Zwischen Affären und Karriere
Die deutsche Familienministerin Franziska Giffey gilt als die Hoffnung der SPD – aber Glück hat sie gerade nicht
Am Wochenende ist Franziska Giffey erst mal nach Bayern gefahren – für Berliner seit je ein beliebtes Ferienziel. Allerdings macht ein Jahre zurückliegender Urlaub der deutschen Familienministerin gerade ziemlichen Ärger. Und dann war die Sozialdemokratin auch nicht zum Nichtstun im Süden. Erst hat sie Wahlkampf für die bayerischen Genossen gemacht, die im März Kommunalwahl haben. Und dann vielleicht auch in eigener Sache. Denn Giffey wird als Spitzenkandidatin für die Berliner Abgeordnetenhauswahl im Herbst 2021 gehandelt – und damit als nächste Regierende Bürgermeisterin.
Das ist, einerseits, keine Überraschung. Ehe Giffey 2018 Ministerin in Angela Merkels (CDU) viertem Kabinett wurde, war sie Bürgermeisterin von Berlin-neukölln, das längst seinen Ruf als „Problembezirk“weg hat: als Hort der Multikulturalität, als Ziel der Gentrifizierer – und als Heimat krimineller Clans. Dort legte Giffey die Grundlage für ihren Ruf als Macherin und als größte Hoffnung der SPD. Andererseits haben die Sozialdemokraten einen Regierenden in Berlin. Und Michael Müller hat bislang keinerlei Amtsmüdigkeit erkennen lassen.
Giffey indes dürfte sich gerade erschöpfter fühlen, als sie es zeigt. Zum zweiten Mal binnen knapp einem Jahr steckt sie in einer Affäre; die erste hat ihre Karriere definitiv beeinträchtigt – bei der zweiten ist das noch nicht heraus. Denn zunächst geht es um einen Bruch in der Laufbahn ihres Ehemannes. Karsten Giffey, promovierter Tierarzt in Diensten des Landes Berlin, ist im Dezember 2019 vom Verwaltungsgericht aus dem Dienst entfernt worden. Er soll im Jahr 2015 einen Privaturlaub in Zypern als Dienstreise nach Griechenland angemeldet haben – und möglicherweise auch abgerechnet. Sein Arbeitgeber, das Landesamt für Gesundheit und Soziales, eröffnete deshalb ein Disziplinarverfahren; die dafür zuständige Senatsverwaltung für Soziales entschied, Karsten Giffeys Besoldungsstufe herabzusetzen und beantragte das beim Verwaltungsgericht. Das jedoch verhängte die maximal mögliche Sanktion: die Entfernung aus dem Landesdienst.
Franziska Giffey wird als Spdspitzenkandidatin in Berlin gehandelt.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig; in der Welt aber schon. Zunächst berichtete das Onlineportal „businessinsider.de“; inzwischen beschäftigt die Affäre die Berliner Tageszeitungen genauso wie das Regierungsviertel. Franziska Giffey aber schweigt eisern. Ihre Sprecherinnen und Sprecher lässt sie sagen: „Die Ministerin äußert sich nicht zu Angelegenheiten von Familienmitgliedern.“
Dass Giffey einmal gewählte Strategien durchhalten kann, hat sie bei der Überprüfung ihrer Dissertation bewiesen. Nachdem Plagiatsjäger ihr vorwarfen, ihre Arbeit mit den intellektuellen Leistungen anderer „aufgepeppt“zu haben, beantragte sie selbst deren Überprüfung – und kündigte an, sollte sie ihren Doktortitel verlieren, werde sie zurücktreten. Außerdem, ließ sie wissen, hindere sie das laufende Verfahren an einer Kandidatur für den Parteivorsitz. Die Freie Universität Berlin hielt nach achtmonatiger Prüfung den Entzug des Titels für unverhältnismäßig – und erteilte stattdessen eine Rüge.
Giffey schweigt
Es gibt Spitzengenossen, die nun sagen, die Affäre ihres Ehemannes habe Giffey härter getroffen als ihre eigene. Dass Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) sich bohrende Fragen gefallen lassen muss, weshalb sie in Sachen Karsten Giffey nicht die Staatsanwaltschaft eingeschaltet habe, stattdessen aber ihren Regierungschef Michael Müller informierte – muss Giffey nicht berühren. Dass manche aber sagen, genau dieses Vorgehen
Breitenbachs belege die politische Dimension der Affäre: Darüber kann und darf Giffey nicht hinweghören. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Karsten Giffey wegen Betrugs. Das ist zum einen ein Offizialdelikt – zum anderen liegt laut dem Sprecher der Behörde nun auch eine Strafanzeige vor, die aber nicht von der Senatsverwaltung stammt.
Was Franziska Giffey wusste oder auch nicht, könnte am Ende ein Strafgericht wissen wollen; als Ehefrau aber müsste sie nicht aussagen. Die „Berliner Morgenpost“spekulierte jüngst über den Zustand der Ehe – als ginge der die Öffentlichkeit etwas an. In der Bundes-spd hofft man, den Berlinern werde das weniger wichtig sein als ob jemand es ernst meine mit der Stadt; und das, heißt es, stehe bei Giffey fest. In Bayern hat Giffey die Berliner Spd-abgeordneten getroffen, die in Nürnberg in Klausur waren. Man kann das für einen Sondierungsbesuch halten. Oder für Wahlkampf. Wenn sie im Herbst 2021 Spitzenkandidatin sein wolle, heißt es, müsse Giffey in diesem Mai für den Landesvorsitz kandidieren. Ob sie das möchte? Giffey schweigt.