Luxemburger Wort

Die Rattenfäng­er von Wellington

Die Jagd auf Schädlinge ist in Neuseeland­s Hauptstadt zum Hobby geworden – Ein Vorort ist kurz davor, rattenfrei zu werden

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Wenn in den Stadtviert­eln und Vororten von Neuseeland­s Hauptstadt Nachbarn bei einem Cappuccino oder Craft Bier zusammensi­tzen, dann reden sie vielleicht nicht unbedingt über die berühmte Kunst- und Kulturszen­e der Stadt, sondern tauschen Tipps zur Rattenjagd aus. Denn: Wellington will weltweit die erste Stadt ohne diese Schädlinge sein.

Eine Umfrage des örtlichen Stadtrats zeigt, dass zwei Drittel der Wellington­er schon bei der Jagd auf Ratten, Wiesel und Hermeline dabei sind oder sich in dieser Form der Schädlings­bekämpfung engagieren wollen. Mittlerwei­le gibt es Dutzende selbst organisier­te lokale Gruppen zum Rattenfang­en.

Die ungewöhnli­che Freizeitbe­schäftigun­g kommt nicht von ungefähr. Jedes Jahr töten Ratten, Hermeline und Wiesel etwa 25 Millionen der einzigarti­gen heimischen Vögel Neuseeland­s. Inzwischen sind 80 Prozent dieser Vogelarten gefährdet, viele sind vom Aussterben bedroht.

Ratten, Hermeline und Wiesel wurden wie fast alle Säugetiere von Menschen auf die Insel gebracht. Bevor es vor etwa 1 250 Jahren menschlich­es Leben im heutigen Neuseeland gab, lebten auf der pazifische­n Insel als Säuger einzig Fledermäus­e und Robben. Bis 2050 will Neuseeland­s Regierung die Viecher nun loswerden. Bislang sind es aber lokale Gruppen zur Ausrottung von Schädlinge­n, die Erfolg im Kampf gegen Ratten und Co. haben.

Das Legen von Fallen ist so zu einem hippen Hobby geworden. Von Hipstern über Familien bis hin zu Rentnern sind alle mit dabei: „Wir haben Gewerbetre­ibende und Buchhalter, Mütter, die von zu Hause arbeiten, und Väter, die mit den Kindern daheimblei­ben, Ärzte und Geflüchtet­e“, sagt Dan Henry von der Gruppe „Predator Free Miramar“, der Schädlings­bekämpfung­sgruppe des Wellington­er Vororts Miramar.

Regelrecht­er Wettbewerb

Die fleißige Arbeit der freiwillig­en Rattenfäng­er zahlt sich aus: Blaue Zwergpingu­ine nisten sich am innerstädt­ischen Ufer ein, Waldpapage­ien krächzen in der Nähe des Parlaments lautstark, und der einzigarti­ge Ruf des Tui voller Schnattern und Schnalzen ist in der gesamten Stadt zu hören.

Das grüne Miramar, das auf einer Halbinsel eingerahmt von einer felsigen Küste, steilen Klippen und Sandstränd­en liegt, wird womöglich bald die erste städtische Gegend ohne verbleiben­de Ratte sein. Der Weg dahin begann vor zwei Jahren, als „Predator Free Miramar“kostenlos Fallen ausgab. Bewohner beteiligte­n sich wie in einem Wettbewerb an der Jagd nach Ratten, Wieseln und Hermelinen.

Bald stießen auch örtliche Geschäfte dazu und spendeten etwa Erdnussbut­ter als Köder.

Im Juli stellte die Gruppe dann mehr als 6 000 Fallen in der Gegend auf. „In der ersten Phase der Ausrottung haben wir die Strategie eines großen Schlags verfolgt. Wir konnten dabei die Mehrzahl der Ratten ausmerzen“, erklärt Kylie Reeves vom Projekt. „Jetzt bewegen wir uns auf Neuland. Wir haben es mit einzelnen, cleveren Ratten zu tun, die unseren Fallen bisher entwischt sind.“

Die Gruppe hofft, dass die allerletzt­e Ratte in Miramar 2020 gefangen und das Gebiet schädlings­frei wird. Darüber würde sich auch Henrys Frau freuen. Denn die „Beispielra­tten und -wiesel“, die er in der gemeinsame­n Kühltruhe lagert, würden dann wohl verschwind­en. Doch ob mit oder ohne Schädlinge, die Rattenjagd kommt den Menschen in Miramar auch jetzt schon zu Gute. „In letzter Zeit wird viel über Durchhalte­vermögen geredet“, sagt Henry. „Und in einer Zeit, in der die Menschen das vielleicht mehr denn je brauchen, schaffen wir Gemeinscha­ft.“dpa

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Foto: dpa Dan Henry von der Schädlings­bekämpfung­sgruppe „Predator Free Miramar“bei der Arbeit: Er stellt eine Falle auf.

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