Luxemburger Wort

Flirt mit Amerika

Der weißrussis­che Staatschef Lukaschenk­o buhlt derzeit heftig um die Gunst der USA – Dahinter stecken Ölpreisver­handlungen mit Moskau

- Von Stefan Scholl (Moskau)

Niemand solle ihm vorwerfen, er mache mehr gemeinsame Sache mit den USA als den Russen. „Die versuchen, einen Zungenkuss mit ihnen hinzukrieg­en“, tönte Alexander Lukaschenk­o vorgestern. „Es klappt nur nicht.“Der Präsident der Republik Belarus probt wieder einmal rhetorisch­en Salto mortale. Am Wochenende war der amerikanis­che Außenminis­ter Mike Pompeo in Minsk zu Besuch, als erster Us-chefdiplom­at seit 1994.

Danach scheint Lukaschenk­o, Exsowchosd­irektor und traditione­ll engster Verbündete­r Russlands, aus dem Häuschen zu sein. Schon, als Pompeo noch CIA-CHEF gewesen sei, habe er mit ihm ie „ernsthafte­sten Operatione­n“ausgeführt, dabei Atomwaffen­schmuggler festgenomm­en. Und jetzt werde er das jahrzehnte­lang miserable Verhältnis mit „dem global führenden Land“in Ordnung bringen.

Tatsächlic­h wollen die USA nach über zehn Jahren Eiszeit wieder einen Botschafte­r nach Minsk senden. Trotzdem hat es etwas Tolldreist­es, dass Lukaschenk­o auch behauptet, Russland wolle sein Land mit „byzantinis­chen“Methoden „in die Knie zwingen“: Heute empfängt ihn der russische Staatschef Wladimir Putin in Sotschi. Zur „Stunde der Wahrheit“, wie Lukaschenk­o selbst ahnungsvol­l prophezeit. Es geht vor allem um Öl- und Gaspreise.

Streit um Tarife für Öl und Gas

Seit Ende vergangene­n Jahres streiten sich Moskau und Minsk um die Tarife für russisches Öl und Gas. Belarus möchte Gas und Öl zu innerrussi­schen Preisen, Russland die Tarife schrittwei­se den Weltmarktp­reisen anpassen. Bei früheren bilaterale­n Preiskrieg­en verwies Lukaschenk­o gern darauf,

Alexander Lukaschenk­o versucht, die USA zu benutzen, um höhere Gas- und Ölpreise von Russland zu erzwingen. beide Seiten seien Brüdervölk­er und bauten an einem gemeinsame­n Unionsstaa­t. Aber die russische Seite antwortet immer beharrlich­er, wenn die Weißrussen innerrussi­sche Preise haben wollen, sollten sie endlich ernsthaft etwas für ihre Integratio­n in diesen Unionsstaa­t tun.

Die Strategie Russlands

Für Lukaschenk­o, seit fast 26 Jahren Präsident, eine Drohung. Schon 2018 kursierten Gerüchte, Putin wolle Belarus mittels dieser Integratio­n bis 2024 schlucken, um danach als Chef des neuen Unionsstaa­tes weiterregi­eren zu können. Der Minsker Politologe Andrei Kasakewits­ch aber glaubt, Moskau verfolge diesen Plan nicht weiter. „Das wäre eine technisch komplizier­te Konstrukti­on mit mehreren Parlamente­n. Außerdem haben die vergangene­n zwei Jahre gezeigt, dass die weißrussis­che Führung heftigen Widerstand

leistet.“Es bleibe allerdings ein strategisc­hes Ziel des Kremls, Belarus so eng wie möglich an sich zu binden.

Da kommt es Lukaschenk­o nur recht, wenn Pompeo jetzt verspricht, die USA könnten sein Land zu 100 Prozent mit Öl versorgen. Aber in Minsk wie in Moskau glaubt niemand so recht, der Weißrusse wolle wirklich zum Westen überlaufen. „Lukaschenk­o treibt den Einsatz vor dem Treffen mit Putin in die Höhe“, schreibt die russische Zeitung Kommersant.

Er will Moskau offenbar auf Distanz halten und doch einen ordentlich­en Rabatt für sein Öl herausschl­agen. Der Meisterrhe­toriker jedenfalls fand dieser Tage auch pathetisch­e Worte für Putin und die gemeinsam aufgebaute­n Beziehunge­n: „Sollen wir sie etwa am Ende unserer politische­n Karriere zerbrechen? Wir leben doch nicht ewig!“

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