Luxemburger Wort

Hollywoods Millionen-projekt

Die Oscar-verleihung und die Aussicht auf das von Stararchit­ekt Renzo Piano entworfene Academy Museum

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Los Angeles. Kurz vor der eigentlich­en Oscar-verleihung, die in der Nacht von Sonntag auf Montag stattfinde­n wird und ein spannendes Stechen zwischen Favoriten wie „1917“und „Joker“und dem Außenseite­r mit Gewinnchan­cen, „Parasite“, verspricht, steht ein Neubau im Fokus: Bei der Bekanntgab­e der Nominierun­gen wählten die Veranstalt­er das Großraumki­no des noch nicht eröffneten neuen Academy Museum of Motion Pictures. Seine Hülle glänzt schon von Weitem: Der große Zylinder an der denkmalges­chützten Fassade eines früheren Luxus-kaufhauses, Baujahr 1939, ist mit 350 000 Blattgoldm­osaikstück­en verziert. „Das Gold passt genau zu den Oscars“, begeistert sich Jessica Niebel. Die gebürtige Deutsche gehört zum Kuratoren-team. Ein Drittel der Mosaikplät­tchen musste erneuert werden, sie wurden beim Originalhe­rsteller in Venedig beschafft.

Die Filmakadem­ie, die alljährlic­h die Oscars verleiht, scheut für ihr Megaprojek­t keine Kosten. Neben dem eleganten Altbau am Wilshire Boulevard in Los Angeles – über Glasbrücke­n verbunden – ragt eine kolossale, futuristis­che Kugel aus Glas, Stahl und Beton in den Himmel. Getragen von bebensiche­ren Stelzen, entworfen von dem italienisc­hen Stararchit­ekten Renzo Piano, der durch Bauten wie das Centre Pompidou und den dreieckige­n Londoner Wolkenkrat­zer „The Shard“berühmt ist.

Im Bauch der Sphäre befindet sich eben das Großraumki­no mit 1 000 Plätzen, darüber eine riesige Terrasse, in der Ferne ist der berühmte Hollywood-schriftzug zu erkennen. „Von hier oben hat man einen wunderschö­nen Blick über das alte Hollywood“, sagt Niebel, die zuvor beim Frankfurte­r Filmmuseum arbeitete, 2016 kam der Ruf nach Kalifornie­n.

Noch ist die Aussicht nur wenigen gegönnt. Immer wieder verzögerte sich die Einweihung des Museums. Mehr als vier Jahre nach dem ersten Spatenstic­h gibt es kein festes Datum, es soll aber noch in diesem Jahr passieren, verspreche­n die Betreiber. Von anfangs 200 Millionen Dollar haben sich die Kosten für den Prachtbau fast verdoppelt. Stars wie Steven Spielberg, Barbra Streisand, Tom Hanks und George Lucas spendeten, auch Filmstudio­s, Stiftungen und Superreich­e schrieben Schecks. Sie hätten nun 95 Prozent der angepeilte­n 388 Millionen Dollar zusammen, verkündete der neue Museumsdir­ektor Bill Kramer Ende Januar. Sein Vorgänger war im Herbst nach fünf Jahren gegangen.

Es ist ein ehrgeizige­s Projekt. Auf knapp 30 000 Quadratmet­ern Fläche, über sechs Stockwerke und den Kuppelbau verteilt, soll die Geschichte des Films zelebriert werden. Sie seien kein „Oscar-museum“, stellt Niebel klar. Natürlich würden auch Oscar-trophäen ausgestell­t, aber das mache nur einen kleinen Teil aus.

„Death Star“

Die Film-academy stellt ihre riesige Sammlung von Filmen, Fotos, Postern, Kostümen und Drehbücher­n zur Verfügung. Das Museum hat selbst schon mehr als 3 500 Stücke im eigenen Archiv: Das Cape, das Bela Lugosi 1931 als Graf Dracula trug, Dorothys rote Schuhe aus „The Wizard of Oz“, berühmte Filmkostüm­e von Shirley Temple, Marlene Dietrich, Elizabeth Taylor und Humphrey Bogart, eine Haiattrapp­e aus dem Horrorscho­cker „Jaws“, die Tür zu „Rick’s Café“aus „Casablanca“.

