Griechenland probt neue Asylpolitik
Athen will Nicht-schutzbedürftige zügiger als bisher in die Türkei abschieben – Verfahren werden beschleunigt
Ihr Ziel war Kos: In zwei Schlauchbooten brachten Schleuser am vergangenen Wochenende 55 Migranten von der türkischen Küste auf die nur fünf Kilometer entfernte griechische Ägäisinsel. Damit, so hatten die Menschenschmuggler den Migranten versprochen, seien sie in der Europäischen Union. Doch zumindest einige der Schutzsuchenden könnten schon bald wieder in der Türkei enden. Denn auf Kos läuft jetzt ein Pilotprogramm: Die Regierung testet hier ihre neue Asylpolitik. Sie sieht vor, dass die Asylverfahren beschleunigt und abgelehnte Bewerber zügig in die Türkei zurückgeschickt werden, wie es der vor fast vier Jahren mit Ankara geschlossene Flüchtlingspakt vorsieht.
Am vergangenen Wochenende besuchte der neue Migrationsminister Notis Mitarakis die Insel, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Kos ist eine von fünf Ägäisinseln, auf denen es sogenannte Hotspots gibt, Aufnahmelager, in denen die aus der Türkei kommenden Migranten registriert werden. Sie müssen auf den Inseln so lange
Ein Kind in Flüchtlingslager Moria auf Lesbos: Die Asylverfahren sollen beschleunigt und abgelehnte Bewerber zügig in die Türkei zurückgeschickt werden. ausharren, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Weil sich die Verfahren aber jahrelang hinziehen können, sind die Insellager inzwischen hoffnungslos überfüllt. Sie sind für rund 8 000 Bewohner ausgelegt, beherbergen aber fast 42 000 Menschen. Wegen der schleppenden Asylverfahren kommen bisher auch die Rückführungen in die Türkei nicht voran. Seit Inkrafttreten des Flüchtlingsdeals am 20. März 2016 haben die griechischen Behörden nur 1992 Migranten in die Türkei zurückgeschickt, davon 189 im vergangenen Jahr.
Abschreckende Wirkung erwartet Das zum 1. Januar in Kraft getretene neue griechische Asylrecht sieht eine Straffung der Verfahren vor. Die Bearbeitung wird beschleunigt, Einspruchsmöglichkeiten werden eingeschränkt. Wie das funktioniert, will Minister Mitarakis jetzt auf Kos demonstrieren: Er wies die örtliche Asylbehörde an, binnen 25 Tagen zu klären, ob die am Wochenende eingetroffenen Migranten schutzbedürftig sind oder nicht. Bis zum Abschluss der Verfahren werden die Asylsuchenden in einem geschlossenen Lager festgehalten. Abgelehnte Bewerber sollen dann sofort in die Türkei zurückgebracht werden. Davon verspricht sich Minister Mitarakis auch eine abschreckende Wirkung auf jene, die jetzt noch an der türkischen
Küste sind und eine Überfahrt nach Griechenland erwägen.
Auch auf den anderen vier Flüchtlingsinseln Samos, Chios, Lesbos und Leros will die Regierung geschlossene Lager bauen, in denen die neu ankommenden Migranten auf die Asylbescheide und, bei Ablehnung, auf ihre Abschiebung warten müssen. Damit soll verhindert werden, dass abgelehnte Asylbewerber einfach untertauchen, wie es bisher häufig der Fall war. Menschenrechtsgruppen kritisieren allerdings die neuen Verfahren: Die Beschleunigung der Asylverfahren und die Einschränkung der Einspruchsmöglichkeiten könnten dazu führen, dass die einzelnen Fälle nicht mehr sorgfältig genug geprüft werden. Mit der Inhaftierung in geschlossenen Lagern werde außerdem der Zugang der Asylbewerber zu Anwälten erschwert, so ein weiterer Kritikpunkt.
Ob die neue Politik funktioniert, wird auch davon abhängen, ob die Türkei die abgelehnten Asylbewerber wirklich zurücknimmt. Angesichts der jüngsten Spannungen im griechisch-türkischen Verhältnis ist das nicht sicher.
Tessy Fautsch ist sei 2006 für MSF tätig.
Wenn so viele Menschen zusammenwohnen, für deren Unterbringung man ihren Herkunftsort nicht berücksichtigen konnte, kann dies zu Spannungen führen. Diese entstehen auch, wenn nicht jeder einer Arbeit nachgeht und deswegen viel Freizeit hat. Und diejenigen, die Probleme zu Hause hatten, haben diese mitgebracht ...
Gibt es auch Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung?
Es geht um Ressourcenverteilung. Plantagen sind nicht viele verschwunden, weil sich vorher dort ein Naturreservat befand. Die Bangladescher werfen den Rohingya eher vor, dass sie ihnen die Jobs wegnähmen. Was immer etwas subjektiv ist, denn es sind zurzeit über 120 medizinische NGOS dort aktiv, und noch andere NGOS. Es gibt also sehr viel Arbeit. Für MSF arbeitet beispielsweise kein Rohingya-arzt, sondern Leute aus Bangladesch. Aber das sind nicht unbedingt Einheimische, da in dem nächstgelegenen Dorf die Bildung nicht sehr
hoch ist. Unsere Fahrer, Sicherheitsleute, Reinigungskräfte stammen alle aus der Region. Die Ärzte stammen aus der Hauptstadt Dhaka oder der Provinzhauptstadt Chittagong. Bei den Regional- und Nationalwahlen vor einem Jahr wurde das Thema ausgeschlachtet, um Druck zu machen. Man tat so, als wäre es ein Konkurrenzkampf zwischen Rohingya und Bangladeschern, wobei der Wettbewerb auch zwischen der lokalen Bevölkerung und den Einwohnern aus Dhaka stattfand. Neid entsteht auch, weil die Flüchtlinge kostenlose Lebensmittel erhalten. Die Gesundheitsversorgung steht hingegen allen offen. Der Verkehr hat stark zugenommen. Täglich fahren Busse und Lastwagen auf Straßen, die dafür nicht geeignet sind.
Ganz im Süden, bei Teknaf, wo rund 20 000 Schutzsuchende wohnen, war vorher ein Drogenumschlagplatz. Die Lage ist durch die Flüchtlinge natürlich nicht besser geworden.
Worin bestand Ihre Arbeit in Bangladesch?
Ich bin von der Ausbildung her Krankenschwester. In Bangladesch habe ich als medizinische Koordinatorin für die belgische Msf-sektion gearbeitet. Wir haben dort zwei Projekte: eins in Cox's Bazar und eins in den Flüchtlingslagern. Bei Problemen habe ich unseren Mitarbeitern vor Ort geholfen, ich habe den Versammlungen in Cox's Bazar beigewohnt und war das Bindeglied zwischen den Msf-leuten vor
Ort und Brüssel. Wenn beispielsweise Richtlinien fehlten, habe ich sie von Brüssel besorgt, oder ich habe Medikamente bestellt.
Was macht MSF in Bangladesch?
Die niederländische Msfsektion leitet seit 2013 in Dhaka ein Projekt in einem Slum, bei dem die in Kleiderfabriken Beschäftigten Zugang zu einem Gesundheitszentrum haben. Die übrigen Sektionen kümmern sich um die medizinische Grundversorgung in den Flüchtlingslagern und leiten dort drei Krankenhäuser. Zudem greift die belgische Sektion im Spital in Cox's Bazar,