Deutsch-österreichische Allianz
AFD und FPÖ beschwören nicht nur ihre Zusammenarbeit, sondern auch eine besondere Verbundenheit der beiden Staaten
Es gab eine Zeit, da wusste Herbert Kickl, dass es mit ihm aufwärts gehen würde. Dass er ganz sicher mehr erreichen würde im Leben als für Jörg Haider Tee zu kochen. So nämlich soll das politische Avancement des Herbert Kickl begonnen haben.
Aktuell, das steht fest, hat die Karriere einen Knick. Es macht schon einen Unterschied, ob man Innenminister der Republik Österreich ist – oder Klubobmann der Freiheitlichen Partei im Nationalrat in Wien. Das klingt zwar nach weniger als es ist – weil ein österreichischer Klub einer deutschen Fraktion entspricht. Aber bis zum vergangenen Mai hätte Kickl bei einem Besuch in Berlin Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) getroffen. Jetzt empfangen ihn nur noch Chef und Chefin der AFD im Bundestag, Alexander Gauland und Alice Weidel. Zu einem „interparlamentarischen Austausch“. Schwerpunkt, offiziell: „Grenzschutz in Europa“.
Die Forderung, Europa abzuschotten gegen Flüchtlinge und überhaupt gegen Migranten, hat im Herbst 2017 binnen drei Wochen in Deutschland die AFD aus dem Stand zur größten Oppositionspartei gemacht – und in Österreich die FPÖ in die Regierung gebracht. Am 18. Dezember 2017 wurde Kickl Innenminister – am 22. Mai 2019, als erster Minister der Zweiten österreichischen Republik überhaupt, schon wieder aus dem Amt entlassen. Anlass war die sogenannte Ibiza-affäre.
FPÖ-CHEF Heinz-christian Strache hatte – noch ehe die FPÖ zum Regieren kam – einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte für verdeckte Parteispenden fette Staatsaufträge in Aussicht gestellt. Als „Spiegel“und „Süddeutsche“darüber anhand eines heimlich aufgenommenen Videos dieses Treffens auf der Kanareninsel berichteten – platzte erst die Övp/fpö-koalition. Und dann implodierte die Fpö-spitze. Strache, wegen Ibiza schon als Vorsitzender entmachtet, wurde – auch wegen einer zusätzlichen Affäre um üppige Spesen auf Parteikosten – ganz ausgeschlossen. Kickl wäre ihm gern als Chef nachgefolgt; aber die Partei wollte lieber den geschmeidigeren Norbert Hofer an der Spitze – und machte ihn zum stellvertretenden Chef.
Ruf als rechter Scharfmacher
Macht also hat Kickl immer noch. Und auch einen, vorsichtig formuliert, speziellen Ruf als rechter Scharfmacher. Er hat ihn sich redlich erarbeitet. Für Haider erfand er Sätze wie den über den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant: „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben?“Und für die Partei Wahlslogans à la „Daham statt Islam“und „Mehr Mut für unser Wiener Blut“. Als Innenminister befand er, „dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht“. Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Existenz des Bündnisses mit der FPÖ an die Kündigung für Kickl knüpfte, hat mehr mit diesem Rechtsstaatsverständnis zu tun – und erst danach mit Ibiza.
Nun, ein Dreivierteljahr später, sitzt Kickl im zweitschönsten Konferenzraum des Bundestags mit Brillanzblick auf das Reichstagsgebäude und doziert über den „Schutz der Meinungsfreiheit und der Rede- und Versammlungsfreiheit“. „Für alle“, sagt er und: „Ich wiederhole, für alle.“Es folgt eine der auch von der AFD gerne gebrauchten Opfer-erzählungen.
Für die Linke seien all diese Grundrechte „ohnehin gegeben“, so Kickl. Aber er sehe da in Deutschland „totalitäre Muster, eine politisch missliebige Kraft kleinzuhalten und zu unterdrücken“. Und Kickl setzt noch einen drauf: In Deutschland wie in Österreich gebe es „eine Art Staatsdoktrin: Du darfst nichts und niemanden diskriminieren – außer die FPÖ und die AFD.“
Was Wunder, dass Kickl befindet, es sei geradezu „eine Verpflichtung für unsere beiden Parteien, den Schulterschluss zu suchen“. Und dass Gauland ergänzt:
„Zwei sind immer stärker als einer allein“– und die deutsch-österreichische Allianz als eine natürliche preist, „weil wir kulturell, politisch und sprachlich im Grunde genommen eins sind“.
Auf Aufmerksamkeit angewiesen 82 Jahre nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an Nazideutschland kann man das für eine Provokation halten. Kickl aber revanchiert sich, indem er der EU Untätigkeit in Sachen Migration bescheinigt und bedauert, dass er als Innenminister nicht „Frau Weidel“zur Kollegin gehabt habe. Horst Seehofer nämlich sei „der größte Wackelkandidat“gewesen „weil er immer Angst hatte vor einem Vertragsverletzungsverfahren“. Als Ex-minister in der Opposition hat man derlei Sticheleien gratis; sie können ja keine Krisen heraufbeschwören. Aber vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit erzeugen. Das, sagt Kickl, sei ihm wichtig. Mehr – das sagt er nicht – ist für ihn, die FPÖ und die AFD gerade auch nicht drin.