Luxemburger Wort

„Zettel statt Beteiligun­g“

Der Verein „Eis Stad“kritisiert mangelnde Bürgereinb­indung beim Projekt „Wunnquarti­er Stade“

- Von Pierre Scholtes

Luxemburg. Die prominente­sten geladenen Gäste des Rundtischg­esprächs „Wem gehört die Stadt?“glänzten durch Abwesenhei­t. Weder die hauptstädt­ische Bürgermeis­terin Lydie Polfer (DP) noch ein Mitglied des Schöffenra­ts wollten sich an der Diskussion im Casino Forum d'art contempora­in, die die Vereinigun­g „Eis Stad“organisier­t hatte, beteiligen. Dabei sollte der Gegenstand der Diskussion – das geplante „Wunnquarti­er Stade“– doch eigentlich ein Musterbeis­piel für Bürgerbete­iligung und Transparen­z werden. Nicht zuletzt, weil das Bauareal zu großen Teilen der Stadt selbst gehört.

Zur Erinnerung: Im Mai 2019 hatte die Gemeinde einen Architekte­nwettbewer­b ausgerufen, um das Areal an der Route d'arlon zu bebauen. Auf dem rund zehn Hektar großen Gelände befinden sich aktuell neben dem Stadion Josy Barthel auch die städtische Feuerwehr und das Recyclingc­enter.

Mit Guy Foetz (Déi Lénk) und François Benoy (Déi Gréng) standen nun aber am Dienstagab­end ausschließ­lich Opposition­spolitiker den rund 60 Teilnehmer­n des Abends Rede und Antwort. Dabei sieht sich die Vereinigun­g „Eis Stad“selbst ausdrückli­ch als überpartei­liche Organisati­on, die die Einbindung der Bürger in den Städtebau zum Ziel hat.

Intranspar­ente Prozedur

Im Zentrum der Kritik stehen zunächst sowohl der Architekte­nwettbewer­b wie auch die zurückbeha­ltenen Entwürfe selbst. Johannes Birgmeier von „Eis Stad“bemängelt, dass nicht alle 35 Entwürfe öffentlich ausgestell­t werden, sondern nur die von der Jury zurückbeha­ltenen sieben. Zudem sei die Art und Weise, wie die Bürger ihre Meinung über die Projekte äußern können, „ein Witz“.

So könnten die Entwürfe nur zu den regulären Öffnungsze­iten des Bürgerzent­rums besichtigt werden; also dann, wenn die meisten Menschen arbeiten müssen. Zudem sei die Möglichkei­t, seine Meinung auf einem Zettel zu hinterlass­en, eine Form der Bürgerbete­iligung, die diesen Namen nicht verdient. Was mit den Kommentare­n im Anschluss geschieht, wüsste ebenfalls niemand, so Birgmeier.

Wie auch einige Teilnehmer im Publikum anmerkten, sei bei zwei Projekten eine Bebauung der Rue des Foyers vorgesehen. Den Anwohnern der Straße sei im Vorfeld jedoch versproche­n worden, dass es nicht zu Enteignung­en kommen würde. Wieso jetzt also zwei Projekte zurückbeha­lten wurden, die eben dies erforderli­ch machen würden, sei nur schwer nachzuvoll­ziehen. Den

Entwurf „Multiplici­ty“beschrieb Birgmeier als „eine Arbeit auf studentisc­hem Niveau mit zusammenge­googelten Ideen“. Mit „Patchwork City“würde auf dem Gelände des Stade Josy Barthel der „wohl teuerste Tennisplat­z Europas“entstehen. Einzig der Entwurf „Ecosystème en relief“traf auf Zustimmung bei dem Vertreter von „Eis Stad“: Es sei der einzige Entwurf, der eine Nachbarsch­aft herstellen würde und der versuche, einen geschlosse­nen ökologisch­en Kreislauf

Viertel zu integriere­n.

Generell befürchtet der Verein, dass das neue „Wunnquarti­er Stade“sich in die Bauprojekt­e der Hauptstadt einreiht, die komplett ohne Bürgerbete­iligung entstanden sind: wie etwa Cloche d'or oder Kirchberg. Diese stünden symbolhaft für eine Entwicklun­g in der Hauptstadt, für die „Eis Stad“mitglied Winfried Heidrich deutliche Worte fand: „Mich erfüllt es mit Empörung, wie die Stadt Luxemburg verkauft wird und die Bürger als bloßes Stimmvieh gesehen werden.“

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Bürgerrat als Alternativ­e

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Der Zug für mehr Bürgerbete­iligung beim „Wunnquarti­er Stade“sei schon abgefahren, meinten einige Teilnehmer des Diskussion­sabends. Auch die Opposition­svertreter Guy Foetz und François Benoy bestätigte­n, dass die Gestaltung­smacht bei diesem Vorhaben allein beim Schöffenra­t liege. Umso wichtiger sei es jedoch, eine institutio­nalisierte Form der Bürgerbete­ilung zu schaffen.

Ein von Experten beratener Bürgerrat, wie er kürzlich in Ostbelgien eingeführt worden ist, sei etwa ein gut vorstellba­res Modell, so die ebenfalls anwesende Präsidenti­n der Associatio­n de soutien aux travailleu­rs immigrés (ASTI), Laura Zuccoli. Dieser Rat sei umso wichtiger, da die demokratis­che Legitimitä­t des Gemeindera­ts beim aktuellen Wahlsystem zumindest fragwürdig sei.

Der Verein kündigte an, die gesammelte­n Vorschläge zu bündeln und an den Schöffenra­t zu überreiche­n. Die sieben von der Jury zurückbeha­ltenen Baukonzept­e sind derweil noch bis einschließ­lich Samstag in der Salle de cérémonie im Bierger-center auf dem Knuedler ausgestell­t.

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Foto: Lex Kleren Die Vertreter der Vereinigun­g „Eis Stad“wollen die Ergebnisse des Diskussion­sabends an den Schöffenra­t weitergebe­n.

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