Ungeahntes Hipsterpotenzial
Soziologe überrascht über Zahl an alternativen Wirtschaftsformen in Esch/alzette
Esch/alzette. Wie ausgeprägt sind alternative Wirtschaftsmodelle in Esch? Dieser Frage ist Gerald Aiken (36), Soziologe am Forschungsinstitut Liser, nachgegangen. Seine Antwort lautet: „Viel mehr, als ich es erwartet hätte.“
Der Wissenschaftler aus Schottland arbeitet seit sechs Monaten am Liser, zuvor war er fünf Jahre an der Universität Luxemburg tätig. Er selbst nennt sich „Human Geografer“, und interessiert sich für alternative Wirtschaften. „Ich wollte sehen, was in Esch passiert“, erklärt er. Da die Universität in Belval angesiedelt ist, liege es auf der Hand, in Esch zu arbeiten. Kurz, er suchte nach Ausdrücken der Hipster-szene in Esch, eine urbane Subkultur, die sich unter anderem mit Nachhaltigkeit und Umwelt auseinandersetzt.
Es dauerte nicht lange, bis er fündig wurde. „Das Ökodorf Benu, die Mesa von Transition Minett, es gibt so viele Initiativen für eine kleine Stadt“, sagt er. Beide Initiativen hat er näher untersucht.
Eine ähnliche Vielfalt an Projekten hätte er sich in der Hauptstadt oder in einer Ortschaft wie Beckerich, „der Hauptstadt für grüne Ideen in Luxemburg“, wie er das Dorf nennt, vorstellen können. Aber nicht unbedingt in Esch. Er drückt es so aus: „Esch ist ja nicht Belair.“
Charismatische Persönlichkeiten
und tatkräftige Unterstützung
Für diese Escher Vielfalt sieht er vor allem zwei Gründe. Einerseits die Präsenz von charismatischen Führungspersönlichkeiten, die viel Energie und Zeit in ihre Projekte investieren. Im Fall der Mesa nennt er Norry Schneider und für Benu Georges Kieffer. Als zweiten Grund sieht er aber auch die Rolle der Stadt. „Sowohl bei Mesa wie bei Benu hat die Stadt jedes Mal ein Haus zur Verfügung gestellt“.
Zu den in Esch bestehenden Initiativen zählt er auch noch das Ensemble Al Esch-brill-grenz von der Vereinigung Inter-actions, die Beschäftigungsinitiative CIGL, den Gemeinschaftsgarten in Belval oder noch das Escher Kafé. Auch die KUFA spiele eine Vermittlerrolle.
All diese Initiativen sorgen dafür, dass es Orte des Dialogs gebe, wo sich Personen wiederfinden, die etwas verändern wollen. So habe ihn beeindruckt, wie viele Menschen in der Mesa ein- und aus gehen.
„Die Szene ist noch nicht riesig“, sagt er. „Aber das Potenzial, der Grund, auf dem neue Initiativen gesät werden können, ist da.“Ob die aktuellen Initiativen alle langfristig überleben werden, sei schwer zu sagen. „Aber das Netzwerk, das hier aufgebaut wird, das wird bleiben“, ist er überzeugt.
Seit Längerem interessiert Gerald Aiken sich für alternative Wirtschaftsformen, das heißt Initiativen, die keine kapitalistische Logik verfolgen. „Das Wachstum hat uns viel Positives gebracht. Es bringt aber auch viele negative Konsequenzen. Die Frage, die sich heute stellt, lautet: Was können wir anders tun? Mich interessiert, wie diese Änderungen entstehen.“Dabei verfolgt er vor allem Veränderungen, die „bottum-up“, also von Initiativen aus der Bevölkerung kommen. Und er wiederholt: „Ich habe nicht erwartet, so viele in Esch zu finden.“
Der Artikel von Gerald Aiken und seinen Kollegen ist auf der Internetplattform www.ingentaconnect.com frei verfügbar. Mit dem Begriff „esch-sur-alzette“in der Suchfunktion ist er auffindbar. Der Text ist auf Englisch verfasst.