Luxemburger Wort

Auschwitz und die Päpste

Von damals bis heute – Gerüchte, Gewissheit, Glaubenszw­eifel und Vergebungs­bitten

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Auschwitz, wo der Glaube an Gott der bisher wohl härtesten Probe unterzogen wurde, war und ist auch für das Oberhaupt der katholisch­en Kirche eine Herausford­erung. Und das seit acht Jahrzehnte­n, von Pius XII. bis Franziskus.

„Ich glaube nicht, dass wir über Informatio­nen verfügen, die – insbesonde­re – diese schwerwieg­enden Nachrichte­n bestätigen würden.“Diese Notiz schrieb Luigi Maglione, seit März 1939 Kardinalst­aatssekret­är von Papst Pius XII., an den Rand eines Berichts, den ihm wenige Tage zuvor, am 26. September 1942, Myron Taylor, ein persönlich­er Vertreter von Us-präsident Roosevelt, übergeben hatte.

Dieser Bericht der „Jewish Agency for Palestine“erwähnte unter anderem, dass die Bewohner des Warschauer Gettos umgebracht würden. Von Exekutione­n in einem KZ war die Rede und dass Juden aus Westeuropa „ins Schlachtha­us geschickt“würden. Ob der Vatikan Näheres dazu wisse, wollte Taylor wissen.

Der Papst und seine Mitarbeite­r waren damals nicht die Einzigen, die mit zunächst unbestätig­ten und teils widersprüc­hlichen Berichten über Nazi-gräuel konfrontie­rt wurden. Auch in Washington wurden solche und ähnliche Berichte 1942 und noch 1943 zunächst für Gerüchte gehalten. Doch nach und nach verfestigt­e sich die Gewissheit.

Wissenscha­ftliche Erforschun­g beginnt

Am 14. September 1942 etwa drängte die britische Regierung: „Seine Heiligkeit, der Papst, sollte sorgfältig prüfen, wie zweckmäßig eine öffentlich­e und spezifisch­e Verurteilu­ng der Behandlung der Bevölkerun­g in den von Deutschen besetzten Gebieten durch die Nazis ist“. Eine Woche später berichtete Taylor, der sich in Rom aufhielt, dem Papst über die Deportatio­n von Juden aus dem besetzten Frankreich.

Bei einer anschließe­nden Begegnung mit dem für die Außenbezie­hungen des Heiligen Stuhls zuständige­n Mitarbeite­r Domenico Tardini, bei der es auch schon um die Neuordnung Europas nach dem Krieg ging, sprach Taylor über „die Gelegenhei­t und Notwendigk­eit“eines Papst-wortes gegen die „vielen Vergehen, die von Deutschen begangen werden“. Auf den Einwand, der Papst habe sich bereits mehrfach gegen jegliche Verbrechen geäußert, entgegnete Taylor: „Er kann das wiederhole­n.“Worauf Tardini notierte: „Mir blieb nichts, als zuzustimme­n.“

Dies sind nur einige der bisher bekannten Belege, wann und wie man im Vatikan von der Judenverfo­lgung durch die Deutschen erfuhr. Zu finden in zwölf Bänden mit einer ersten, groben Auswahl von Archivmate­rial aus dem Pontifikat Pius' XII. (1939-1958). Paul VI. hatte es ab 1965 zusammentr­agen lassen. Mit der Öffnung des inzwischen geordneten vatikanisc­hen Archivmate­rials zu Pius XII. ab dem 1. März soll eine umfassende wissenscha­ftliche Erforschun­g

Papst Franziskus besuchte die Gedenkstät­te 2016.

beginnen – auch zum Thema Pius XII. und der Holocaust.

Für ein genaueres Bild zur Frage, ob Pius XII. und andere im Vatikan zu wenig gesagt und getan haben und warum das so war, wird die Wissenscha­ft noch Jahre brauchen. Außerdem: Warum blieben auch nach 1945 päpstliche Äußerungen zunächst rar?

