Das Unfassbare zeigen
Holocaust als schmerzhaftes, doch notwendiges Kapitel Filmgeschichte
75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitzbirkenau, das geradezu Synonym der gewissenlos-industriellen Tötungsmaschinerie der Nazis ist, erinnert sich die Welt an das undenkbare Grauen der Schoah.
Doch gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden Filmschaffende weltweit durch den Holocaust, dessen hässliche Fratze langsam immer klarer erkennbar ist, vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt: Das Unfassbare auf der großen Leinwand und später dem kleinen Bildschirm des Fernsehers zu zeigen. (1954, F) durch eine Mischung aus Schwarz-weiß-zeitdokumenten und Aufnahmen in Farbe, die Resnais in Auschwitz und Majdanek dreht, eine der markantesten Dokumentationen über den Holocaust, die in Frankreich Jahrzehnte lang zum Standardwerk für eine schulische Thematisierung dient.
Für den Text des Films zeichnet Jean Cayrol, ehemaliger Häftling des KZ Mauthausen verantwortlich. „Toute la force du film réside dans le ton adopté par les auteurs: une douceur terrifiante. On sort de là ravagé, confus et pas très content de soi“, fasst Regisseur François Truffaut 1956 diese inhärente Stärke des Films in seiner „Cahiers du cinéma“-kritik zusammen.
Der Skandalträchtige
„L’homme qui décide à ce moment de faire un travelling avant pour recadrer le cadavre en contre-plongée, en prenant soin d’inscrire exactement la main levée dans un angle de son cadrage final, cet homme n’a droit qu’au plus profond mépris“, empört sich in den „Cahiers du Cinéma“Filmkritiker Jacques Rivette 1961 in seinem flammenden Beitrag „De l’abjection“über „Kapò“(1959, F/I/YU) des Italieners Gillo Pontecorvo, der die Geschichte der jungen Jüdin Edith erzählt, die, um zu überleben, selbst zum Kapo, zur Aufsichtsperson über ihre Mitgefangenen wird.
Wie weit ein Filmemacher in seiner Darstellung des Holocausts gehen kann bzw. darf ohne in Voyeurismus zu verfallen wird hier erstmals als grundlegende Frage der Moral öffentlich zur Sprache gebracht und diskutiert.
Der Popularisierende
„Unwahr, beleidigend, billig: als Fernseh-produktion ist dieser Film eine Frechheit für die, die gestorben sind, und für die, die überlebt haben“, empörte sich der Holocaust-überlebende Elie Wiesel in einem Beitrag in „The New York Times“über die 1978er-us-fernsehproduktion „Holocaust“(USA) von Marvin J. Chomsk.
Trotz aller Romantisierung hat der Tv-vierteiler, der dieses dunkle Kapitel der Menschheitsgeschichte durch die Figuren der jüdischen Familie Weiss und der deutschen Dorfs, u. a. verkörpert durch bekannte Schauspieler wie James Woods, Meryl Streep oder Michael Moriarty, erzählt, den Verdienst den für viel Menschen abstrakt anmutenden Begriff „Holocaust“aus den Geschichtsbüchern heraus in die Realität des Alltags zahlloser Wohnzimmer zu bringen.
Der Ausführliche
Nahezu 570 Minuten lang lässt der französische Filmemacher Claude Lanzmann in seinem Monumentalwerk
„Shoah“(F/UK) aus dem Jahr 1985, an dem er ab 1974 zwölf Jahre lang arbeitete, Überlebende des Holocausts ebenso wie Täter, Augenzeugen und Historiker zu Wort kommen.
Ihm gelingt so nicht nur eine eingängige und zudem gänzlich andere Art der Aufarbeitung, sondern auch eine formale Tour de Force: einen Film über den Holocaust zu realisieren, ohne dabei Zeitdokumente zu benutzen.
Lanzmanns Filmrohmaterial – 185 Stunden Interviews und 35 Stunden Drehortsaufnahmen – ist seit 1996 in den Beständen des United States Holocaust Memorial Museum und der Gedenkstätte Yad Vashem aufbewahrt, die sie allen Nutzern digital zugänglich gemacht haben.
Das (Alb-)traumfabrik-projekt
Überaus kritisch – als „kitschiges Melodrama“– äußert sich Lanzmann derweil über das Projekt mit dem sich 1993 der Blockbustergarant und Meister der Traumfabrik, Steven Spielberg höchstpersönlich, des Holocaust annimmt.
Auf Thomas Kenneallys mit einem Booker-prize ausgezeichneten „Schindler’s Ark, the Story of Oskar Schindler’s“basierend, erzählt „Schindler’s List“(USA) wie der deutsche Industrielle Oskar Schindler Hunderten Juden das Leben rettete, indem er sie in seiner Fabrik beschäftigte. Der – abgesehen von einem kleinen Mädchen in blutrotem Mantel – in für Hollywood zu der Zeit ungewohnter Schwarz-weiß-optik gedrehte Film schlägt nicht nur künstlerisch Wellen: 1994 gründet Steven