Aufbegehren gegen Miethaie
Eidgenossen stimmen am Sonntag über ein Plus an bezahlbarem Wohnraum ab
Der Frust mit der hohen Miete ist nicht nur in Luxemburg ein heißes Eisen, sondern auch in der Schweiz. Beispiel Genf. Für eine 26 Quadratmeter kleine Wohnung in einem wenig ansehnlichen Block im Genfer Zentrum muss der Interessent einiges hinlegen: umgerechnet 1 250 Euro pro Monat. Immerhin verfügt die Bleibe über eine simple Einbauküche. Preise wie diese sind in den großen Städten Helvetiens die Regel – und etliche Menschen kapitulieren vor den verlangten Summen. In der Bundesstadt Bern herrscht sogar „Wohnungsnot“, warnt Carlo Sommaruga, Präsident des Mieterverbandes Schweiz.
In ländlichen Gegenden brauchen die Mieter zwar nicht so tief in die Tasche zu greifen. Doch der durchschnittliche monatliche Mietpreis von bewohnten Wohnungen betrug in der Schweiz 2017 pro Quadratmeter 14,30 Euro. Damit liegt Helvetien europaweit mit an der Spitze. Eine Volksinitiative will das jetzt ändern und die „Spekulanten stoppen“. Die Initiative verlangt, „mehr bezahlbare Wohnungen“für die Menschen zwischen Bodensee und Genfersee bereitzustellen. Hinter der Initiative steht der Mieterverband, Flankenschutz kommt von den Grünen, den Sozialdemokraten und Privatpersonen wie der Historikerin Marianne Hochuli. Sie sagt „Ja“zu der Initiative, „weil steigende Mieten immer mehr Menschen in die Armut treiben“.
Staat oder Markt
Der Verband sammelte die nötigen Unterschriften und erzwang eine Volksabstimmung: Übermorgen sollen sich die Eidgenossen entscheiden: Unterstützen sie staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt? Oder akzeptieren sie weiter die teilweise horrenden Mieten? Der Mieterverband macht vor allem das „beunruhigende“Vordringen renditehungriger Immobilienfirmen für die hohen Preise verantwortlich. Von 2000 bis 2017 erhöhte sich laut dem Verband der Anteil der Mietwohnungen, die sich in der Hand dieser Firmen befinden, von 29 auf 39 Prozent. Gleichzeitig ging der Anteil der
Der durchschnittliche monatliche Mietpreis von bewohnten Wohnungen betrug in der Schweiz 2017 pro Quadratmeter 14,30 Euro.
Wohnungen, die Privatpersonen gehören, zurück.
Was verlangen die Initianten konkret, um die Mietpreise zu drosseln? Eine Mietpreisbremse wie in deutschen Kommunen geht ihnen zu weit. Sie stellen aber drei konkrete Forderungen, die bei einer Annahme der Initiative in der Verfassung festgeschrieben werden müssen: Mindestens zehn Prozent aller Neubauwohnungen sollen gemeinnützigen Trägern und Genossenschaften gehören. Die Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht auf Immobilien erhalten, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und energetische Sanierungen dürfen nicht als Vorwand dienen, um einfache Apartments zu überteuerten Edelrefugien aufzurüsten.
In gemeinnützigen Wohnungen können die Menschen nach Berechnungen der Initiative deutlich günstiger leben als in Häusern, in denen ein gewinnorientierter Miethai das Sagen hat. Der Unterschied mache jährlich zwei bis drei Monatsmieten aus. „Genossenschaften verlangen von den Mieterinnen und Mietern nur die effektiven Kosten, sie verzichten auf Renditen“, erläutert die sozialdemokratische Abgeordnete Martina Munz.
Doch die Regierung in Bern will von der Initiative nichts wissen, die geforderten Markteingriffe seien „weder nötig noch realistisch“. Die „bisherige Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbau“durch den Bundesstaat habe sich bewährt, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Auch der mächtige Hauseigentümerverband sieht keinen Handlungsbedarf. Hans Egloff, der Präsident des Verbandes, sagt laut Tamedia klipp und klar an die Adresse der Mieter: „Es kann nicht jeder seine Wohnung genau an dem Ort und genau zu dem Preis bekommen, wie er will.“