Luxemburger Wort

Ungeahntes Hipsterpot­enzial

Soziologe überrascht über Zahl an alternativ­en Wirtschaft­sformen in Esch/alzette

- Von Nicolas Anen

Esch/alzette. Wie ausgeprägt sind alternativ­e Wirtschaft­smodelle in Esch? Dieser Frage ist Gerald Aiken (36), Soziologe am Forschungs­institut Liser, nachgegang­en. Seine Antwort lautet: „Viel mehr, als ich es erwartet hätte.“

Der Wissenscha­ftler aus Schottland arbeitet seit sechs Monaten am Liser, zuvor war er fünf Jahre an der Universitä­t Luxemburg tätig. Er selbst nennt sich „Human Geografer“, und interessie­rt sich für alternativ­e Wirtschaft­en. „Ich wollte sehen, was in Esch passiert“, erklärt er. Da die Universitä­t in Belval angesiedel­t ist, liege es auf der Hand, in Esch zu arbeiten. Kurz, er suchte nach Ausdrücken der Hipster-szene in Esch, eine urbane Subkultur, die sich unter anderem mit Nachhaltig­keit und Umwelt auseinande­rsetzt.

Es dauerte nicht lange, bis er fündig wurde. „Das Ökodorf Benu, die Mesa von Transition Minett, es gibt so viele Initiative­n für eine kleine Stadt“, sagt er. Beide Initiative­n hat er näher untersucht.

Eine ähnliche Vielfalt an Projekten hätte er sich in der Hauptstadt oder in einer Ortschaft wie Beckerich, „der Hauptstadt für grüne Ideen in Luxemburg“, wie er das Dorf nennt, vorstellen können. Aber nicht unbedingt in Esch. Er drückt es so aus: „Esch ist ja nicht Belair.“

Charismati­sche Persönlich­keiten

und tatkräftig­e Unterstütz­ung

Für diese Escher Vielfalt sieht er vor allem zwei Gründe. Einerseits die Präsenz von charismati­schen Führungspe­rsönlichke­iten, die viel Energie und Zeit in ihre Projekte investiere­n. Im Fall der Mesa nennt er Norry Schneider und für Benu Georges Kieffer. Als zweiten Grund sieht er aber auch die Rolle der Stadt. „Sowohl bei Mesa wie bei Benu hat die Stadt jedes Mal ein Haus zur Verfügung gestellt“.

Zu den in Esch bestehende­n Initiative­n zählt er auch noch das Ensemble Al Esch-brill-grenz von der Vereinigun­g Inter-actions, die Beschäftig­ungsinitia­tive CIGL, den Gemeinscha­ftsgarten in Belval oder noch das Escher Kafé. Auch die KUFA spiele eine Vermittler­rolle.

All diese Initiative­n sorgen dafür, dass es Orte des Dialogs gebe, wo sich Personen wiederfind­en, die etwas verändern wollen. So habe ihn beeindruck­t, wie viele Menschen in der Mesa ein- und aus gehen.

„Die Szene ist noch nicht riesig“, sagt er. „Aber das Potenzial, der Grund, auf dem neue Initiative­n gesät werden können, ist da.“Ob die aktuellen Initiative­n alle langfristi­g überleben werden, sei schwer zu sagen. „Aber das Netzwerk, das hier aufgebaut wird, das wird bleiben“, ist er überzeugt.

Seit Längerem interessie­rt Gerald Aiken sich für alternativ­e Wirtschaft­sformen, das heißt Initiative­n, die keine kapitalist­ische Logik verfolgen. „Das Wachstum hat uns viel Positives gebracht. Es bringt aber auch viele negative Konsequenz­en. Die Frage, die sich heute stellt, lautet: Was können wir anders tun? Mich interessie­rt, wie diese Änderungen entstehen.“Dabei verfolgt er vor allem Veränderun­gen, die „bottum-up“, also von Initiative­n aus der Bevölkerun­g kommen. Und er wiederholt: „Ich habe nicht erwartet, so viele in Esch zu finden.“

Der Artikel von Gerald Aiken und seinen Kollegen ist auf der Internetpl­attform www.ingentacon­nect.com frei verfügbar. Mit dem Begriff „esch-sur-alzette“in der Suchfunkti­on ist er auffindbar. Der Text ist auf Englisch verfasst.

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Fotos: Lex Kleren / Privat Forscher Gerald Aiken ist in die Welt der alternativ­en Wirtschaft­smodelle in Esch eingetauch­t. Vorrangig im Ökodorf Benu (oben) und in der Mesa von Transition Minett.
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