Auf natürlichen Wegen
Bis 2023 soll die Petruss ihr Betonbett verlassen – doch zunächst werden 116 Bäume gefällt
Luxemburg. Wer dieser Tage durch die Parkanlage entlang der Petruss spaziert, der dürfte Probleme haben, das Vogelgezwitscher zu hören. Denn von heute an dominieren kreischende Motorsägen die Geräuschkulisse unterhalb der Festungsanlagen. Der Grund: Die Arbeiten zur Renaturierung des berühmtesten Baches der Hauptstadt haben begonnen.
Einer der wohl einschneidendsten Arbeitsschritte ist zugleich einer der ersten: 116 Bäume werden in den nächsten Wochen der Kettensäge zum Opfer fallen. Bei einem Pressetermin am Lauf der Petruss betonten gestern sowohl Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) als auch Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) die Notwendigkeit dieser Maßnahme. „Es ist durchaus ein massiver Eingriff in eines der Naherholungsgebiete der Stadt. Aber er ist nötig, um die Situation der Petruss zu verbessern“, erklärte die Umweltministerin den Schritt.
Auch Lydie Polfer unterstrich, dass man in Sachen Fällen von Bäumen keineswegs leichtsinnig vorgegangen sei: „Wir haben zusammen mit dem Umweltministerium jeden Baum einzeln bewertet. Nur wo unbedingt nötig, werden Bäume gefällt.“
Nico Pundel, Verantwortlicher der Stadt Luxemburg für Energie und Umwelt, erläutert den Grund für die Teilrodung: „Die Bäume, die wir jetzt fällen, würden bei dem zukünftigen natürlichen Lauf im Wasser stehen und absterben. Andere Bäume sind krank und sollten sowieso gefällt werden.“
Bei der Renaturierung der Petruss handelt es sich um eines der größten Begrünungsprojekte der Hauptstadt. Bis 2023 soll der natürliche Lauf des Bachs wiederhergestellt werden. Das angestrebte Datum ist dabei nicht ohne historische Bedeutung, denn 1933 – also 90 Jahre vor der geplanten Fertigstellung – wurde die Petruss in ihr jetziges Betonbett gezwängt.
Grund für die Kanalisierung des Bachs war damals die schlechte Wasserqualität. Durch den künstlichen, schmalen Lauf sollte die Fließgeschwindigkeit des Gewässers erhöht werden und so das Schmutzwasser schneller aus der Stadt evakuiert werden.
Bach „faktisch tot“
Ein Eingriff, der nicht ohne Folgen für das Leben im Bach bleiben sollte, wie Claude Prim vom Wasserwirtschaftsamt weiß: „Zusammen mit dem Luxembourg Institute of Science and Technology haben wir die Biodiversität der Petruss untersucht. Der Bach ist, abgesehen von einigen Mikroorganismen, faktisch tot. Das liegt auch an der schnellen Fließgeschwindigkeit.“Erst wenn der Beton verschwindet, haben Fische und Flusstiere wieder eine Chance, in der Petruss ihren Lebensraum zu finden, so Prim weiter.
Die jetzt beginnenden Arbeiten sind Teil der ersten von zwei Phasen des Projektes. Sie erstrecken sich von der Rue Saint Ulric bis zur Bourbonen-schleuse, die direkt unterhalb der Gëlle Fra liegt. Neben der Renaturierung des Flussbetts der Petruss steht die Umgestaltung der Parkanlangen im Zentrum der Arbeiten. So wird der Minigolfplatz am Eingang zum Park erneuert und um eine Liegewiese ergänzt. Auch die Brücken über die Petruss werden abgerissen und ersetzt. Ziel sei es, dass die Brücken sich einerseits besser ins Landschaftsbild einfügen und andererseits dem bis zu 1,5 Meter erhöhten Flussbett Rechnung zu tragen, so Nico Pundel von der Stadtverwaltung. Eines der zentralen Anliegen bei der Renaturierung der Petruss ist zudem die Verbindung zur Alzette: Durch eine Fischtreppe sollen Flussbewohner von einem Gewässer zum anderen wandern können.
Erste Phase bis 2023
Neben dem historischen Bezug erzwingt ein Großereignis die Fertigstellung der Arbeiten bis 2023: Die Gartenschau Luxembourg Urban Garden (LUGA), die in dem Jahr erstmals im Großherzogtum stattfindet. Die Renaturierung der Petruss soll zu einem der Anziehungspunkte während der Gartenschau werden (siehe Kasten). Auch wegen dieses Termins ist das Projekt in zwei Phasen eingeteilt. Die Arbeiten hinter der Bourbonenschleuse bis zur Porte de Hollerich werden erst nach der LUGA in Angriff genommen.
Für die erste Phase sind laut Bürgermeisterin Lydie Polfer Kosten in Höhe von 26 Millionen Euro vorgesehen. Ein Teil davon übernimmt das Umweltministerium durch den Gewässerfonds. So werden 90 Prozent der Kosten, die im Rahmen der Renaturierung der Petruss anfallen, vom Staat getragen; insgesamt zwölf Millionen Euro. Umweltministerin Carole Dieschbourg unterstrich bei der Gelegenheit die positive Ökobilanz des Projekts: „Wir verwalten hier ökologisches Kapital und schaffen einen Mehrwert. Trotz der Eingriffe ist die Ökobilanz ganz klar positiv.“
Mehr Bürgerbeteiligung gefordert
Während die Details den Medienvertretern beim gestrigen Termin erläutert wurden, fordert der Interessenverein Hollerich mehr direkte Bürgerbeteiligung. Vereinsmitglied Jelena Lemmer-rockel ist selbst Anrainerin des Petruss-parks. Zwar sei sie selbst erst von der zweiten Phase von den Arbeiten betroffen, doch schon jetzt sei die Kommunikation mit den Bürgern nicht optimal verlaufen: „Die Gemeinde spricht meist nur von einer Renaturierung des Bachlaufs, aber eigentlich ist das Projekt viel größer angelegt. Da hätte ich mir eine Informationsversammlung für die Bürger gewünscht“, bemängelt sie.
Trotz der Eingriffe ist die Ökobilanz positiv.
Carole Dieschbourg, Umweltministerin