Tina Dicos Traumwelten
Dänischer Topstar auf Stippvisite im opderschmelz
Was kann sich das Großherzogtum glücklich schätzen, regionale Kulturzentren zu haben, die mit ihren Schwerpunkten echte Akzente setzen und Perlen präsentieren – und dabei noch nicht einmal viel Tamtam darum machen, wen sie da zu Gast haben! Beim Düdelinger Centre opderschmelz gilt das ganz sicher im Bereich Singer/songwriter. Tina Dico ist am Donnerstagabend zu Gast – und in der Nachlese ist das Konzert der dänischen Queen des poetischen Songschreibens einfach ein echtes Erlebnis. Für Fans – die auch mal kritisieren, dass Dico angeblich mehr Pop macht und nicht mehr die Tiefe entwickelt – ist es ein Rundumschlag durch die letzten, „gereift“entstandenen Alben der zweifachen Mutter; „Fastland“steht im Fokus, und doch gibt es auch Ausblicke auf die kommenden Alben, die Live-platte „In Concert“und die Coversongs-ep „Borrowed and Blue“.
Im Quartett mit ihrem Ehemann Helgi Jonsson (Gesang, Tasteninstrumente und Posaune), Marianne Lewandowski (Perkussion) und Dennis Ahlgren am Bass, macht sie aus scheinbar wenig richtig viel. Augenfällig: die mehrstimmigen Vokalarrangements, manches Mal ein Rückzug komplett weg von der Technik und eine ausgeklügelte, mit ein paar Worten an das Publikum immer neu weitergetragene Dramaturgie, die die Texte hervorhebt. Ihr Hit „Count to Ten“ist letztlich der Schlussakkord, der die Zuschauer zu stehenden Ovationen aus den Sitzen reißt.
Ihre Magie entfaltet sich aber durchaus schon zuvor: Dico verlangt zwar, dass man genau auf ihre Texte achten muss – dafür eröffnen sich dann aber wunderbare, musikalisch und lyrisch-poetisch erzählte Gedankenwelten. So auch an diesem Abend, der fast wie in Wohnzimmeratmosphäre daherkommt. Nicht nur wegen der „Tapeten“-deko im Bühnenhintergrund, sondern auch wegen eines vergleichsweise geringen Publikums, das ungemein ruhig und ganz fokussiert auf die Musik ist. Es ist eben ihr erster Auftritt im Land; und zu wünschen wäre ihr gewesen, dass mindestens so viele wie zum Beispiel auf dieser „Fastland“-tour in der Hamburger Leiszhalle zu erwarten sind. In Düdelingen betritt sie Neuland. Die dänischen Expats sind natürlich am Start – aber selbst unter denen scheint sich die in ihrem Heimatland mit mehreren Nummer-1-alben gekrönte Sängerin erst einmal durchsetzen zu müssen. Das Publikum hält sich selbst bei Mitsingphrasen zurück.
Und war es wirklich die Gitarre, die verstimmt war? Oder brauchte eher ihre Stimme dann und wann eine Pause? Allzu kritisch sollte man das nicht sehen. Es ist der sechste Konzertabend ohne Pause – ein Marathon, den sie sich selbst, ihrer Truppe, dem wirklich spannenden Support Act Nicklas Sahl und ihrem jungen Nachwuchs, der mit dem Tourbus unterwegs ist, zumuten muss. Dafür ist dieser Abend wirklich tief, intensiv und farbenreich.
Düdelinger Konzert in Wohnzimmeratmosphäre: Tina Dico war zu Gast.