Ein rätselhafter Schnupfen
Kater Samson wird zur Sprechstunde gebracht, weil er seit Langem Niesanfälle hat, die bisher jedem Behandlungsversuch getrotzt haben. Mittlerweile ist der Kater ganz dünn geworden, weil er, wie alle Katzen, Futter, das er nicht riechen und schmecken kann, konsequent verschmäht. Nasenausfluss hatte Samson zunächst nicht produziert, lediglich dramatische, nicht recht zu lokalisierende Nasengeräusche, die sich manchmal auch als Husten interpretieren ließen. Dann trat zunächst nur aus einem, dann aus beiden Nasenlöchern eitrig-blutiges Sekret hervor, das sich mit entzündungshemmenden, antibiotischen Injektionen zurückbildete, um sich dann wieder umso stärker einzustellen. Ein Schnupfen bei Samtpfoten lässt nicht sofort auf die Diagnose Katzenschnupfen schließen. Letzterer, auch Rhinotracheitis infectiosa felis genannt, ist ein eigenständiger Begriff für eine durch Viren (vor allem die in den Impfungen abgedeckten Feline-herpes- und
Calici-viren), aber auch durch Chlamydien verursachte, schwer verlaufende Erkrankung, die sich in einer massiven Entzündung der Atemwege sowie der Bindehäute äußert. Samsons Augen waren ohne pathologischen Befund, klar und ohne Tränenfluss, sodass bei ihm ein Katzenschnupfen ausgeschlossen werden konnte. Anders als bei Menschen ist Schnupfen bei Katzen immer ein ernst zu nehmendes Symptom, das auf verschiedene Erkrankungen hinweisen kann. Missbildungen der Nase oder des Oberkiefers, wie etwa Gaumenspalten oder Entzündungen im Bereich des Schädels, können sich derart manifestieren. Nasenfremdkörper, Zahnerkrankungen, Knochenbrüche sowie gewisse Verletzungen werden oft durch hartnäckigen, sonst untypischen Schnupfen offenbar. Samson hatte, wie durch Röntgenaufnahmen sichtbar wurde, an den Wurzeln der oberen Eckzähne schwere Abszesse. Die Entzündungsprozesse der Wurzelspitzen hatten bereits so viel Knochengewebe abgebaut, dass es im Oberkiefer zu Durchbrüchen in die Nasenhöhle (oronasale Fisteln) gekommen war. Die Extraktion der kranken Zähne war unvermeidbar geworden. Da bei einer Laboranalyse des Wurzelmaterials auch eine Pilzinfektion gefunden wurde, musste der Kater zudem über einen Monat täglich ein Antimykotikum in Pillenform einnehmen.