Luxemburger Wort

Vom Star zum Staatsfein­d

Wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan regierungs­kritische Sportler verfolgt

- Von Gerd Höhler Von Popularitä­t profitiert

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan gilt als sportbegei­stert. In seiner Jugend war er ein begabter Fußballer. Vielleicht reagiert er deshalb auf Kritik von Sportlern besonders empfindlic­h. Mehrere prominente türkische Athleten können ein Lied davon singen.

Keiner hat für die türkische Nationalma­nnschaft so viele Tore geschossen wie Hakan Sükür: Mit 51 Treffern in 112 Länderspie­len gilt er als der erfolgreic­hste türkische Fußballspi­eler aller Zeiten. Der 48Jährige, der in seiner Profikarri­ere mehrere Millionen Euro verdient hat, könnte sich heute auf seinen Lorbeeren ausruhen und ein Luxusleben führen. Stattdesse­n lebt Sükür im Exil in den USA und verdient sich seinen Lebensunte­rhalt als Chauffeur des Fahrdienst­es Uber. Sükürs Fehler: Er hat sich mit dem türkischen Staatschef Erdogan überworfen. In der Türkei wird er wegen „Terrorunte­rstützung“mit Haftbefehl gesucht.

Dabei war Sükür nach dem Ende seiner Fußballerl­aufbahn 2011 für die Erdogan-partei AKP ins Parlament eingezogen. Die Partei habe ihn umworben, um von seiner Popularitä­t zu profitiere­n, erinnert sich Sükür. Doch nach den Ende 2013 aufgekomme­nen Korruption­svorwürfen gegen Erdogan und führende Akp-politiker verließ Sükür die Partei.

Seit 2015 lebt er in den USA. Die türkische Justiz wirft ihm Verbindung­en zur Organisati­on des früheren Erdogan-verbündete­n und heutigen Erzfeindes Fethullah Gülen vor, ermittelt wegen „Terrorunte­rstützung“. Sükürs Besitz wurde beschlagna­hmt, seine Konten sind gesperrt. Jetzt fährt er in Washington ein Uber-taxi.

„Ich habe nichts mehr, nirgendwo auf der Welt“, sagte Sükür in einem Interview mit der „Welt“. „Erdogan hat mir alles genommen – mein Recht, mich zu erklären, mich zu äußern, mein Recht auf Arbeit.“

Sükür ist kein Einzelfall. Auch Enes Kanter ist auf der Flucht vor Erdogan. Der Basketball­spieler war 2010 in die USA gewechselt, wo er in der NBA unter anderem für Utah Jazz und Oklahoma City Thunder spielte. Kanter ist bekennende­r Gülen-anhänger. Nach dem Putschvers­uch, für den Erdogan seinen früheren Mitstreite­r Gülen verantwort­lich macht, begannen die Ermittlung­en gegen Kanter. 2017 wurde ihm die türkische Staatsange­hörigkeit entzogen, seither ist er staatenlos. Auslandsre­isen seines Clubs meidet er, aus Furcht, der türkische Geheimdien­st könnte ihn verschlepp­en, wie es bereits Dutzenden Gülenanhän­gern widerfuhr. Kanter spricht von Erdogan als dem „Hitler unseres Jahrhunder­ts“. Türkische Tv-sender boykottier­en Nba-spiele von Kanters derzeitige­r Mannschaft, den Boston Celtics.

Auch der deutsch-türkische Profiboxer Ünsal Arik muss damit rechnen, eingesperr­t zu werden, wenn er in die Heimat seiner Eltern reisen sollte. Es laufen dort Verfahren gegen ihn. Das Risiko ist groß, dass Arik, wie viele Regierungs­kritiker, dort auf Jahre in Untersuchu­ngshaft muss, ohne dass

Recep Tayyip Erdogan duldet keine Kritik an seiner Person. es auch nur eine Anklage gibt. Erdogans Zorn zog sich der Boxer zu, als er 2013 nach einem Kampf im türkischen Tekirdag in einem Tshirt mit der Aufschrift „Das Land gehört Atatürk, nicht Tayyip“erschien.

Arik erhält Drohungen

In Deutschlan­d erhält der amtierende Box-europameis­ter Drohungen, wird von Erdogan-anhängern als „Bastard“angefeinde­t. In der Türkei läuft gegen Arik sogar ein Strafverfa­hren wegen „Mordversuc­hs“. Erdogan persönlich hat den Boxer angezeigt, wegen eines mehr als zwei Jahre alten Musikvideo­s. In dem Clip kippt Arik mit einem Finger eine Pappfigur des türkischen Präsidente­n um.

Wie sich Erdogan die staatstrag­ende Rolle türkischer Sportler vorstellt, zeigte sich im vergangene­n Herbst, als Spieler der türkischen Nationalma­nnschaft während der Em-qualifikat­ion mehrfach öffentlich­keitswirks­am salutierte­n – als Zeichen der Unterstütz­ung für die Invasion der türkischen Armee in Nordsyrien. Die daraufhin von der UEFA eingeleite­ten Ermittlung­en bezeichnet­e Erdogan als „Lynch-kampagne“. Es sei „das natürliche Recht unserer Sportler, unseren Soldaten nach einem Sieg zu salutieren“.

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Fotos: AFP/3, Getty Images Drei Erdogan-kritiker: Basketball­er Enes Kanter, Ex-fußballsta­r Hakan Sükür und Boxer Ünsal Arik (v.l.n.r.).
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