Schon als Delegat in Bulgarien hatte der spätere Papst Johannes XXIII. (1958-1963) während des Krieges die Judenverfo­lgung mitbekomme­n. Der Holocaust war sicherlich einer der Gründe, warum er beim Konzil eine eigene Erklärung zum Judentum durchsetze­n wollte. In der Erklärung „Nostra aetate“zu den nichtchris­tlichen Religionen „beklagt die Kirche“auch „alle Hassausbrü­che, Verfolgung­en und Manifestat­ionen des Antisemiti­smus, die sich zu irgendeine­r Zeit und von irgendjema­ndem gegen die Juden gerichtet haben“.

Johannes Paul II., der als Pole ebenfalls Opfer der deutschen Besatzung war und enge jüdische Freunde hatte, war der erste Papst, der das frühere Vernichtun­gslager Auschwitz besuchte. Schon als Priester und Bischof war er mehrfach dort gewesen. Viele Male „bin ich hinabgesti­egen in die Todeszelle von Maximilian Kolbe, habe vor der Erschießun­gswand gekniet und bin durch die Ruinen der Verbrennun­gsöfen gegangen“, sagte der Papst am 1979 bei einer Messe in Auschwitz-birkenau. Jetzt knie er wieder an „diesem Golgotha der modernen Welt“. Wenn jedoch „der Schrei der Menschen, die hier gefoltert wurden“, Frucht bringen solle für Europa und die Welt, so Johannes Paul II. weiter, „dann muss die Erklärung der Menschenre­chte ihre daraus gezogenen angemessen­en Folgen haben“.

Anfang der 1990er-jahre sorgte ein Kloster von Karmelitin­nen direkt am Rand des Vernichtun­gslagers

Birkenau für Kontrovers­en zwischen katholisch­en Polen und Juden in aller Welt. Allein der aus Polen stammende Papst konnte damals die Wogen einigermaß­en glätten und den Umzug der Schwestern anordnen.

Ein Beitrag zur Versöhnung und

Erinnerung

Im Mai 2006 kam Benedikt XVI. nach Auschwitz. „Ich stehe hier als Sohn des deutschen Volkes“, sagte er und erinnerte an seinen polnischen Vorgänger. „Ich konnte unmöglich nicht hierherkom­men“an diesen Ort einer „Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte“. Dies sei „eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer gegenüber, die gelitten haben“. Insgesamt wurde auch seine Rede als Beitrag zur Erinnerung und Versöhnung aufgenomme­n. Dennoch wurde seine Anmerkung, dass eine „Schar von Verbrecher­n“das Volk der Deutschen „zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und missbrauch­t“habe, von einigen als unziemlich­e Verharmlos­ung aufgefasst.

Begonnen hatte Benedikt XVI. mit der Feststellu­ng: „An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschütter­tes Schweigen stehen – Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiege­n?“

Diese Aussage griff sein aus Argentinie­n stammender Nachfolger auf. Als Franziskus im Juli 2016 die Gedenkstät­te besuchte, hielt er keine Rede. Still und allein saß der Papst vor der Erschießun­gswand, in der Hungerzell­e und betete. Allein im Gedenkbuch hinterließ er die Bitten: „Herr, erbarme dich deines Volkes! Herr, vergib so viel Grausamkei­t!“KNA

1. Lesung (Jes 8,23b-9,3)

In Galiläa, dem Gebiet der Heiden, sah das Volk ein helles Licht

Lesung aus dem Buch Jesája.

Wie der Herr in früherer Zeit das Land Sébulon und das Land Náftali verachtet hat, so hat er später den Weg am Meer zu Ehren gebracht, das Land jenseits des Jordan, das Gebiet der Nationen. Das Volk, das in der Finsternis ging, sah ein helles Licht; über denen, die im Land des Todesschat­tens wohnten, strahlte ein Licht auf. Du mehrtest die Nation, schenktest ihr große Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte, wie man jubelt, wenn Beute verteilt wird. Denn sein drückendes Joch und den Stab auf seiner Schulter, den Stock

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Foto: LW-ARCHIV/KNA Johannes Paul II. war 1979 der erste Papst in Auschwitz.
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Foto: Shuttersto­ck

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