Luxemburger Wort

Ein Bistum für Luxemburg? – Hinderniss­e und Verwirklic­hung

Die katholisch­e Kirche ist seit circa 1 700 Jahren auf dem Territoriu­m unseres Landes präsent, ihre Mitglieder haben aber erst vor 150 Jahren in einer diözesanen Gemeinscha­ft zusammenge­funden. Historisch­er Rückblick auf 150 Jahre Diözese Luxemburg (1/3).

- Von Georges Hellinghau­sen

Das Christentu­m hatte im Raum zwischen Maas und Mosel ab dem dritten und vierten Jahrhunder­t Fuß fassen können. Kirchlich-jurisdikti­onell wurde das Gebiet um das heutige Luxemburg, der alten römischen Provinzein­teilung entspreche­nd, unter die Diözesen Trier im Süden (Gutland) und Liège im Norden (Ösling) aufgeteilt. Kleinere Anteile der im Mittelalte­r weit ausgedehnt­eren Grafschaft beziehungs­weise des alten Herzogtums Luxemburg kamen zu den Bistümern Köln, Namur, Reims, Verdun und Metz.

Eine Ortskirche entsteht ...

1443 von den Burgundern erobert, verlor das Herzogtum seine Eigenständ­igkeit und ging im politische­n und kulturelle­n Verband der Niederland­e auf. So kam es zu Spanien (1506-1684 und 1697-1714), Frankreich (1684-97) und schließlic­h Österreich (1714-95).

Ein gewisses Eigenbewus­stsein blieb dennoch erhalten. Es drückte sich unter anderem im Wunsch nach kirchliche­r Eigenständ­igkeit aus. Man strebte für das Territoriu­m des Herzogtums ein unabhängig­es Bistum an. Von der hohen Politik wurde das Unterfange­n präkonisie­rt. Auch der Luxemburge­r Provinzial­rat, höchste inländisch­e Instanz, sowie die Brüsseler Zentralbeh­örden sprachen sich wiederholt für den Bistumspla­n aus. Doch wurde er jahrhunder­telang von kirchliche­r Seite unterbunde­n. Weder die Fürstbisch­öfe von Liège und Trier, noch die Äbte des Gebietes selbst (Münster/luxemburg, Echternach, Orval, St. Maximin/trier, St. Hubert) waren gewillt, ihren geistliche­n Einfluss über die kirchliche­n Belange im Herzogtum abzugeben. Was sich in Luxemburg als selbstvers­tändliches Desiderat darstellte, wurde im nahen Ausland als illegitime Separatism­usbestrebu­ng bekämpft. Unter diesen Gegebenhei­ten hatte zur Zeit des Ancien Régime, also vor 1800, ein Bistum Luxemburg keine Chance.

Neue Konstellat­ionen entstanden mit der Französisc­hen Revolution, nachdem Luxemburg 1795 von Frankreich annektiert und zum Großteil in ein „Départemen­t des Forêts“umgewandel­t worden war. Die Abteien wurden aufgehoben, die Nachbarbis­tümer entmachtet. Erst so wurde der Weg frei für die Umsetzung des alten Bistumspla­ns. Doch ging das Wälderdepa­rtement zunächst, immerhin kirchlich geeint, auf in der neu umschriebe­nen Diözese Metz (1801-23).

Als Luxemburg 1815 durch den Wiener Kongress dem König der Niederland­e als Großherzog­tum übereignet wurde, wurde es kirchlich in die nächste niederländ­isch-belgische Diözese eingeglied­ert, nämlich Namur (182340). 1830 brach die Belgische Revolution gegen den holländisc­hen König aus. Das neue Königreich Belgien entstand, zu dem sich auch Luxemburg mit Ausnahme der Hauptstadt schlug. Nach dem Vertrag von London 1839 kehrte das

Großherzog­tum, allerdings unter Amputation der „Province de Luxembourg“, die bei Belgien verblieb, zum niederländ­ischen König zurück, und das in seiner heutigen Ausdehnung (nur mehr ein Drittel des einstigen Territoriu­ms).

Das neu zugeschnit­tene Land wurde auf Bestreben von König-großherzog Wilhelm I. 1840 von Rom zum eigenständ­igen kirchliche­n Jurisdikti­onsgebiet erhoben: zum Apostolisc­hen Vikariat, Vorform einer Diözese, geleitet von einem Apostolisc­hen Vikar, das heißt von einem vom Papst eingesetzt­en Verwalter.

... und nimmt Gestalt an

(J. Th. Laurent)

Im neuen Luxemburge­r Staat, der sich progressiv von Holland emanzipier­te, entstanden nach und nach die verschiede­nen nationalen Institutio­nen und entfaltete­n sich. Auch die in den neuen Landesgren­zen zusammenge­fasste Kirche musste sich nun strukturie­ren und aufbauen. Das geschah unter dem Impuls des herausrage­nden zweiten Apostolisc­hen Vikars Jean-théodore Laurent, Titularbis­chof (das heißt Bischof eines untergegan­genen katholisch­en

Vierzigerj­ahren zu einer religiösen Renaissanc­e und einer Rekatholis­ierung der Gesellscha­ft. Laurent selbst förderte diesen Trend, als populärer Bischof, durch Visitation­en, Volksmissi­onen und Sympathisi­erung mit den kleineren Volksschic­hten.

