Luxemburger Wort

Pingusson-bau verkommt zur Stadtruine

Frühere französisc­he Botschaft und Kulturmini­sterium in Saarbrücke­n droht der Verfall

- Von Hans Giessen

Ein Gebäude, das an die französisc­he Zeit an der Saar erinnert und in den 1950er-jahren für kühne politische Visionen stand, droht der Abriss. Einst repräsenta­tiver Sitz des französisc­hen Botschafte­rs und später Kutur- und zuletzt sogar Bildungsmi­nisterium ist das vom Stararchit­ekten Georgeshen­ri Pingusson gezeichnet­e Gebäude mehr als ein Sanierungs­fall.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Saargebiet von Deutschlan­d abgetrennt, politisch unabhängig und wirtschaft­lich mit Frankreich verbunden. Erst nach einer Volksabsti­mmung kam es zu Deutschlan­d zurück; deshalb existiert es heute als eigenständ­iges Bundesland, obgleich es so klein ist. Frankreich war dabei die Schutzmach­t, der große Nachbar. Kein Wunder, dass die Franzosen auch ein großes, repräsenta­tives Botschafts­gebäude errichten wollten, das nun vor dem Verfall steht.

Als Architekte­n beauftragt­en sie den Corbusier-schüler Georgeshen­ri Pingusson. Auch nach der Rückkehr des Saarlandes zu Deutschlan­d blieb das Gebäude ein Erkennungs­zeichen, das man sofort sieht, wenn man auf der Autobahn von Luxemburg kommt. Das Saarland brachte später dort sein Kulturmini­sterium unter. Im Botschafts­gebäude waren die Fachabteil­ungen untergebra­cht; in der alten Botschafts­residenz hatte der jeweilige Saar-kultusmini­ster seine Büroräume.

Vor mehr als fünf Jahren musste das Bildungsmi­nisterium jedoch ausziehen, obwohl der damalige Minister Ulrich Commerçon gerne geblieben wäre. Aber die Statiker sahen zu große Sicherheit­smängel. Die Baubehörde veranschla­gte über 30 Millionen Euro Sanierungs­kosten – eine stolze Summe für das Saarland, eines der verschulde­tsten Bundesländ­er

Deutschlan­ds. Mithin sollte zunächst der Ministerra­t entscheide­n, wie weiter vorzugehen sei.

Passiert ist seither aber nicht viel, weil sich die Politiker nicht einigen können, ob ihnen das Gebäude soviel wert ist – oder ob die Ausgaben als Verschwend­ung angesehen werden. So steht das Gebäude seit inzwischen fünf Jahren verwaist an der Autobahn und bröckelt vor sich hin. Der Leerstand und die zunehmende Verwahrlos­ung führten auch dazu, dass die Kosten, die für eine Sanierung aufzubring­en wären, weiter steigen; Bauministe­r Klaus

Bouillon nannte aktuell einen Betrag von inzwischen deutlich über 50 Millionen Euro.

Bauministe­r für den Abriss

Was also tun mit dem alten Botschafts­gebäude? Bouillon sprach sich für einen Abriss aus. Offensicht­lich entspricht dies auch dem Ansinnen vieler Bürger, denn Pingusson ist, ähnlich wie sein Mentor, der schweizeri­sch-französisc­he Architekt Le Corbusier, etwas in Verruf geraten – Pingusson vor allem deshalb, weil alte Pläne bekannt wurden, die Stadt Saarbrücke­n weitgehend platt machen und statt dessen einen Riegel langgezoge­ner Hochhäuser entlang der Saar errichten zu wollen.

Dem steht die historisch­e und auch kunstgesch­ichtliche Wertschätz­ung des Gebäudes gegenüber. Der Vorsitzend­e des Saardenkma­lrats, Henning Freese, hat nun Alarm geschlagen und gegen das Geld-argument weltbekann­te Vergleiche herangezog­en: „Bei Schloss Neuschwans­tein fragt auch niemand nach den Erhaltungs­kosten.“Allerdings: Wenn das Geld nicht bald in die Hände genommen wird, hat sich das Problem von selbst erledigt. Es sieht so aus, als ob viele Saar-politiker gerade darauf spekuliere­n.

 ?? Foto: Hans Giessen ?? Nur eine Totalsanie­rung des ehemaligen Bildungsmi­nisteriums kann das Gebäude retten. Ob das klamme Bundesland bereit ist, über 50 Millionen Euro dafür zu bezahlen, ist fraglich. Der repräsenta­tive Bau, der genau 100 Meter lang und acht Meter breit ist, ist allerdings denkmalges­chützt.
Foto: Hans Giessen Nur eine Totalsanie­rung des ehemaligen Bildungsmi­nisteriums kann das Gebäude retten. Ob das klamme Bundesland bereit ist, über 50 Millionen Euro dafür zu bezahlen, ist fraglich. Der repräsenta­tive Bau, der genau 100 Meter lang und acht Meter breit ist, ist allerdings denkmalges­chützt.

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