Niebel wurde auch bei einem Treffen mit Steven Spielberg in dessen Studio fündig. In einem Konferenzz­immer hing ein Schlitten

hinter Glas, erzählt die Kuratorin, „der echte ,Rosebud‘ aus Orson Welles’ Film ,Citizen Kane‘ “. „Na klar würde ich euch den leihen“, habe der Regisseur gleich auf ihre Nachfrage angeboten. „Unbegreifl­ich, wie hier Multimilli­onen gespendet werden“, meint die Kuratorin. Das gehöre in Hollywood eben zum guten Ton.

Und für die „Donors“macht sich die Spende auch bezahlt – ihre Namen sind überall im Museum zu finden. Es gibt die Spielberg-galerie, eine Barbra-streisand-brücke, sogar eine Netflix-terrasse. Einige Pfeiler sind nach Filmgrößen wie Sophia Loren, Tony Curtis oder Rita Moreno benannt, für je eine Million Dollar Spendengel­d.

Doch es geht nicht nur um Hollywoods Traumfabri­k. Niebel bringt auch das deutschspr­achige Kino der 1920er-jahre für die Dauerausst­ellung zu den Anfängen des Films ein. „Friedrich Wilhelm Murnau war ein Genie“, begeistert sich die Kuratorin über den „Nosferatu“-regisseur. Sie arbeitet auch an der ersten Sonderauss­tellung des Museums über das Werk des japanische­n Zeichentri­ck-meisters Hayao Miyazaki. Der 79-Jährige ist durch Filme wie „Chihiros Reise ins Zauberland“und „Mein Nachbar Totoro“bekannt. „Er spricht alle Generation­en und Menschen in aller Welt an“, sagt Niebel.

„Wir sind ein Filmmuseum, das internatio­nal ausgericht­et ist“, betont die Deutsche. Der Spitzname für das Museum weist allerdings in eine weit entfernte Galaxie. „Manche nennen es ,Death Star‘, nach dem kugelförmi­gen Todesstern aus den Star-wars-filmen“, sagt Niebel. Oder nach dem runden Spaceship Aries 1B aus Stanley Kubricks „2001: A Space Odyssey“. Das könnten die Besucher des Museums, wenn es schließlic­h aufmacht, bestaunen.

Die seltene Requisite von den Dreharbeit­en für den Weltraumkl­assiker von 1968 sei ein Highlight ihrer Sammlung, strahlt Niebel. Kein Wunder, „2001: A Space

Odyssey“ist einer ihrer Lieblingsf­ilme. Sie selbst hatte 2004 als Praktikant­in bei der Ausstellun­g „Stanley Kubrick“im Frankfurte­r Filmmuseum angefangen.

„Wir wollen einen breiten Kreis ansprechen“, sagt Niebel. „Filmfans, Cineasten, Experten, aber auch Leute, die nicht viel über Filmkunst wissen. Das ist eine große Herausford­erung.“Sie fiebert der Eröffnung des ersten Filmmuseum­s in der Kinometrop­ole mit Herzklopfe­n entgegen. Filmfans wird zumindest die diesjährig­e, 92. Oscar-zeremonie etwas helfen das Warten zu ertragen ... dpa

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 ?? Fotos: dpa ?? Die Ausstellun­gskuratori­n Jessica Niebel steht vor dem im Bau befindlich­en Academy Museum of Motion Pictures.
Fotos: dpa Die Ausstellun­gskuratori­n Jessica Niebel steht vor dem im Bau befindlich­en Academy Museum of Motion Pictures.
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Dorothys rote Schuhe aus dem Film „The Wizard of Oz“(1939), die von Adrian designt wurden (undatierte Aufnahme).

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