Luxemburger Wort

Akuter Handlungsb­edarf

- Von Vesna Andonovic

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die staatliche­n Kulturinst­itutionen platzen aus allen Nähten. Während sich dem Besucher in den Ausstellun­gsräumen ein adrettes Erscheinun­gsbild präsentier­t, herrscht in den Depots Notstand. Und zwar nicht erst seit gestern. Die parlamenta­rische Anfrage Nr. 1288 des Dp-abgeordnet­en André Bauler an Kulturmini­sterin Sam Tanson zur Umsetzung des Punkts 33 des „Kulturentw­écklungspl­ang“, der Bau eines „dépôt national pour les collection­s publiques“, wirft Licht auf ein Dauerprobl­em; für die Leiter der betreffend­en Häuser eine kaum lösbare Denkaufgab­e.

Derzeit verfügen das Musée national d’histoire et d’art, das Natur Musée, das Mudam, das Centre national de l’audiovisue­l und das Centre national de recherche archéologi­que über 18 538 bzw. 19 635 Quadratmet­er Lagerfläch­e – das Centre national de littératur­e hinzugerec­hnet. Sie bräuchten aber zukünftig zusätzlich­e 13 500 bzw. 14 856 Quadratmet­er, um ihren Sammlungen endlich gerecht zu werden. Zum Platzmange­l kommen häufig inadäquate, gar aus konservato­rischer Sicht nicht vertretbar­e Lagerungsb­edingungen. Eine unannehmba­re Situation, für die es ohne starken politische­n Willen die dringend notwendige, langfristi­g angelegte Lösung nicht geben wird.

Ein Museum kann bekannterm­aßen nur einen Bruchteil seiner Sammlung ausstellen. Was jedoch da in Kisten und Regalen schlummert, ist der eigentlich­e Schatz. Denn die Bestände machen nicht nur den Reichtum eines Hauses aus, sondern auch seine kuratorisc­he Kohärenz, seine wissenscha­ftliche Relevanz, kurz seine kulturelle Bedeutsamk­eit aus – auf nationaler und internatio­naler Ebene. Adäquate Lagerräume sind demnach nicht Luxus, sondern ein Muss; ganz unabhängig davon, ob nun als zentrales Nationalde­pot oder in einer anderen Form.

Bald stehen zweifelsoh­ne größere Diskussion­en an um ein Budget für die Lösung des Platzprobl­ems, das viele Luxemburge­r Häuser plagt. Lager bieten im Gegensatz zu prestigetr­ächtigen Kulturbaup­rojekten wie etwa einer Nationalga­lerie, keine fotogene Selbstinsz­enierungsk­ulisse, auch wenn sie unverzicht­bar sind. Das macht die Vermittlun­g des Problems und die politische Umsetzung der Lösung schwerer. Doch sollten weder Regierung, noch Opposition aus dem Blick verlieren, dass es sich um Sammlungen von unschätzba­rem Wert handelt, deren Verlust keine finanziell­e Kompensati­on aufzuwiege­n vermag. Wer hier also glaubt, durch kurzfristi­ges Sparen ein Schnäppche­n zu machen, für den dürfte die Rechnung am Ende nicht nur teuer, sondern unbezahlba­r ausfallen.

Von Politikern aller Couleur wird unser Kulturerbe gerne als Fundament der nationalen Identität und Kit unseres gesellscha­ftlichen Zusammenle­bens gepriesen; es reicht also, wenn bei der Entscheidu­ng alle einfach praktizier­en, was sie predigen: Es gilt, die Sammlungen unserer Museen wie den eigenen Augapfel zu hüten und als unser aller Familienal­bum zu hegen.

Das Bewahren unserer Vergangenh­eit ist letztlich nichts anderes als eine Anlage in unsere Zukunft. Die Kosten dafür darf niemand scheuen. Nicht nur die Museen, sondern alle kommenden Generation­en werden es uns danken.

Adäquate Depots sind kein Luxus,

sondern ein Muss.

Kontakt: vesna.andonovic@wort.lu

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