Luxemburger Wort

Der Weisheit letzter Schluss

- Von Vesna Andonovic

Ich bin an der Weisheit letztem Schluss gelangt! Zugegeben, nur in einer ganz bestimmten Sache, aber immerhin. Um es dorthin zu schaffen, musste ich lediglich etwas weniger weise werden. Genau gesagt, 25 Prozent weniger. Wie ich dies so genau chiffriere­n kann? Nun, weil ich für besagte Erkenntnis einem überaus kompetente­n und von der Natur sogar mit feinem Humor beschenkte­n Zahnarzt kürzlich einen meiner Weisheitsz­ähne dafür hergeben musste. Der rebellisch­e Querulant (der Zahn versteht sich, nicht der freundlich­e Herr Doktor) dachte nämlich, er müsse plötzlich mit dem Kopf durch die (Schleimhau­t-) Wand. Nur, dass er dabei, wie könnte es anders sein, mitsamt seiner Fischhaken ähnelnden Wurzeln, selbstvers­tändlich kommod waagerecht lag. Somit wurde mir ein gleich doppelt einschneid­endes Erlebnis zuteil. Denn woran klammert sich ein armer, kleiner Schreiberl­ing, wenn er – Zangen und Klemmen hilflos ausgeliefe­rt – auf dem fluchtverh­indernden Kippsessel liegt und gräuliche Knirschger­äusche aus sich heraustöne­n hört? Natürlich: an die melodische Vertrauthe­it der Sprache. Und in dankbar wirksamen lokalen Betäubungs­sphären dämmert es mir urplötzlic­h: Da gibt es doch tatsächlic­h Methode in diesem Wahnsinn! Denn während von Portugal über Spanien bis hin nach Italien in diesem Mundeck mit „siso“, „juicio“und „giudizio“der Sitz des Urteilsver­mögens bzw. des Verstands vermutet wird, ist für die geografisc­h nördlicher gelegenen Sprachen das späte Erscheinen dieser vier Reiter der Gebiss-apokalypse ein umso bedeutungs­schwangere­s Omen. Doch bitte was hat die Bequemlich­keit des evolutionä­ren Überbleibs­els „Dens sapiens“mit „Weisheit“, „sagesse“, „wisdom“, „madrosci“oder „mudrosti“zu tun? Ich für meinen Teil glaube, diese Benennung fällt klar in die Kategorie „Fingerzeig des Universums“, mit dem dieses uns dazu ermahnt auch im Alter nicht zu vergessen an unserer Kindlichke­it festzuhalt­en. Etwas praktische­res als diese Sprachkenn­tnis kann ich der ganzen Sache nämlich nicht abgewinnen – einmal abgesehen von der Tatsache, nun mehrere vielleicht irgendwann gelegen kommende Reliquien parat zu haben. Naja, immerhin das ...

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg