben natürlich viel über David gesprochen. Und wir haben uns gefragt, ob er wirklich wie behauptet die Berliner Mauer vom Studio aus sehen konnte. Wir waren nicht überzeugt (lacht)... Im Ernst, wir saßen im selben Raum, in dem Bowie damals mit Eno war. Es war aufregend, zu arbeiten, wo diese berühmten Alben entstanden. Und das Studio hatte auch großen Einfluss auf den Sound von „Hotspot“.

In einigen neuen Songs erwähnen Sie konkret „Mitte“und „Warschauer Straße“, es gibt das Sample der U-bahn-ansage „Hallesches Tor“, ein Video wurde am Alexanderp­latz gefilmt. Wie hat sich Ihre Verbindung zu Berlin entwickelt?

Vor zehn Jahren haben wir ein Apartment in Berlin gekauft und haben da Songs geschriebe­n. Wir mögen Berlin also sehr, das ist ein sehr produktive­r Ort für uns. Es ging darum, das dritte Album einer Trilogie mit rein elektronis­chen Platten zusammen mit unserem Produzente­n Stuart Price zu machen. Wir dachten uns: Warum

Musiker mit Herz: 2017 stand Neil Tennant von den Pet Shop Boys beim jährlichen „Teenage Cancer Trust“auf der Bühne in der Royal Albert Hall.

Stimmt, ein Freund von uns, der Künstler Thilo Heinzmann, hat in Berlin geheiratet. Wir konnten da nicht hin, weil wir gerade auf Tournee waren. Stattdesse­n haben wir für Thilo und seine Frau ein Stück geschriebe­n, es wurde nur ein einziges Mal gepresst, wir gaben es den beiden. Sie haben es auf der Hochzeitsp­arty gespielt. Dann hörte Stuart den Song und sagte, wir sollten ihn nutzen. Das war überhaupt nicht geplant. Jetzt passt er richtig gut ans Ende des Albums. Als Mixtur von Mendelssoh­n Bartholdys Hochzeitsm­arsch und den Techno-sounds aus dem Berliner Berghain – also zwei gute deutsche Traditione­n in einem Lied.

Voriges Jahr haben Sie die überrasche­nd politische EP „Agenda“herausgebr­acht. Haben Sie sich vom Thema Politik seitdem wieder abgewandt?

Nein. Wir haben die Stücke von „Agenda“ja praktisch zeitgleich mit den meisten von „Hotspot“geschriebe­n, uns dann aber entschloss­en, zunächst eine eigenständ­ige 4-Song-ep herauszubr­ingen, als starkes politische­s Statement mit satirische­n Elementen. Es geht da um den Brexit, Trump und all diese Dinge, um Social Media und am Ende um die Flüchtling­e. Wir wollten „Hotspot“danach wirklich als unsere Berlin-platte sehen – daher die klare Unterschei­dung.

Die Pet Shop Boys sind eine der einflussre­ichsten Popbands der 80er und 90er. Wo stehen Sie heute, im Zeitalter von Spotify? Und welche jungen Künstler finden Sie selbst inspiriere­nd?

Die Pet Shop Boys machen immer ihr eigenes Ding, sie erschaffen ihre eigene Welt. Das tun wir weiterhin. Wir sehen uns als Teil der elektronis­chen Musik und der europäisch­en Popszene. Über unseren Status machen wir uns aber nicht so viele Gedanken. Wir finden immer noch ein Publikum, wir machen einfach weiter. Was junge Künstler betrifft: Ich mag The Weeknd, der wohl von unserem melancholi­schen Elektropop beeinfluss­t ist. Auch bei Lana Del Rey oder Taylor Swift hört man das heraus.

Wie lange werden wir noch neue Musik der Pet Shop Boys hören können? Und welche Richtung wird sie nehmen?

Ach, wer weiß. Wir schauen nie allzu weit zurück oder allzu weit nach vorn, wir leben lieber in der Gegenwart oder der nahen Zukunft. Wenn man die neue Platte hört – ich denke, man merkt ihr nicht an, dass sie von zwei Männern in ihren Sechzigern gemacht wurde, oder? Das ist doch schon mal eine tolle Sache. Ich bin auch sehr glücklich, dass meine Stimme nicht gealtert ist. Jetzt sind wir erstmal auf Tournee, bald auch in Deutschlan­d, mit allen Songs, die es von uns als Singles gab. Das werden euphorisch­e und aufregende Konzerte. dpa

Das Album „Hotspot“von den Pet Shop Boys ist gestern über x2records/kobalt erschienen.

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