„Menschenverachtend in allen Hinsichten“
Gedenkfeier zum 75. Jahrestag des Massakers von Sonnenburg im Lënster Lycée
Junglinster. Das Unfassbare ereignete sich vor 75 Jahren. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 wurden im Straflager Sonnenburg, dem heutigen Slonsk in Polen, 819 Menschen, unter ihnen 91 junge Luxemburger, von einem Sonderkommando der SS kaltblütig ermordet. Die Opfer sind nicht vergessen.
Jedes Jahr organisieren die Amicale Albert Ungeheuer und die Zwangsrekrutierten in einer Schule des Landes eine Gedenkfeier, um an das Massaker zu erinnern. In diesem Jahr war die Wahl auf das Lyzeum in Junglinster gefallen. „Die Tat war menschenverachtend in allen Hinsichten“, erklärte Vizepremier François Bausch als Vertreter der Regierung bei dieser Gelegenheit.
Die Gedenkfeier bot nicht nur die Gelegenheit zu einem Blick zurück, sondern auch zu einer eindringlichen Warnung vor Intoleranz und dem Wiederaufkeimen von rechtsradikalem Gedankengut. So sprach Schuldirektor Tom Nober von einer Verrohung der Sitten, die nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Luxemburg festzustellen sei. Bei den 91 Luxemburgern,
die in Sonnenburg ermordet wurden, handelte es sich um junge Männer, die sich geweigert hatten, die Wehrmachtsuniform anzuziehen. Laut Vincent Fally, Präsident der Amicale Albert Ungeheuer, waren unter ihnen auch Männer, die mit der Hilfe des Widerstandskämpfers Albert Ungeheuer nach Frankreich geflohen waren, um sich der Zwangsrekrutierung zu entziehen, und dort gefasst wurden. Sie waren zwischen 18 und 22 Jahre alt. Neben ihnen wurden Männer aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Russland, Serbien und Jugoslawien von der SS in der Mordnacht von Sonnenburg hingerichtet.
Das Gemetzel begann am 30. Januar 1945 um 22 Uhr. Die jungen Männer mussten im Laufschritt in Gruppen von zehn am Hinrichtungsort antreten und wurden dort von Ss-leuten per Genickschuss getötet. Das Morden endete am frühen Morgen des 31. Januar gegen 4 Uhr. 20 Häftlinge blieben vorerst verschont. Sie mussten mit ansehen, wie ihre Kameraden erschossen wurden, und sollten später die Leichen wegbringen. Nur sechs Menschen überlebten das Massaker.
Für die Hingerichteten war zu dem Zeitpunkt die Befreiung zum Greifen nah. Die sowjetische Armee war nur 30 Kilometer von Sonnenburg entfernt, als es zu dem Massaker kam. Vor der Ankunft der Sowjets waren 200 der über 1 000 Häftlinge auf sogenannten Todesmärschen in Richtung Berlin getrieben worden. Die Soldaten entdeckten die Leichen am 2. Februar.
Im Rahmen der Gedenkfeier wurde das Massaker als „einer der tragischsten Momente in der luxemburgischen Geschichte“bezeichnet. Und der Präsident der Zwangsrekrutierten, Erny Lamborelle, betonte, es sei „eine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.“Er erinnerte daran, dass Sonnenburg während des Zweiten Weltkriegs kein Einzelfall war. Zu ähnlichen Exekutionen sei es in Siegburg und Lingen gekommen. Erny Lamborelle betonte weiter, Ziel der deutschen Besatzer während der Kriegsjahre sei es gewesen, die Jugend Luxemburgs gezielt zu vernichten. rsd