Flirt mit Amerika
Der weißrussische Staatschef Lukaschenko buhlt derzeit heftig um die Gunst der USA – Dahinter stecken Ölpreisverhandlungen mit Moskau
Niemand solle ihm vorwerfen, er mache mehr gemeinsame Sache mit den USA als den Russen. „Die versuchen, einen Zungenkuss mit ihnen hinzukriegen“, tönte Alexander Lukaschenko vorgestern. „Es klappt nur nicht.“Der Präsident der Republik Belarus probt wieder einmal rhetorischen Salto mortale. Am Wochenende war der amerikanische Außenminister Mike Pompeo in Minsk zu Besuch, als erster Us-chefdiplomat seit 1994.
Danach scheint Lukaschenko, Exsowchosdirektor und traditionell engster Verbündeter Russlands, aus dem Häuschen zu sein. Schon, als Pompeo noch CIA-CHEF gewesen sei, habe er mit ihm ie „ernsthaftesten Operationen“ausgeführt, dabei Atomwaffenschmuggler festgenommen. Und jetzt werde er das jahrzehntelang miserable Verhältnis mit „dem global führenden Land“in Ordnung bringen.
Tatsächlich wollen die USA nach über zehn Jahren Eiszeit wieder einen Botschafter nach Minsk senden. Trotzdem hat es etwas Tolldreistes, dass Lukaschenko auch behauptet, Russland wolle sein Land mit „byzantinischen“Methoden „in die Knie zwingen“: Heute empfängt ihn der russische Staatschef Wladimir Putin in Sotschi. Zur „Stunde der Wahrheit“, wie Lukaschenko selbst ahnungsvoll prophezeit. Es geht vor allem um Öl- und Gaspreise.
Streit um Tarife für Öl und Gas
Seit Ende vergangenen Jahres streiten sich Moskau und Minsk um die Tarife für russisches Öl und Gas. Belarus möchte Gas und Öl zu innerrussischen Preisen, Russland die Tarife schrittweise den Weltmarktpreisen anpassen. Bei früheren bilateralen Preiskriegen verwies Lukaschenko gern darauf,
Alexander Lukaschenko versucht, die USA zu benutzen, um höhere Gas- und Ölpreise von Russland zu erzwingen. beide Seiten seien Brüdervölker und bauten an einem gemeinsamen Unionsstaat. Aber die russische Seite antwortet immer beharrlicher, wenn die Weißrussen innerrussische Preise haben wollen, sollten sie endlich ernsthaft etwas für ihre Integration in diesen Unionsstaat tun.
Die Strategie Russlands
Für Lukaschenko, seit fast 26 Jahren Präsident, eine Drohung. Schon 2018 kursierten Gerüchte, Putin wolle Belarus mittels dieser Integration bis 2024 schlucken, um danach als Chef des neuen Unionsstaates weiterregieren zu können. Der Minsker Politologe Andrei Kasakewitsch aber glaubt, Moskau verfolge diesen Plan nicht weiter. „Das wäre eine technisch komplizierte Konstruktion mit mehreren Parlamenten. Außerdem haben die vergangenen zwei Jahre gezeigt, dass die weißrussische Führung heftigen Widerstand
leistet.“Es bleibe allerdings ein strategisches Ziel des Kremls, Belarus so eng wie möglich an sich zu binden.
Da kommt es Lukaschenko nur recht, wenn Pompeo jetzt verspricht, die USA könnten sein Land zu 100 Prozent mit Öl versorgen. Aber in Minsk wie in Moskau glaubt niemand so recht, der Weißrusse wolle wirklich zum Westen überlaufen. „Lukaschenko treibt den Einsatz vor dem Treffen mit Putin in die Höhe“, schreibt die russische Zeitung Kommersant.
Er will Moskau offenbar auf Distanz halten und doch einen ordentlichen Rabatt für sein Öl herausschlagen. Der Meisterrhetoriker jedenfalls fand dieser Tage auch pathetische Worte für Putin und die gemeinsam aufgebauten Beziehungen: „Sollen wir sie etwa am Ende unserer politischen Karriere zerbrechen? Wir leben doch nicht ewig!“