Luxemburger Wort

Unter den Flügeln des Raben

Tröster, Feind, Verbündete­r – der Tod trägt viele Gesichter

- Von Sarah Cames

Ein Wandler zwischen den Welten, Sinnbild von Weisheit und Tod – dem Raben kommt in der westlichen Welt seit Jahrhunder­ten mannigfalt­ige Symbolkraf­t zu. So auch in dem Theaterstü­ck „Das letzte Feuer“, geschriebe­n von Dea Loher und von Anna-elisabeth Frick auf die Bühne des hauptstädt­ischen Kapuzinert­heaters gebracht. Das Drama, für das Dea Loher 2008 mit dem Mülheimer Dramatiker­preis ausgezeich­net wurde, feiert am 11. Februar seine Premiere in Luxemburg.

Bei einem Autounfall kommt der achtjährig­e Edgar ums Leben. Einziger Zeuge ist der Rabe. Der Unfall zerrüttet das sonst scheinbar so friedliche Leben der Dorfbewohn­er. Die Hinterblie­benen beginnen mit der Suche nach einem Schuldigen, was schnell absurde Züge annimmt. Das Stück ist eine Studie über den Umgang mit der eigenen Schuld, dem eigenen Schmerz, der menschlich­en Resilienz und der existenzie­llen Frage: Was ist eigentlich der Tod?

In Anna-elisabeth Fricks Interpreta­tion von „Das letzte Feuer“präsentier­t sich der Tod als allgegenwä­rtig, mal sichtbar, mal verborgen, über moralische­n Wertungen stehend. Als „Projektion­sfläche der anderen“beschreibt Schauspiel­erin Catherine Elsen ihre Figur des Rabens. Mit kindlicher Neugier beobachtet der Tod die Dorfbewohn­er, zeigt sich von ihren Schicksale­n aber nicht berührt.

Ein Dorf in Aufruhr

Die Figuren auf der Bühne zeigen, stellvertr­etend als Querschnit­t der Gesellscha­ft, wie unterschie­dlich Menschen mit ihrem Schmerz umgehen. Ob man ihn zu verdrängen versucht, oder sich darin suhlt – der Schmerz als universell­e menschlich­e Erfahrung bleibt. „Jeder hat sein Päckchen zu tragen“, so Anna-elisabeth Frick. Das gilt sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerr­aum. „Wir sind alle gebrochen, irgendwie. Das auszusprec­hen und anzuerkenn­en ist eine große Erleichter­ung.“

Die einzelnen Dorfbewohn­er, deren Schicksale eng miteinande­r verwoben sind, ringen mit Drogensuch­t, sozialer Ausgrenzun­g, Alzheimer oder einer Krebserkra­nkung, haben Affären und dunkle Geheimniss­e mit gefährlich­er Sprengkraf­t. Durch die Augen dieser unzuverläs­sigen Erzähler bietet sich den Zuschauern ein kaleidosko­partiger und fragmentie­rter Blick auf die Geschehnis­se.

Die schwere Materie des Stücks wird durch Rückblende­n in das Leben vor dem Unfall des kleinen Edgar aufgelocke­rt. Durch die verklärte Brille der Erinnerung beschwören die Protagonis­ten scheinbar bessere Zeiten. Doch sind bereits erste Risse zu erkennen, die sich später zu klaffenden Abgründen auftun werden.

Heitere Momente haben in „Das letzte Feuer“immer auch einen bitteren Beigeschma­ck und legen damit einen scharfen Fokus auf die Absurdität des Todes. So fragt die an Alzheimer erkrankte Großmutter

des toten Jungen die trauernden Eltern immer wieder, wo denn „das Edgarchen“sei. Auch wenn die Antwort auf die Frage sofort zurück in die Realität katapultie­rt – als Zuschauer sieht man sich im ersten Moment trotzdem zum Lachen verleitet.

Platz zum Einatmen und zur Reflexion bieten die Episoden, in denen die Darsteller für kurze Zeit aus ihren Rollen ausbrechen und die Geschehnis­se auf der Bühne aus der Ich-perspektiv­e kommentier­en. Mit poetischer Sprache, Musik und Tanz führen sie das Publikum durch das Stück.

Der Tod als Tröster

Totenkopf erklärt ihr, dass sie keine Angst vor ihm zu haben braucht. Er ist einfach immer da. So gehen die beiden als Freunde zusammen durchs Leben. Als dem Tod kalt wird, wärmt die Ente ihn. Und als der Ente kalt wird, legt der Tod sich wie ein Mantel um sie. In der Vorbereitu­ngszeit haben sich die Darsteller ebenfalls mit dem Kinderbuch befasst. „Uns Erwachsene hat dieses Buch mehr erschreckt als viele Kinder“, fasst Matthias Breitenbac­h, der Edgars Vater spielt, seine Eindrücke zusammen.

Dabei ist der Tod nichts als der natürliche Schlusspun­kt des Lebens, die ultimative demokratis­ierende Kraft. Er nimmt, wie das Stück von Dea Loher, keine moralische Position ein, spielt nicht nach den gesellscha­ftlichen Regeln. Regisseuri­n Anna-elisabeth Frick bringt seine Rolle passend auf den Punkt: „Der Tod ist absurderwe­ise das, was alles zusammenhä­lt.“

Vorstellun­gen am 11., 12., 15. und 26. Februar sowie am 11. März jeweils um 20 Uhr im Kapuzinert­heater. Tickets kosten 20 und 8 Euro (ermäßigt) und können reserviert werden über Tel. 47 08 95-1 und

► www.luxembourg-ticket.lu

 ?? Foto: Théâtres de la Ville de Luxembourg ?? Ein Foto aus glückliche­ren Zeiten: Vater Ludwig und Mutter Susanne mit ihrem achtjährig­en Sohn Edgar. Ein erschütter­nder Unfall stellt das Leben der Familie auf den Kopf.
Foto: Théâtres de la Ville de Luxembourg Ein Foto aus glückliche­ren Zeiten: Vater Ludwig und Mutter Susanne mit ihrem achtjährig­en Sohn Edgar. Ein erschütter­nder Unfall stellt das Leben der Familie auf den Kopf.

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