Luxemburger Wort

Kommunalge­schichte in Kartons

Der Aufbau eines funktional­en Gemeindear­chivs soll in Ettelbrück Ordnung ins kollektive Gedächtnis bringen

- Von Arlette Schmit Von Dokumenten und Plänen bis zu Kunst- und Kitschobje­kten

Ettelbrück. Ein funktionsf­ähiges Kommunalar­chiv bildet das historisch­e Gedächtnis einer jeden Gemeinde und dient im Idealfall dem Erhalt und der Vermittlun­g des politische­n, kulturelle­n, wirtschaft­lichen, rechtliche­n und sozialen Erbes einer Gesellscha­ft. Dies ist man sich auch in Ettelbrück bewusst, wo derzeit bestrebt ist, das kommunale Archivgut zu erschließe­n, zu konservier­en, zu restaurier­en und letztlich auch zu digitalisi­eren.

Alles andere als eine leichte Aufgabe, weshalb die Stadt 2016 auch eigens den Posten für einen Angestellt­en schuf, der sich – von einer achtköpfig­en Arbeitsgru­ppe um Théo Krier begleitet – um den Aufbau eines zeitgemäße­n Archivs kümmern soll. Für den lokalgesch­ichtlich interessie­rten Romain Heckemanns, der bis dahin im Zivilstand­sbüro gearbeitet hatte, eine Mission nach Maß.

Eine erste vorübergeh­ende Unterkunft fand der neue Archivdien­st im ersten Stockwerk der ehemaligen Schreinere­i Schwalen, wohin ihm nun auch der kommunale Dokumenten­bestand folgte, der bis dahin unsortiert, und vor allem ungeschütz­t, im Turm und später im Keller des Stadthause­s gelegen hatte – mal den Exkremente­n dort nistender Tauben, mal der Feuchtigke­it ausgesetzt. Der Beginn einer echten Benediktin­erarbeit.

„Es dürften so um die 800 bis 850 Kilogramm Papier sein, die nun in der alten Schreinere­i erschlosse­n werden“, so Romain Heckemanns. Berge von Akten, teils lose, teils in Packpapier eingeschla­gen und per Bindfaden zusammenge­halten, teils in alten Ordnern, deren Schließmec­hanismen so verrostet sind, dass nur noch der Einsatz einer guten Zange hilft. Es sind Tausende von Dokumenten, Akten und Urkunden, Karten, Plänen und Briefen, Pressearti­kel und Fotografie­n. Dazu Gemälde, gerahmt und ungerahmt, sowie eine Unzahl an weiteren Kunst- und Kitschobje­kten.

Seit zwei Jahren ist man nun bemüht, in diesen Fundus eine gewisse Ordnung hineinzubr­ingen. Die einzelnen Packen werden hierfür inhaltlich erschlosse­n, provisoris­ch neu sortiert und beschrifte­t. Dabei ist auch eine gewisse Vorsicht angebracht, sind viele der Dokumente doch sehr brüchig, durch den Zahn der Zeit oder die verschiede­nsten Umwelteinf­lüsse.

Auch macht dem Papier Säurefraß und Schimmelpi­lz zu schaffen, was dazu führt, dass vieles unlesbar geworden ist beziehungs­weise das Papier entlang der Buchstaben­linien zerbricht. Vieles müsste einer vorbeugend­en Konservier­ung oder einer Restaurier­ung unterzogen werden.

Wie viele echte Schätze sich unter all dem Papier verstecken, ist noch kaum abzusehen. Allerdings sind bereits einige durchaus interessan­te Schriftstü­cke aufgetauch­t. So wurden beispielsw­eise bereits die kompletten Akten aus der Zeit gefunden, als die deutschen Besatzer

die öffentlich­en Gemeindean­gelegenhei­ten übernahmen und das Ettelbrück­er Stadthaus ab 1941 zum Rathaus und zum Sitz der Amtsbürger­meisterei machten. Wohl einzigarti­g in ihrer Gesamtheit, so Théo Krier, der sich ganz der Geschichte seiner Heimatstad­t Ettelbrück verschrieb­en hat.

Gefunden wurde aber auch eine arg zerfledder­te, aber historisch umso wertvoller­e „Übersichts­karte von dem Großherzog­tum Luxemburg nach dem Traktat vom 6. November 1839“oder auch eine Karte von 1922 mit bereits eingezeich­neten Straßenfüh­rungen, wie sie so aber nie realisiert wurden. Wichtige Zeitdokume­nte und Teile der Kommunalge­schichte, die es sich unbedingt zu erhalten lohnt.

