Staatschef und Ehemann
Die Pressemitteilung von Großherzog Henri wirft eine ganze Reihe von Fragen auf
Wenn man die geltende Verfassung wortwörtlich auslegt, verfügt der Großherzog als Staatschef über eine große Machtfülle. Unter anderem ernennt und entlässt er die Minister. Er ernennt auch die Richter und die Urteile ergehen in seinem Namen. Er erlässt die Gesetze und er hat das Recht, das Parlament aufzulösen. Der Großherzog durchbricht also, bei enger Auslegung, die Gewaltentrennung und greift sowohl in die Exekutive als auch in die Judikative und in die Legislative ein.
Im dritten Kapitel des Grundgesetzes heißt es: „La puissance souveraine réside dans la Nation. Le Grand-duc l'exerce conformément à la présente Constitution et aux lois du pays.“In Artikel 32 steht aber auch, dass der Großherzog keine anderen Rechte hat, als diejenigen, die ihm das Grundgesetz und die darauf basierenden Gesetze zugestehen.
Die aktuelle Verfassung stammt aus dem Jahr 1868, datiert also in eine Zeit, in der der Monarch noch über sehr viel Macht verfügte. Doch allmächtig ist der Großherzog längst nicht mehr. Dafür sorgt unter anderem Artikel 45: „Les dispositions du Grand-duc doivent être contresignées par un membre du Gouvernement responsable.“„Im Klartext bedeutet dies, dass der Großherzog ohne die Zustimmung der jeweiligen Regierung nichts tun darf. Ohne die Gegenzeichnung eines Regierungsmitglieds sind dem Staatschef die Hände gebunden“, erklärt der Verfassungsexperte Paul-henri Meyers. Der Artikel 45 geht auf das Jahr 1989 zurück.
Keine Verantwortung
Meyers verweist auch auf Artikel 4. Der Satz, „La personne du
Grand-duc est inviolable“schreibe nicht nur die Unantastbarkeit des Staatschefs fest. Die Passage bedeute auch, dass der Großherzog keine Verantwortung übernehmen muss. „Die Verantwortung liegt immer bei der Regierung“, erklärt der Verfassungsexperte. Daher habe der Großherzog auch keine Macht: „Der Staatschef und die Regierung bilden zusammen die Exekutive.“Bei der geplanten Verfassungsreform soll die Rolle des Großherzogs zwar neu definiert werden, doch an dieser Passage wird sich nichts ändern.
Öffentlich oder privat
Vor diesem Hintergrund spielt die Mitteilung, die Großherzog Henri am Montag im Zusammenhang mit den Diskussionen um den Waringo-bericht an die Medien verschickt hatte. Die Botschaft kam vom Pressedienst der Cour Grandducale, allerdings auf neutralem Papier ohne Wappen. Es stellt sich daher die Frage, ob die Botschaft sich im Rahmen der Verfassung bewegt oder nicht. Laut Artikel 45 hätte der Text mit der Regierung abgesprochen werden müssen. Das war aber anscheinend nicht der Fall. Denn auf Nachfrage erklärte die Pressesprecherin von Premierminister Xavier Bettel (DP), dass es sich „offensichtlich um eine private Botschaft“gehandelt habe, dass der Großherzog nicht „staatsvertretend“kommuniziert habe und dass der Premierminister folglich nicht informiert werden musste. Stellt sich die Frage, ob der Staatschef als Privatperson kommunizieren darf oder nicht.
Es bleibt auch zu klären, ob die Botschaft wirklich rein privaten Charakter hat. Die ersten Absätze legen diesen Schluss in der Tat nahe. Doch einige Sätze lassen aufhorchen. „Zënter dem Trounwiessel wëlle mir zesummen zur Moderniséierung vun eiser konstitutioneller Monarchie bäidroen a mir wëllen op dësem Wee weiderfueren.“Auch der letzte Satz deutet darauf hin, dass wohl eher der Staatschef spricht: „Mir wäerte weiderhin Iech déngen, fir Iech do sinn a fir Lëtzebuerg.“Wenn er aber in seiner Eigenschaft als Staatschef kommuniziert, hätte Großherzog Henri laut Verfassung die Regierung vorab informieren müssen.
Ohne offizielle Funktion
Die Diskussionen, die Premier Bettel veranlasst hatten, einen Bericht über die Personalpolitik und das Finanzgebaren bei Hofe erstellen zu lassen, machen sich hauptsächlich an der Person von Großherzogin Maria Teresa fest. Die Funktion oder den Titel einer Großherzogin kennt die Verfassung allerdings nicht. Offiziell gibt es also keine Großherzogin.
Auch das Haushaltsgesetz sieht keinen speziellen Posten für die Ehefrau des Großherzogs vor. Im Budget sind neben den generellen Personalkosten für die Cour Grand-ducale (7 740 923 Euro), den Funktionskosten (726 000 Euro) und der persönlichen Aufwandsentschädigung (liste civile, 1 241 590 Euro) lediglich Posten für die Repräsentationspflichten des Staatschefs (744 000 Euro) und des Erbgroßherzogs (166 000 Euro) vorgesehen. Insgesamt erhält der Großherzogliche Hof in diesem Jahr öffentliche Gelder in Höhe von 10,6 Millionen Euro.