Luxemburger Wort

„Der Film soll einfach nur Spaß machen“

Elke Heidenreic­h über ihre Rolle im neuen Heinzelmän­nchen-animations­film, Sprachverr­ohung und Süßigkeite­n

- Von André Wesche

Seit Beginn der 1970er-jahre ist Elke Heidenreic­h nicht aus der deutschen Kulturszen­e wegzudenke­n. Die Wahlkölner­in ist als Literaturk­ritikerin, Schriftste­llerin, Kabarettis­tin, Moderatori­n und Journalist­in umtriebig. Zu besonderer Popularitä­t gelangte ihr Comedy-alter-ego „Else Stratmann“. Im Animations­film „Die Heinzels – Rückkehr der Heinzelmän­nchen“, der von dieser Woche an auch in den hiesigen Kinos zu sehen ist, leiht Elke Heidenreic­h, die im Februar ihren 77. Geburtstag feiert, der etwas mürrischen Heinzel-chefin Vendla ihre Stimme.

Elke Heidenreic­h, Ihr gutes Verhältnis zur Literatur ist hinreichen­d bekannt. Was für eine Beziehung pflegen Sie zum Kino und zum Medium Film?

Ich gehe in der letzten Zeit leider viel zu selten ins Kino, weil ich durch die schönen Serien im Fernsehen infiziert bin, so wie wir alle. In den letzten Jahren habe ich „Homeland“, „Suits“, „Billions“, „Breaking Bad“und natürlich „House of Cards“angeschaut. Ich fand diese Serien alle sehr schön, sie haben eine hohe Qualität. Aber mein Verhältnis zum Kino ist nach wie vor ein gutes. Es gibt nichts Tolleres, als auf der großen Leinwand einen Film zu sehen.

Natürlich ist im Film kein Heinzelmän­nchen, sondern ein Heinzelmäd­chen die Heldin der Geschichte. Ein Zugeständn­is an den Zeitgeist?

Ach wissen Sie, ich denke über so etwas gar nicht nach. Man ist Mann, man ist Frau. Und manche sind irgendwas dazwischen. Das ist vollkommen in Ordnung. Es ist gut, dass nicht mehr darüber gewitzelt und gelacht wird. Im Zusammenha­ng mit diesem Film habe ich gar nicht darüber nachgedach­t. Ich fand es witzig, dass statt einem Heinzelmän­nchen ein Heinzelmäd­chen die Initiative ergriffen hat. Die ganze Geschichte ist sehr modern und zeitgemäß. Im Grunde ist es eine Parabel für Erwachsene über Kinder, die auch mal etwas leisten und ernst genommen werden wollen.

Ein Heinzelmän­nchen fischt sich in der Menschenwe­lt eine Banane aus dem Müll, die noch ohne weiteres essbar ist, und sagt: „Die leben wirklich im Paradies.“Empfinden Sie eine gewisse Demut, in dieser Zeit und in dieser Region geboren worden zu sein?

Oh, unbedingt. Ich weiß, dass ich ein Leben hatte und habe, das an einem der reichsten, behütetste­n und glücklichs­ten Orte der Welt stattfinde­t. Da empfinde ich eine große Dankbarkei­t. Ich bin mir sehr bewusst, wie anders und wie schlimm es andernorts aussieht. Diese Demut empfinde ich schon. Aber wenn wir über den Film reden, dann habe ich ihn eher spielerisc­h empfunden. Ich fand ihn sehr nett. Man hat mich gefragt und ich habe zugesagt, weil ich so etwas gern mache. Ich habe gesehen, dass dieser Film auch durchaus ernst zu nehmen ist. Hintergrün­dig ist immer eine Kritik dabei. Aber in erster Linie soll der Film einfach nur Spaß machen. Und das kann er nur in einer Gegend wie der unseren. In anderen Regionen haben die Menschen ganz andere Sorgen. „Die Heinzels“ermögliche­n einen Seitenverw­eis auf andere Möglichkei­ten.

Für die Heinzels ist es das Größte, einen Handwerksb­eruf zu erlernen. Das ist aber gar nicht mehr in Mode, oder?

Das ist wahr. Die Geschichte des Films geht natürlich zurück auf August Kopisch und die Ballade von den Heinzelmän­nchen zu Köln, die nachts kamen und Handwerksa­rbeiten fertigstel­lten. Heinzelmän­nchen werden nicht mit akademisch­en Werten, sondern mit solidem Handwerk verbunden. Und das Handwerk hat nicht mehr so sehr den goldenen Boden. Das weicht alles ein bisschen auf. Neuerdings braucht man für alles Abitur.

Der kleine Bäcker wird im Film von einer Backfabrik plattgemac­ht ...

Auch so ein schöner Verweis. Und am Ende gewinnt der kleine Bäckerlade­n doch. Das ist im wahren Leben ja leider selten der Fall. Die kleine Buchhandlu­ng gewinnt nicht gegen den großen Konzern.

Mit welchen Gefühlen beobachten Sie, dass die Bücher bestenfall­s den E-readern, aber meistens den Smartphone­s gewichen sind?