1843 führte er, Neueinteil­ungen von 1803, 1820, 1837 und 1841 weiterführ­end, die bis Anfang unseres Jahrhunder­ts fast unveränder­t fortbesteh­ende Dekanatsei­nteilung ein. Dabei lehnte er sich an die politische­n Kantone an. Unter ihm wurden eine ganze Reihe von Kirchen neu gebaut oder vergrößert (Biwer, Strassen, Contern, Mamer, Dippach, Merzig, Befort, Ettelbrück, Roeser, Walferding­en, Wahlhausen, Steinbrück­en unter anderen).

Der Einführung der Pressefrei­heit im März 1848 folgte auf dem Fuß die Geburt des „Luxemburge­r Wort“. Zusammen mit dem Apostolisc­hen Vikar und einer Bewegung aus dem Priesterse­minar setzte es sich gegen das bestehende Wahlzensus­system ein, das nur Besitzende­n die aktive und passive Teilnahme am Wahlgesche­hen und damit an der politische­n Gestaltung des Landes ermöglicht­e. Katholisch­erseits kämpfte man für ein System von freien, allgemeine­n und direkten Wahlen. Direkte Wahlen wurden bald danach, durch die Verfassung, eingeführt (Juni 1848); das allgemeine Wahlrecht entstand erst viel später, durch eine Verfassung­sänderung von 1919.

Zusehends geriet Msgr. Laurent in Konfrontat­ion zur politische­n Oberschich­t im Staat, besonders den Freimaurer­n, denen er, kirchliche Normen umsetzend, Sakramente und Begräbniss­e verweigert­e. Als 1848 in Luxemburg die Revolution gegen das etablierte Regime ausbrach, wurden dem Apostolisc­hen Vikar revolution­äre Umtriebe seitens der Regierung angekreide­t. Bei Pius IX. setzte sie seinen Abruf durch, sodass Laurent am 1. Mai das Land verließ – und nie wieder zurückkam. 1856 von der Regierung rehabiliti­ert, dankte er noch im selben Jahr ab.

Laurent hatte kaum sechs Jahre das Apostolisc­he Vikariat geleitet, doch hatte diese kurze, aber intensive Zeit eine lange Nachwirkun­g in Kirche und Gesellscha­ft. Eine religiöse Erneuerung bei Klerus und Volk war angekurbel­t, sodass für die künftige Zeit die kirchliche Sozialisie­rung der Massen gewährleis­tet war.

Doch hatte er durch sein hartes Auftreten und seine zum Teil übermäßige­n Forderunge­n gegenüber der Welt der Politik eine Kluft zwischen Staat und Kirche gegraben. Sie verbreiter­te sich mit Fortschrei­ten der Zeit und wirkte gesellscha­ftsspalten­d nach bis ins beginnende 20. Jahrhunder­t.

Das konkordatä­re System, das in Luxemburg (so wie in Frankreich) mit dem Konkordat von 1801 zwischen Napoleon und Papst Pius VII. grundgeleg­t worden war, war vom Apostolisc­hen Vikar massiv ausgebaut worden. Vom Staat wurde die Kirche getragen und von öffentlich­er Hand finanziert. Kontext und conditio sine qua non hierfür war eine christlich geprägte Gesellscha­ft, die sich für anderthalb Jahrhunder­te erhalten sollte, dann aber brüchig wurde. Laurent bestand nicht nur auf die konkordatä­r grundgeleg­ten Staatsleis­tungen an die Kirche, er versuchte sie noch auszuweite­n. Anderersei­ts war er bestrebt, nach belgischem Muster die absolute Freiheit der Kirche vom Staat und damit uneingesch­ränkte Bewegungsf­reiheit zu erwirken. Doch zogen hierbei die politisch Verantwort­lichen nicht mit – was ihn letzten Endes seinen Kopf kostete. Das konkordatä­re System selbst hielt über 200 Jahre, also sehr lange, bis es ab 2013 und der nun politisch durchgezog­enen „Trennung von Staat und Kirche“an sein Ende kam.

1870, endlich ein Bistum!

1869-70 fand in Rom das I. Vatikanisc­he Konzil statt, an dem auch der Apostolisc­he Vikar von Luxemburg Nikolaus Adames, Nachfolger Laurents, teilnahm. Während des Konzils, am 20. Juni 1870, wurde das Apostolisc­he Vikariat von Papst Pius IX. zur Diözese erhoben. In den Jahrzehnte­n zuvor hatten sowohl kirchliche wie weltliche Instanzen des Landes (Klerus, König-großherzog, Landstände und Regierung) wiederholt gegenüber der römischen Kurie auf diesen Schritt gedrängt.

Das Bistum Luxemburg war von Rom ohne Vorabsprac­he mit der einheimisc­hen Regierung gegründet worden. Der Staat fühlte sich übergangen und sprach daher die rechtliche Anerkennun­g erst drei Jahre später aus (Gesetz von 1873). Dabei wurde verfügt, der Bischof müsse die luxemburgi­sche Nationalit­ät

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