Schützen, schätzen, vernetzen
Kulturministerium unterstützt Vereinigung mit 50 000 Euro zur Schaffung eines Zentrums für Industriegeschichte
Tetingen. Luxemburgs ehemalige Industriestätten erleben ihren zweiten Frühling. Spätestens seitdem Esch und die Südregion als Austragungsort für das europäische Kulturjahr 2022 feststehen, sind die Industriebrachen und alten Zeitzeugen der Industriekultur mehr denn je in den Fokus des Interesses gerückt. Mit der Schaffung des Centre national de culture industrielle (CNCI) wird ihnen einmal mehr Bedeutung zugemessen.
In der Schungfabrik in Tetingen unterschrieben gestern die Kulturministerin Sam Tanson und die Vorsitzenden der Vereinigung „Industriekultur – Centre national de culture industrielle“(IK-CNCI), Marlène Kreins und Misch Feinen, eine Konvention. Mit einer Subvention von 50 000 Euro unterstützt das Kulturministerium die Vereinigung hinsichtlich ihrer Bestrebungen, ein nationales Zentrum für Industriekultur zu schaffen.
Die im Juni 2019 gegründete Vereinigung, die sich für den Erhalt und die Neunutzung alter Industriegebäude und -gelände einsetzt, geht aus der Arbeitsgruppe „Eise Stol“hervor. Letztere hatte bereits mit der Vortragsserie „Hallzweneed“auf die vielseitige Entwicklung von Brachen aufmerksam gemacht. Folglich hatte die IK-CNCI vom Kulturministerium den Auftrag bekommen, ein Konzept für das CNCI zu entwickeln.
„Anfang Januar haben wir dieses der Ministerin überreicht. Dem vorausgegangen waren Treffen mit unterschiedlichen Akteuren, die sich seit Jahrzehnten für Luxemburgs industrielles Erbe einsetzen. Die Vernetzung der bestehenden Vereinigungen, Museen, Institutionen, Fördervereinen sowie das Miteinbeziehen von Privatpersonen, die das Industriegut seit jeher hochhalten und wertschätzen, spielt kurzfristig eine tragende Rolle. Erst mittel- bis langfristig gilt es, einen Standort für ein Hauptquartier zu definieren“, unterstreicht die Co-präsidentin der Vereinigung, Marlène Kreins.
Dem schließt sich auch die Kulturministerin an: „Ein Hauptsitz ist mit Sicherheit von Bedeutung, aber er ist vorerst zweitrangig. Es gilt, sich an erster Stelle um die Vernetzung bestehender Initiativen zu kümmern, sich nach deren Bedürfnissen zu erkundigen und ihnen Mittel für eine Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen“, so Sam Tanson. Sie erinnerte daran, dass sich diese Bemühungen in Hinblick auf Esch 2022 vorerst auf den Süden des Landes konzentrieren, späterhin aber landesweit erfolgen sollen.
Bevor also von einem nationalem Zentrum die Rede sein kann, sollte vorerst von einem Netzwerk gesprochen werden – einem dezentralisierten Netzwerk, dessen physische Hauptanlaufstelle erst mittelfristig geschaffen werden soll. Es gilt daran zu erinnern, dass bereits 2004 ein Konzeptpapier für ein CNCI ausgearbeitet worden war. Sogar ein Gesetzesentwurf war von der damaligen Regierung vorgelegt worden. Wegen fehlender finanzieller Mittel war das Vorhaben aber auf Eis gelegt worden.
Industriearchiv erstellen
Das neue Konzept beinhaltet derweilen einen wichtigen pädagogischen Aspekt. „Die kommenden Generationen sollen erfahren, wie die Minetteregion sich im Laufe der Jahre entwickelt hat und welche Bedeutung die Eisenerzindustrie für das Land hatte“, betont Co-präsident Misch Feinen.
In diesem Zusammenhang weist er auf die Schaffung eines Industriearchivs hin. Das Sammeln und Bündeln von Archivmaterial, Dokumenten und Zeitzeugnissen – seien sie materieller oder immaterieller Natur – seien unabdinglich. Es sei jedoch ein Prozess, der sich über Jahre hinziehe. Im Übrigen wird eine Zusammenarbeit mit dem ORT-SÜD angestrebt. Neben der Einrichtung eines Besucherzentrums soll das Netzwerk der Industriestätten auch die notwendige Visibilität bekommen.
Sowohl die Kandidatur der Minetteregion für das Unescolabel „Man and Biosphere“als auch Esch 2022, der Minett-trail und das CNCI sind allesamt Initiativen, die sich in die Bemühungen von lokalen und nationalen Akteuren einreihen, um die Vorzüge der Minetteregion hervorzuheben und ihre Identität zu stärken.