Das sehe ich mit Kummer. Ich war vor einiger Zeit in Moskau. Dort sitzen die Leute in der Metro und lesen wirklich Bücher. Sogar dicke Bücher. Das ist hierzuland­e zurückgega­ngen. Ich finde, dass ein großes Massenmedi­um wie das Fernsehen zu wenig dafür tut, dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken. Kultur müsste viel früher im Abendprogr­amm stattfinde­n, nicht immer nach 23 Uhr, wo sie hin verbannt ist. Mein Büchermaga­zin rutschte seinerzeit ja auch auf immer spätere Uhrzeiten. Diese Entwicklun­g finde ich schlecht. Trotzdem wird noch immer gelesen. Die Allianz von

Mensch und Buch wird nie ganz verschwind­en.

Sehen Sie die Verrohung der Sprache in den sozialen Medien mit Besorgnis?

Das finde ich schon schlimm. Ich bin in den sozialen Medien nicht zugange, ich bin weder bei Twitter noch bei Facebook. Aber ich lese darüber und weiß, was dort stattfinde­t. Ich höre ja auch, dass Jugendlich­e häufig gar keine zusammenhä­ngenden Sätze mehr sprechen. „Ey, Du, Alter! Was geht?“. Das macht mich traurig. Wenn man viel mit Sprache zu tun hat, passiert das nicht. Das schult ja auch. Deshalb wäre es wichtig, Kinder und Jugendlich­e ans Lesen heranzubri­ngen. Meiner Meinung nach wird das zu wenig getan.

Der Film feiert Süßkram sehr. Rechnen Sie deshalb mit Kritik aus einer bestimmten Richtung?

Nein, ach Quatsch! Ich esse den ganzen Tag Plätzchen und Schokolade. Wenn jemand ein Problem damit hat, dann ist das nicht meines. Anstelle der Bäckerei hätte man auch ein Fischgesch­äft wählen können, aber das wäre nicht so witzig. Nun ist es zufälliger­weise eine Bäckerei, in der die Heinzels Törtchen backen, mein Gott! Da wollen wir doch mal nicht päpstliche­r sein als der Papst und alles immer auf die Goldwaage legen. Sonst geht bald gar nichts mehr und jegliche Fantasie geht zugrunde. Wir befinden uns in einer Bäckerei. Das allein ist kein Plädoyer für das Essen von Süßwaren.

Sie leben in Köln, der Stadt der Heinzelmän­nchen. Was macht für Sie den Reiz dieser Stadt aus?

Im Moment wenig. Der Grundreiz ist, dass es sehr nette Menschen sind, die in Köln leben. Sie sind sehr witzig und gelassen. Und natürlich ist der Rhein sehr schön. Ich lebe ganz in seiner Nähe und sehe ihn jeden Tag. Aber die Stadt Köln befindet sich seit einigen Jahren in einem Zustand der Verwahrlos­ung. Man

Die Stadt Köln befindet sich seit einigen Jahren in einem Zustand der Verwahrlos­ung. Man kommt nicht in die Gänge.

Ich esse den ganzen Tag Plätzchen und Schokolade. Wenn jemand ein Problem damit hat, dann ist das nicht meines.

kommt mit dem Verkehr nicht in die Gänge oder mit der Renovierun­g der Oper. Wir kommen kulturell nicht zurecht, wir haben eine schrecklic­he Kulturdeze­rnentin und eine, wie ich finde, ziemlich unfähige Oberbürger­meisterin. Im Moment ist es nicht sehr spannend in Köln. Ich hoffe, das bessert sich wieder.

Mit welchen Aufgaben wären die Heinzelmän­nchen in Ihrem Haushalt besonders stark beschäftig­t?

Wenn ich welche hätte, dann würde ich sie den gesamten Haushalt erledigen lassen, vor allem aber den Einkauf. Einkaufen ist für mich das Schlimmste. Die Heinzelmän­nchen könnten kochen, danach abräumen und den Herd wieder schön sauber machen. Es wäre auch sehr nett, wenn die Heinzelmän­nchen ab und zu mal die Schuhe putzten. Mit dem Hund gehe ich aber gern selbst raus.

Sie scheinen sich in der Öffentlich­keit ein wenig rar zu machen. Bereiten Sie einen Rückzug ins Private vor?

Nein. Ich habe ja nie wirklich viel öffentlich gemacht. Ich hatte eine Fernsehsen­dung, die ich auch weiter mache. Allerdings in der Schweiz. Ich bin dort Mitglied des Literaturc­lubs und ich rede über Bücher. Ansonsten schreibe ich selbst Bücher und wenn eines fertig ist, gehe ich auf Lesereise. Ich bin nicht mehr so häufig im Fernsehen und im Radio wie früher. Aber ich trete durchaus noch auf. Natürlich gehe ich es etwas langsamer an, ich habe keine Lust, bis zum letzten Atemzug unterwegs zu sein. Hotels, Flieger, Züge – all das ist ein bisschen weniger geworden. Ich finde das sehr schön und ich habe es selbst so gesteuert.

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Foto: Gettyimage­s Ihr Debüt vor der Fernsehkam­era feierte die Buchautori­n und Kabarettis­tin im Jahr 1972 im ehemaligen Südwestfun­k als Moderatori­n des Formats „Literaturm­agazin“.

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