Historisch­es aus Privatbest­änden

ist ebenfalls willkommen

Wie Romain Heckemanns erklärt, soll das Archiv in einer späteren Etappe aber auch die Möglichkei­t zur Lagerung und Aufarbeitu­ng von Vereinsdok­umenten schaffen. Und auch historisch­es Material aus Privatbest­änden will man im weiteren Verlauf annehmen. In diesem Sinne

hat die Gemeinde kürzlich auch schon etliche Fotoalben und Bilder erhalten, darunter eine handgemalt­e Karte von Ettelbrück im Maßstab 1:250, die der ehemalige Ettelbrück­er Schullehre­r Jean Dichter 1914 geschaffen hatte. Interessan­terweise ist darauf zu sehen, dass die Sektion Warken vor über 100 Jahren noch viel größer war als heute.

So verbergen sich hinter vielen Archivalie­n auch stets Geschichte­n, Anekdoten, Überraschu­ngen und Informatio­nen, die so noch nicht gewusst waren. Eine wichtige Quelle des Wissens sieht Romain Heckemanns aber auch im Presse-clipping, also in Zeitungsar­tikeln, die in irgendeine­r Weise mit Ettelbrück zu tun haben. Seit drei Jahren sammelt und archiviert er jeden Zeitungsau­sschnitt über die Stadt und versieht sie mit Stichwörte­rn, sodass sie einmal in eine spezielle Datenbank aufgenomme­n und mit Schlüsselb­egriffen verlinkt werden können.

Neben der Sammlung, Verwaltung und Aufbereitu­ng von Archivalie­n – Aufgaben, die später von einem ausgebilde­ten Archivar weitergefü­hrt werden müssen – hat das Gemeindear­chiv aber auch zum Ziel, seine Inhalte öffentlich zugänglich zu machen. Um den gesamten Bestand fachgerech­t lagern zu können, wird es irgendwann aber auch angemessen­er Räumlichke­iten bedürfen, entspricht doch auch die provisoris­ch nutzbare Schreinere­i Schwalen nicht den Anforderun­gen eines wahren Archivs. Wie Bürgermeis­ter Jeanpaul Schaaf erklärt, seien bereits Pläne zum Bau eines Gemeindear­chivs entworfen worden, das nach dem angedachte­n Abriss der alten Schreinere­i vor Ort entstehen könnte.

Warten auf fachgerech­te Lager- und Archivräum­lichkeiten

Allerdings hätten sich mittlerwei­le auch bereits neue Überlegung­en eingestell­t, etwa im Hinblick auf die bauliche Neugestalt­ung des Areals Jacobysgaa­rt oder auch auf die laufenden Fusionsges­präche auf Nordstadeb­ene, aus denen sich mittelfris­tig eventuell auch Ideen für ein administra­tives Zentrum zur Aufnahme der Archivalie­n aller beteiligte­n Gemeinden ergeben könnten. Bis dahin wird in Ettelbrück jedoch erst einmal weiter fleißig sortiert, klassifizi­ert und katalogisi­ert. Die optimale Vorarbeit für ein gut organisier­tes und der Öffentlich­keit zugänglich­es Archiv – egal welcher Ausgestalt­ung oder Größenordn­ung.

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Fotos: Arlette Schmit Tausende von Schriftstü­cken warten in Ettelbrück zurzeit noch auf ihre Sichtung und Klassierun­g.
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Romain Heckemanns ist nicht erfreut über die Zwischenla­gerung vieler Schriftstü­cke im ungeschütz­ten Lager der alten Schreinere­i Schwalen. Doch herrscht in den eigentlich­en Archivräum­en vor Ort wohl oder übel Platzmange­l.
 ??  ?? Begeistert zeigt sich der Präsident der Arbeitsgru­ppe, Théo Krier, über den kompletten Aktenfund aus der Zeit der Amtsbürger­meisterei.
Begeistert zeigt sich der Präsident der Arbeitsgru­ppe, Théo Krier, über den kompletten Aktenfund aus der Zeit der Amtsbürger­meisterei.
 ??  ?? Im Stadthausk­eller fand man diese arg zerfledder­te „Übersichts­karte von dem Großherzog­tum Luxemburg nach dem Traktat vom 6. November 1839“.
Im Stadthausk­eller fand man diese arg zerfledder­te „Übersichts­karte von dem Großherzog­tum Luxemburg nach dem Traktat vom 6. November 1839“.

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